Tatsächlich wird die 42-jährige Salzburgerin seit Jahren als eine der wertvollsten Aktien in der ÖVP gehandelt. Immer, wenn es brenzlig wurde, musste sie einspringen. Als Vertretung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz bei den Wahlkonfrontationen, als Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl 2019, als Prellbock gegenüber den Grünen, wenn es um eine Justizreform geht. Nicht ohne Grund wurde sie immer wieder sofort als mögliche Kanzlerkandidatin genannt, wenn wieder einmal Gerüchte um den Rückzug von Karl Nehammer auftauchten.
Bei der EU-Wahl im Juni 2024 kann die Volkspartei diesmal aber nicht auf diese Aktie setzen. Beim C3-Businesstalk von Ex-ORF-Manager Thomas Prantner am Montag erklärte sie ohne Umschweife, dass sie im kommenden Jahr auf keiner Kandidatenliste zur EU-Wahl zu finden sein werde. Das saß, weil man in der ÖVP doch noch damit gerechnet haben dürfte, dass man mit ihr in den Wahlkampf gehen kann. Dem Vernehmen nach soll Kanzler und Bundesparteiobmann Karl Nehammer sogar persönlich mit ihr gesprochen haben, um sie zu einer Kandidatur zu bewegen.
Seither wird in der Partei gerätselt, warum Karoline Edtstadler diesmal nicht in den Ring steigen will. Diese Absage war zwar schon seit Tagen in verschiedenen ÖVP-Büros als heißes Gerücht gehandelt worden. Dass sie damit bei einem Talk sofort an die Öffentlichkeit geht, hatte man aber nicht erwartet. Es sei nicht ihre Art, auf eine Frage mit einem Herumreden zu antworten, heißt es dazu aus Edtstadlers Umfeld. Sie formulierte es bei besagtem Bürgerforum so: „Ich habe mir angewöhnt, einfach zu sagen, was ist.“
Warum es so weit gekommen ist, wird in der türkisen Gerüchteküche so erzählt: Zu Beginn habe sich die Parteiführung bezüglich der EU-Wahl zu wenig um Edtstadler bemüht, jetzt wolle die Ministerin selbst ganz einfach nicht mehr. Es wird sogar von Differenzen zwischen ihr und dem Kanzler berichtet. Auch mit dem Hinweis, dass Edtstadler bei der Installierung der Regierung von Karl Nehammer die Medien-Agenden wollte, diese aber bei Ministerin Susanne Raab gelandet sind.
In der ÖVP-Zentrale in Wien weist man diese Version zurück. Man habe sich sogar sehr bemüht. Und man habe noch nicht ganz abgehakt, dass Karoline Edtstadler als „zugkräftige Kandidatin“ doch noch auf einer EU-Wahlliste aufscheint.
Will Ministerin bleiben
Im Umfeld der Europa- und Verfassungsministerin, die derzeit in Stockholm EU-Agenden verhandelt, wird heftig dementiert, dass es einen Konflikt mit dem Kanzler gegeben habe. Es gebe auch das beste Verhältnis zum neuen Generalsekretär Christian Stocker. Vielmehr wolle Karoline Edtstadler ihre Aufgaben als Ministerin bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2024 ausfüllen. Und es sei ein Gebot der Transparenz, das auch deutlich zu sagen.
Was nach der nächsten Nationalratswahl passiert, das werde man erst sehen.
Fix scheint, dass Karoline Edtstadler auf keinen Fall einer Regierung angehören möchte, die von FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl als Kanzler geführt wird. Das hat sie ebenfalls bereits öffentlich deponiert. Und in der FPÖ hat man das mit viel Häme und Kritik zur Kenntnis genommen.
Ein Grund für die Absage dürfte auch sein, dass es für Edtstadler kein Ziel mehr ist, ins Europa-Parlament einzuziehen. Anders dürfte es aussehen, wenn es um das kommende österreichische Mitglied in der EU-Kommission geht. Wie schon mehrmals aus der ÖVP zu hören war, wäre Karoline Edtstadler nicht abgeneigt, Johannes Hahn als EU-Kommissarin nachzufolgen.
In der ÖVP jedenfalls ist man nicht erfreut, dass Karoline Edtstadler mit ihrer öffentlichen Absage eine innerparteiliche Kandidaten-Debatte ausgelöst hat, die man eigentlich erst im kommenden Jahr führen wollte.
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