Glawischnig: "Bin für Solaranlagen-Pflicht"

Eva Glawischnig 22.08.2013
Grüne Frontfrau will Milliarden in die Schiene investieren und eine Million Sonnenkraftwerke auf Hausdächern installieren.

Die Grünen haben am Donnerstag ihr Wahlprogramm präsentiert. Sie setzen auf Korruptionsbekämpfung, Umwelt- und Bildungspolitik. Der KURIER sprach mit Parteichefin Eva Glawischnig über Verbote, Koalitionen und Stilfragen.

KURIER: Die autofreie Mariahilfer Straße in Wien erregt viele Bürger. Fürchten Sie, dass Ihnen diese rot-grüne Politik bei der Nationalratswahl schadet?

Eva Glawischnig: Wenn wir nur über 500 Meter Fußgängerzone diskutieren müssen, sind wir das glücklichste Land der Welt. Am Millstätter See hat man von der Debatte noch nichts gehört. Aber wir stehen wirklich vor großen Herausforderungen. Im Jahr 2100 werden 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Es ist eine Riesen-Aufgabe, dass es in Städten auch dann nachhaltige Lebensqualität gibt.

Die Polit-Konkurrenz zeiht die Grünen, zur Verbotspartei zu werden. Wie will man als Spießer- und Puritaner-Truppe bei Jungen die Nummer 1 werden?

Der Vorwurf ist falsch. Die ÖVP ist eine gesellschaftspolitische Verbotspartei: In Österreich dürfen Schwule und Lesben nicht heiraten, Asylwerber dürfen nicht arbeiten. Das sind Verbote, die tief in die Grundrechte von Menschen hineinschneiden. Nur die Grünen verteidigen die Liberalität mit Zähnen und Klauen. Außerdem stiehlt die ÖVP jungen Menschen mit ihrer Blockadehaltung in der Bildung Zukunftschancen.

Deutschlands Grüne wollen einen Veggie-Tag: Ein Mal pro Woche nur Vegetarisches in Kantinen. Ein Vorbild für Österreich?

In der Frage bin ich mit den Deutschen Grünen nicht einverstanden. Du kannst niemanden zu gesunder Ernährung zwingen. Essen soll lustvoll sein.

Ihre Partei will über den Kernwählerbereich hinaus. Wie viel Prozent sollen es bei der Herbstwahl werden?

Zwei Grün-Wähler sollen einen Dritten überzeugen. Wir wollen 15 Prozent plus.

Was ist für Sie unabdingbar, um mitzuregieren?

Die Grundvoraussetzung ist: U-Ausschüsse müssen Minderheitsrecht werden. Wichtig sind weiters eine Bildungsreform, ein grünes Wirtschaftsprogramm und ein Ende von Diskriminierungen.

Peter Pilz hat im KURIER zwei Bedingungen genannt: Raus aus dem Eurofighter-Vertrag, weg mit den Steuerabkommen mit der Schweiz und Liechtenstein. Ist das Parteilinie?

Das sind wesentliche Fragen: Ein U-Ausschuss zum Eurofighter ist nötig, auch einer zur Hypo-Notverstaatlichung. Aber es wird jeder Abgeordnete in seinem Bereich die Herzensanliegen nennen.

Strategie der Grünen ist, die ÖVP zu attackieren. Sie haben sie auch im KURIER „moralisch verwahrlost“ genannt. Warum steht die ÖVP im Fokus?

Die Vergewaltigung eines 14-Jährigen in U-Haft hat mich mitgenommen. Das ist für mich ein Kind. Und ich habe zwei Buben. Die Gefühllosigkeit der ÖVP hat mich als Mensch erschüttert. Die ÖVP verwendet auch Ausländer quasi als Wahlkampfmunition, Stichwort Servitenkloster-Flüchtlinge.

Die ÖVP kontert mit einer Rot-Grün-Fibel. Bei Rot-Grün würden „Recht auf Faulheit“, „Legalisierung von Rauschgift“ und Pädophilie drohen ...

Das ist Schüssel-Wahlkampf-Stil der übelsten Sorte. Dabei sitzen wir mit der ÖVP in vier Landesregierungen. Da sollte man einen gewissen Stil pflegen. Und: Spindelegger hat mir versprochen: ,Es ist nicht mein Stil, mit Schlamm zu werfen.‘

Angesichts dessen, was sich da jetzt abspielt: Ist eine Koali­tion mit der ÖVP denkbar?

Bei unseren Funktionärinnen und Abgeordneten sorgt das für extrem schlechte Stimmung. Diese Entgleisungen erschweren es, über eine Koalition nachzudenken.

Sie sagen, wenn Ihr Wahlprogramm umgesetzt würde, brächte das 100.000 Arbeitsplätze bis 2020. Wie geht das?

Die sechs Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren in den Straßenbau investiert werden sollten, sollten stattdessen in Schieneninfrastruktur fließen. Wir wollen den 700.000 Haushalten, die mit Öl heizen, eine Förderung für einen Kesseltausch anbieten. Es gibt hervorragende Kesselerzeuger in Österreich. Wir wollen auch eine Verdoppelung der Bio-Landwirtschaft. Außerdem wollen wir eine Solar-Anlagen-Verpflichtung. Bis 2020 soll es eine Million Solaranlagen-Dächer geben. Jede fünfte Solaranlage in Europa wird in Österreich produziert.

Heißt das, jeder, der sich künftig ein Haus baut, muss eine Solaranlage auf sein Dach bauen? Und ist das leistbar für die Leute?

Das würde über die Wohnbauförderung laufen. Wenn du keine Solaranlage baust, bekommst du keine Wohnbauförderung. Das gibt es in Oberösterreich und Vorarlberg schon lange.

Zum Bauprogramm: Heißt das, es sollen keine neuen Straßen mehr gebaut werden?

Ja, ich bin da nicht allein. Selbst der Asfinag-Vorstand hat gesagt: ,Für den Standort brauchen wir keine hochrangigen Straßen mehr.‘ Wir haben eines der dichtesten Autobahnnetze Europas. Wie viel soll die nächste Generation noch für Geisterautobahnen ausgeben?

Stattdessen soll das Schienennetz ausgebaut werden?

Ja, vor allem für die Ballungsräume rund um Wien, Graz, Linz und das Rheintal brauchen wir gute Schieneninfrastruktur, also de facto Schnellbahnen. Da haben wir Produzenten in Österreich. Das bringt mehr Arbeitsplätze als der Straßenbau.

Sie wollen Erbschaften und Schenkungen besteuern. Ab welcher Höhe?

Wir wollen Vermögensbestandteile über einer halben Million Euro besteuern. Wir sind eines der wenigen OECD-Länder, die keine Erbschafts- und Schenkungssteuer haben.

Die Wirtschaft sagt, Erbschafts- und Schenkungssteuern würden Betriebsübergaben erschweren. Sollen Unternehmen ausgenommen werden?

Ja, ich möchte großzügige Freibeträge für Betriebsübergaben.

Alles rund um die Nationalratswahl finden sie auf unserer Sammelseite.

Mit wem koalieren? Dieser Frage hat sich Eva Glawischnig als Bundessprecherin der Grünen im Mittagsjournal auf Ö1 gestellt - und sie klar beantwortet: "Stronach hat sich durch seine Positionen selbst ausgeschlossen", so Glawischnig. Demnach kämen nur die VP oder die SP als mögliche Partner infrage, eine Kooperation mit FPÖ und BZÖ hat man von vornherein immer kategorisch ausgeschlossen.

Warum die Grünen dann aber in Salzburg durch mit der Stronach-Partei könnten, wurde auch gefragt - Glawischnigs Antwort: "Dort war die Situation durch die vorgezogenen Wahlen eine ganz andere." Und: "Das Team Stronach hat dort alles unterschrieben, was die Grünen wollten."

Die Grünen wollen bei der Nationalratswahl „Nummer Eins“ bei den Jugendlichen werden. Erreichen will Bundessprecherin Eva Glawischnig dies mit dem Wahlprogramm, das am Donnerstag präsentiert wurde: Darin wird nicht nur ein Schwerpunkt auf Umweltpolitik und erneuerbare Energien gesetzt, auch der Korruption sagen die Grünen abermals den Kampf an. Glawischnig sieht in deren Aufarbeitung sogar eine Bedingung, überhaupt in mögliche Koalitionsgespräche einzutreten.

„Ein Programm für die Jugend“ haben die Grünen laut Glawischnig auf 130 Seiten Recyclingpapier erstellt. Darum müsse man auch damit rechnen, dass einige darin präsentierte Vorhaben über Jahrzehnte laufen sollen, unterm Strich werde Österreich aber „mit grün auch schwarze Zahlen schreiben“. Dementsprechend verantwortungsvoll solle auch der Umgang mit Steuergeld werden, Machtmissbrauch und Korruption gehörten abgestellt. „Die Lücken, die es noch gibt, müssen geschlossen werden“, plädierte Galwischnig für eine weitere Verschärfung der Bestimmungen.

Auch Kogler will durch ein striktes Vorgehen gegen Korruption „mehr Glaubwürdigkeit in die Politik zurückbringen“. Er wünscht sich einen „moralisch-ethischen Neustart“, der unterm Strich auch der Wirtschaft etwas bringen soll. So gesehen sei das grüne Wahlprogramm in Anlehnung an Aussagen von ÖVP-Chef Michael Spindelleger auch zur „Entfesselung“ der Wirtschaft geeignet. Unter anderem wollen die Grünen die Bankenabgabe so lange verlängern, bis das durch sie verursachte Finanzloch gestopft sei. Kleinstbetriebe gehörten zudem weiter gestärkt.

Umwelt

Aber auch mit ihrer Umweltpolitik würden die Grünen gerne der angeschlagenen Wirtschaft auf die Beine helfen. So beinhaltet das Wahlprogramm etwa das Vorhaben einer Umstiegsförderung für Haushalte auf Solarenergie. Und auch das Verkehrskonzept, das unter anderem ein 365-Euro-Ticket für Öffis in jedem Bundesland vorsieht, findet sich darin wieder. Zudem setzen die Grünen einen Schwerpunkt auf den Bildungsbereich. „Österreich muss Bildungsland Nummer Eins werden“, so Glawischnig, denn: „Jedes Kind ist ein Talent.“

Keine Steuersenkung

Nichts vormachen wollen die Grünen ihren Wählern, wenn es um Steuern geht. An große Abgabensenkungen, wie dies etwa die ÖVP verspreche, denkt Vizechef Kogler daher nicht, „weil wir uns diesem populistischen Wettlauf einfach nicht anschließen“. Auch für Glawischnig ist klar: „Wir haben an sich nichts zu verschenken und wir schenken auch reinen Wein ein.“

Bedingung für Koalitionsgespräche solle aber die lückenlose Aufarbeitung diverser Korruptionsfälle sein, betonte Glawischnig. „Zuerst muss der Tisch sauber gemacht werden“, verlangt sie, der entstandene Schaden müsse „bis zum letzten Euro“ zurückgezahlt werden. Als Wahlziel haben sich die Grünen weiterhin „15 Prozent plus“ gesetzt.

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