Vor seinem Einzug ins Parlament, den er flankiert von August Wöginger und Gabriel Obernosterer absolvierte, hatte Kurz ein Video auf Facebook gepostet. Darin betonte er einmal mehr, „kein Schattenkanzler“ sein zu wollen. Die vergangenen Tage seien eine „emotionale Achterbahnfahrt“ gewesen.
Zu den Chatnachrichten meinte Kurz, er „verstehe absolut“, dass man an den Bundeskanzler besondere Erwartungen habe, was die Wortwahl betreffe. Er sei aber „kein Roboter, sondern ein Mensch mit Fehlern, mit Emotionen und, ja, leider manchmal auch mit Formulierungen, die ich öffentlich nicht verwenden würde“.
Vor seiner Angelobung begrüßte er Grünen-Klubchefin Sigi Maurer, die ihm in der Vorwoche eine große Demütigung zugefügt hatte, indem sie den damaligen Kanzler Sebastian Kurz für amtsunfähig erklärte. Sicher eine Überwindung für den Ex-Kanzler, hat er doch das Gefühl, die Grünen seien ihm in den Rücken gefallen. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die mit Unterstützung von ÖVP-Intimfeind Herbert Kickl das Kanzleramt erobern wollte, suchte Kurz auf ihrem Platz für einen schnellen Smalltalk auf. Sogar FPÖ-Chef Kickl bekam einen kurzen Händedruck.
Um 9.05 Uhr war der Altkanzler dann dort, wo es ihn nie hinzog. Unter dem Applaus der ÖVP-Abgeordneten wurde Kurz als Nationalrat (die Niederösterreicherin Irene Neumann-Hartberger verlor dafür ihr Mandat) und neuer Klubchef angelobt. War in den vergangenen Tagen kaum eine türkise Krawatte unter den Abgeordneten zu entdecken, bekannten sich mehr ÖVPler modisch wieder zur Parteifarbe.
Das verordnete Under-statement hielt der Altkanzler den ganzen Tag durch. Selbst bei den Reden stellte sich Kurz ganz hinten an. Die Nummer 1 der ÖVP trat erst als Redner Nummer 36 auf, obwohl die Klubchefs traditionell die Eröffnungsreden halten. Kein Wort über die Geschehnisse der vergangenen Woche kam ihm über die Lippen, keine Abrechnung mit der Opposition und den Grünen, die eine Vierer-Koalition bilden wollten.
Kurz blieb sachlich, zeigte keine Emotionen, lobte nur das Budget und die Steuerreform. Mit Zwischenrufen forderten die roten Abgeordneten eine Entschuldigung. „Der Bundespräsident hat sich entschuldigt, warum können Sie es nicht?“
FPÖ-Chef Herbert Kickl nutzte die erste Hälfte seiner Wortmeldung, um Kurz an die Gelöbnisformel zu erinnern, laut der er Gesetze und Verfassung der Republik zu beachten habe – „nicht mit dem Fernrohr“, so Kickl. Auch die Treue zur Republik sei enthalten: „Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass diese Republik etwas anderes ist als der tiefe Staat der Volkspartei.“ Und generell: „Es ist halt so, dass nicht jede Abwesenheit, die nach drei Tagen endet, auch gleich eine Auferstehung ist.“
Der Kurz’sche Kampf um das Comeback hat am Donnerstag begonnen.
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