Johannes Hahn hört 2024 als EU-Kommissar auf
Johannes Hahn will keine vierte Amtszeit als EU-Kommissar. "Mit Ende Oktober nächsten Jahres, also zum Ende dieses Mandats, höre ich auf. Bis dahin arbeite ich natürlich mit vollem Elan weiter - es gibt in meinem Ressort ja auch noch viel zu tun. Aber drei erfolgreiche Amtszeiten reichen", sagte Hahn den "Salzburger Nachrichten" (Mittwochausgabe). Hahn bestätigte damit Aussagen, die ihm zuvor vom "Standard" (Dienstagsausgabe) zugeschrieben worden waren.
Der "Standard" hatte berichtet, dass Hahn "intern" seinen Rückzug bereits angekündigt habe. "Ich werde mir die weitere Entwicklung als Pensionist anschauen", wurde er zitiert. Schon jetzt ist Hahn das dienstälteste Mitglied der 27-köpfigen EU-Behörde, in der jeder Mitgliedsstaat einen Vertreter hat. Nach der Europawahl 2009 hatte ihn die damalige rot-schwarze Koalition nach Brüssel geschickt, die ihn fünf Jahre später neuerlich nominierte.
Seine dritte Amtszeit hat Hahn der Ibiza-Affäre zu verdanken, die sich am heutigen Mittwoch zum vierten Mal jährt. Vor der Europawahl Ende Mai 2019 galt nämlich die EU-Wahlkandidatin und Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) als neue EU-Kommissarin gesetzt, doch kam der Sturz des Kabinetts Sebastian Kurz (ÖVP) dazwischen. Die Expertenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nominierte nach Beratungen mit den Nationalratsparteien Hahn.
Der frühere Wiener ÖVP-Chef und Wissenschaftsminister hat derzeit das wichtige Portfolio für Budget und Beamten inne. In seiner ersten Amtszeit war er für die EU-Erweiterung zuständig, in seiner zweiten für die EU-Regionalpolitik. Auch innerhalb der größten europäischen Parteienfamilie EVP hat Hahn einen wichtigen Posten. Er ist nämlich einer von zehn Vizepräsidenten der Europäischen Volkspartei (EVP).
Sollte die türkis-grüne Bundesregierung im Sommer 2024 noch im Amt sein, dürfte ein Kandidat oder eine Kandidatin der Kanzlerpartei nach Brüssel geschickt werden. Seit dem österreichischen EU-Beitritt im Jahr 1995 waren durchgehend ÖVP-Politiker in der Brüsseler Behörde vertreten gewesen. Aus heutiger Sicht dürfte die mittlerweile zur EU-Ministerin aufgestiegene Edtstadler gute Karten haben. Auf eine diesbezügliche Frage antwortete die Juristin mit der deutschen Übersetzung der bekannten lateinischen Bescheidenheitsphrase "Nihil petere, nihil recusare": "Strebe nichts an, schlage nichts aus."
In Anspielung auf ihre frühere Tätigkeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg fügte sie hinzu, es sei "kein Geheimnis, dass ich ein internationales 'Zweitherz' habe". Zugleich betonte sie, dass sich diese Frage "derzeit" nicht stelle und sie ihre aktuelle Tätigkeit "mit Leib und Seele" mache.
Hahn äußerte sich im "SN"-Interview auch zur österreichischen Innenpolitik. Einen Bundeskanzler Herbert Kickl (FPÖ) "kann ich mir nicht vorstellen", sagte er. "Er hat keine absolute Mehrheit in den Umfragen. Er müsste erst einmal einen Partner finden. Doch jeder sagt: Mit ihm nicht." Aus europäischer Sicht wünsche er sich "Mitgliedsstaaten mit stabilen Regierungen und mit einer nüchternen, aber positiven europäischen Agenda. Hast du sie nicht, schneidest du dir den Ast ab, auf dem du sitzt", so Hahn, der zugleich beklagte, dass die "Mein Land first"-Rhetorik (...) leider Gottes nichts Ungewöhnliches mehr" sei.
"Die EU-Mitgliedschaft ist nicht die Frage einer Liebesehe", betonte er. Vielmehr brauche man sie "für unsere Freiheit und Souveränität", weil Österreich allein "international gesehen nirgendwo" sei.
"Alles offen" sieht Hahn im Rennen um das türkische Präsidentenamt. "Ich hoffe, dass am 28. Mai der tatsächliche Wählerwille zum Ausdruck kommen wird", sagte er unter Verweis auf die von den OSZE-Wahlbeobachtern festgestellten Unregelmäßigkeiten im ersten Wahlgang. Auf die Frage nach einem möglichen Auftauen der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei sagte der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Hahn: "Ich nehme an, das ist eine Permafrost-Konstellation."
Dagegen bekräftigte er die EU-Perspektive der Ukraine, verwies aber zugleich auf die auf 300 bis 700 Milliarden Euro geschätzten Wiederaufbaukosten. Auch "kann es beim Thema Mitgliedschaft keinen Kriegsdiskont geben. Da müssen viele Bedingungen, die für alle gleich sind, erfüllt sein", betonte er.
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