Eine Klage gegen die EU-Kommission dagegen, die ließ vor wenigen Wochen in Brüssel die politische Fieberkurve hochschnellen. Kläger ist das Parlament, der Anlassfall eine Zahlung über zehn Milliarden Euro an Hilfsgeldern an Ungarn. Ein Akt der politischen Bestechung, erklärten die EU-Parlamentarier, die die Klage ins Rollen brachten. Man werde dafür sorgen, dass die Regeln der Rechtsstaatlichkeit eingehalten würden – auch von der EU-Kommission.
Ein politischer Kraftakt, den man dem EU-Parlament überlange nicht zugetraut hätte. Es galt als die schwächste der EU-Institutionen, machtlos gegen die EU-Kommission, die alle Hebel der EU-Gesetzgebung in der Hand hielt, machtlos aber auch gegen die EU-Mitgliedsländer, die in ihren Ministerräten und auf den barock inszenierten EU-Gipfeln immer noch das letzte Wort in den großen europäischen Fragen hätten.
Keine "Quatschbude" mehr
Doch die Zeiten, in denen das EU-Parlament als eher zeremonielle Quatschbude galt, in das die Mitgliedsländer – ganz nach dem alten Motto „Schick deinen Opa nach Europa“ – ihre politischen Auslaufmodelle entsandten, sind lange vorbei. Seit dem Vertrag von Lissabon 2009 ist das Parlament bei der Gesetzgebung den anderen EU-Institutionen ebenbürtig.
Parlament kann alles umkrempeln
Zwar ist es immer noch die EU-Kommission, die die Gesetze vorschlägt, doch das Parlament hat alle Möglichkeiten, diese Vorschläge umzukrempeln, kann sich hartnäckig querlegen und Gesetze letztlich zum Scheitern bringen. Und diese politischen Muskeln hat das Parlament in den fünf Jahren seit der letzten EU-Wahl sehr deutlich gezeigt.
Ob es um Umwelt- und Klimaschutz ging, darum die digitalen Giganten von Facebook bis Google in die Schranken zu weisen, oder um Geld für die milliardenschweren Hilfspakete, die die die EU etwa gegen die Pandemie schnürte: Das EU-Parlament redete mit, entschied mit und lieferte nicht mehr wie einst die politische Begleitmusik und große Worte.
Die gibt es natürlich immer noch, etwa in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, denn da haben die Abgeordneten tatsächlich wenig mitzureden – und reden trotzdem furchtbar gerne darüber. Der Ausschuss im EU-Parlament über Außenpolitik ist bei vielen Abgeordneten begehrt, weil er ihnen eine große Bühne bietet. Die großen politischen Entscheidungen aber werden hier nicht getroffen.
Wie es mit Europa in diesen großen geopolitischen Fragen weitergeht, das wird in den Wochen nach der EU-Wahl am Sonntag vor allem von den EU-Staaten entschieden. Die müssen sich auf einen neuen Chef der EU-Kommission einigen und auf das sein Team an Kommissaren. Abgestimmt aber wird auch darüber im EU-Parlament und dort werden wohl auch diesmal ein paar Kandidaten durchfallen.
Kommentare