Bisher hat nur die ÖVP Vertreter nach Brüssel gesandt. Diesmal wird es nach der EU-Wahl wohl nicht anders sein. Auch wenn man über das Thema vorerst offiziell noch nicht sprechen möchte.
Schön langsam formieren sich die Parteien in Richtung EU-Wahl am 9. Juni. Mit Reinhold Lopatka, Andreas Schieder und Harald Vilimsky haben ÖVP, SPÖ und FPÖ ihre Spitzenkandidaten bereits fixiert, die Neos folgen spätestens im Februar. Bei den Grünen verdichtete sich am Samstag via Krone das (seit längerem kolportierte) Gerücht, wonach die Klimaaktivistin (und Krone-Kolumnistin) Lena Schilling ins Rennen gehen soll. Bundessprecher Werner Kogler stellt am Montag in einer Pressekonferenz die "Kandidat:in für Spitzenkandidatur" vor.
Worüber aber offiziell noch nicht geredet wird: Wer soll nach dieser Wahl Johannes Hahn in der EU-Kommission nachfolgen? Bisher waren es nur ÖVP-Vertreter, die Teil der Kommission in Brüssel waren. Nach dem Beitritt 1995 wurde der Bauernbündler Franz Fischler in die Kommission entsandt. 2004 folgte ihm die ehemalige Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Und seit 2010 vertritt Johannes Hahn Österreich in diesem europäischen Gremium.
Seine letzte Amtszeit verdankt er der Übergangsregierung unter der Kurzzeit-Kanzlerin Brigitte Bierlein. Es war im Jahr 2019 ihre Expertenregierung, die diese Entscheidung fällte, da wegen Ibiza auf eine neue reguläre Bundesregierung erst gewartet werden musste.
Türkis-Grün entscheidet
Diesmal wird es an der türkis-grünen Koalition liegen, wer Johannes Hahn nachfolgen wird. Man rechnet damit, dass die Entscheidung höchstwahrscheinlich im September fallen muss. Und selbst bei vorgezogenen Nationalratswahlen wird es zu diesem Zeitpunkt angesichts der schwierigen Koalitionsverhandlungen, die erwartet werden, noch keine neue Bundesregierung geben.
Als aussichtsreichste Kandidatin gilt derzeit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Die Salzburgerin war – abgesehen von ihren EU-Agenden in der Regierung – schon auf europäischer Ebene tätig gewesen. 2016 war sie als Expertin an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entsandt worden. Nach der EU-Wahl im Jahr 2019 war sie kurz für die ÖVP im EU-Parlament, ehe sie vom damaligen Kanzler Sebastian Kurz wieder in die Regierung geholt wurde.
Sie ist auch die einzige Politikerin, die bei der Frage nach einem Wechsel in die EU-Kommission nicht sofort abwinkt. Zuletzt hatte sie zu Weihnachten in einem Gespräch mit der Kronenzeitung auf diese Frage so geantwortet: „Für mich ist vieles vorstellbar, auch das.“ Außerdem sei es für sie immer reizvoll, international unterwegs zu sein. Von den meisten Beobachtern wird sie als Favoritin für diesen Job gesehen.
Da dürfte auch der parteiinterne Konflikt um die EU-Wahl keine Rolle mehr spielen. Die ÖVP-Führung hätte es ja gerne gesehen, wenn Karoline Edtstadler die türkise EU-Kandidatenliste angeführt hätte. In einer Talkrunde erklärte Edtstadler allerdings, dass sie auf keiner EU-Liste zu finden sein wird. Was damals für Verärgerung sorgte, weil Kanzler Karl Nehammer die Absage so erfahren musste.
Eine grüne Option
Als logischer Mann für Brüssel wird auch Außenminister Alexander Schallenberg angesehen. Er wird einer künftigen Bundesregierung höchstwahrscheinlich nicht mehr angehören. Da wäre ein Platz in der EU-Kommission ein attraktiver nächster Schritt. Er hat es bisher vermieden, sich ganz klar dazu zu äußern.
Interessanterweise ist auch immer wieder der Name von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) aufgetaucht. Ihre europäischen Ambitionen sind kein Geheimnis, auch wenn sie für die EU-Kandidatenliste der Grünen abgesagt hat. Sie allerdings hat die schlechteste Ausgangsposition, weil ihr Vizekanzler Werner Kogler wohl viel Überzeugungskraft benötigen würde, um den stärkeren Koalitionspartner für so eine Variante gewinnen zu können. Noch dazu, wo Leonore Gewessler jene Ministerin ist, die in der ÖVP auf den größten Widerstand stößt.
Möglich ist natürlich, dass überhaupt ein ganz neuer Name aus dem Hut gezaubert wird. In ÖVP-internen Diskussionen soll auch die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner genannt worden sein. Sie hat allerdings schon öffentlich verkündet, dass sie 2028 noch einmal in Niederösterreich antreten will.
In den beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne wird das Thema derzeit noch kleingeredet. Diese Entscheidung habe vorerst keine Priorität, heißt es von beiden Seiten. Andererseits: So viel Zeit bleibt auch nicht, um eine gemeinsame Entscheidung zustande zu bringen. Noch dazu sind es von den Kompetenzen her große Fußstapfen, die Johannes Hahn hinterlässt.
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