Edtstadler gegen Gewessler – das ist Brutalität

Edtstadler gegen Gewessler – das ist Brutalität
Die beiden Ministerinnen werden ihren Zweikampf um Brüssel nicht so schnell beenden. Ein Gastkommentar von Stefan Brocza.

Der öffentlich ausgetragene Streit zwischen EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Klimaministerin Leonore Gewessler erinnert immer mehr an das legendäre Qualtinger-Zitat: „Simmering gegen Kapfenberg, das nenn’ i Brutalität“. Aktueller Auslöser war der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP), mit dem alle EU-Staaten ihren Weg zum Erreichen der EU-Klimaziele nachweisen müssen. Dieser Plan muss bis Ende 2024 fertiggestellt werden. Das Klimaministerium hatte einen Vorentwurf nach Brüssel geschickt, die Europaministerin hat diesen medienwirksam „zurückgezogen“.

Formal ist das ganze eher lächerlich und würde unter normalen Umständen allenfalls der Öffentlichkeit zeigen, das seit jeher ein Problem bei der innerösterreichischen EU-Koordinierung besteht. An sich sind aktuell nämlich gleich drei Ministerien damit betraut. In der Realität führt das eher dazu, dass bei der Abstimmung zwischen der EU-Ministerin im Bundeskanzleramt, dem Außenminister und dem seit dem Sommer des Vorjahres auch noch für die EU-Koordinierung zusätzlich zuständigen Vizekanzler nicht nur viel Zeit vergeht, sondern auch zunehmend parteipolitische Überlegungen zu Blockaden und Verzögerungen führen. Mit dem Ergebnis, dass sich Österreich in Brüssel immer öfter mangels gemeinsamer Position einfach der Stimme enthält.

Tatsächlich ist der Klimaplan jedoch noch nicht einmal auf der Ebene der EU-Koordinierung angelangt. Da wurde auf Arbeitsebene mit der EU-Kommission kommuniziert und der pathetische Hinweis von Edtstadler, sie habe „als Hüterin des europapolitischen Prozesses“ gar nicht anders können, als einzuschreiten, ist mehr als übertrieben. In Wahrheit geht es nämlich gar nicht um NEKP, sondern ganz einfach darum, wer nächster österreichischer EU-Kommissar wird.

Diese Entscheidung ist nämlich über den kommenden Sommer zu treffen und im September – nach Zustimmung durch den Hauptausschuss des Nationalrats – von der Bundesregierung in Brüssel bekannt zu geben. Gemäß dem noch immer gültigen Sideletter zum Koalitionspakt steht das Nominierungsrecht zwar der ÖVP zu, da aber spätestens am 29. September die nächsten Nationalratswahlen stattfinden, ist es nicht mehr so sicher, ob dieser ÖVP-Kandidat die nötige Mehrheit im Hauptausschuss erhalten wird. Warum sollte man auch, wenige Tage vor der Wahl, der ÖVP den prestigeträchtigen Posten einfach so überlassen?

Nun ist Edtstadler schon einmal vor fünf Jahren – quasi auf den letzten Metern vor dem sicher geglaubten EU-Posten – gescheitert. Das erklärt ihre Nervosität und zunehmende EU-Hyperaktivität. Gleichzeitig rechnet sich Gewessler wachsende Chancen aus. Der Kampf um Brüssel zwischen den beiden hat erst begonnen. Der Streit um den Klimaplan war nur ein Vorgeschmack darauf, was da noch alles kommt.

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.

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