ORF-Elefantenrunde: Darüber diskutierten die EU-Spitzenkandidaten
Die EU-Wahl steht vor der Tür: Am Sonntag treten die Österreicherinnen und Österreicher den Gang zur Wahlkabine an. Nachdem die offiziell letzte Elefantenrunde, geplant für 06. Juni auf ServusTV, spontan geplatzt war, trafen die Spitzenkandidaten am Mittwochabend final im ORF aufeinander.
Themen, die die Bevölkerung bei dieser Wahl vor allem bewegen, reichen von Migration, dem Ukraine-Konflikt, der Teuerung, einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie bis hin zum Klimaschutz.
Hitziger Schlagabtausch bei Elefantenrunde im ORF
Hochwasser und Klimawandel
Die erste Hälfte des Gesprächs stand ganz im Zeichen des Klimawandels. Grünen-Spitzenkandidatin Lena Schilling ließ auch aufgrund der akuten Hochwassersituation einige Spitzen los: "Es geht scheinbar nur darum, faule Ausreden zu finden, weshalb wir Naturschutz nicht brauchen. Das ist wahnsinnig frustrierend. Mit Freiwilligkeit hat es jahrzehntelang nicht funktioniert. Die ÖVP ist länger in der Regierung als ich auf der Welt bin."
Andreas Schieder (SPÖ) meinte hingegen, dass Österreich bereits in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle einnimmt, da es bereits viele unbebaute Nationalparks gäbe. Er erklärte: "Wir stehen ganz klar für dieses Renaturierungsgesetz". Auch Kanzler Nehammer wurde rund um den Verbrenner-Gipfel ins Gespräch gebracht. Helmut Brandstätter von den NEOS nannte dies einen "Gipfel zum Erhalt des 19. Jahrhunderts". Er wolle Klimaschutz durch die Einigung der Menschen erreichen. Er finde es erstaunlich, dass wir noch immer kein Klimaschutzgesetz haben.
Analyse der Diskussion der Spitzenkandidaten
"Jobs der Zukunft"
Die SPÖ wolle auch die "Jobs der Zukunft forcieren", die durch den Klimaschutz entstehen – die Produktion und Forschung an E-Autos wurde heiß diskutiert. Probleme gäbe es aber bei der Rohstoffbeschaffung und dem Recycling. Europa solle mehr investieren, um mit China und den USA mithalten zu können.
Für FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky waren diese Argumente dennoch kein Grund, von der harten Linie der Partei rund um den Klimawandel abzuweichen. Er trat weiterhin gegen Renaturierung und Green Deals auf. "Ich glaube für sie als ORF sind das wichtige Themen. Für mich geht es darum, dass in Europa der Wohlstand gesichert werden muss." Die Länder selbst sollten sich um Renaturierung kümmern, es brauche keine EU-Gesetze hierfür. Das Klimathema sehe er als nicht so wichtig, wie zum Beispiel den "Krieg vor der Tür" (Anm. Red. Ukraine) zu beenden. FPÖ-Hauptthemen für die EU seien "Frieden, Freiheit und Wohlstand". Der Klimaschutz kommt dann wohl später, oder eben nie. Die Reichweite der Elektro-Autos sei laut ihm viel zu kurz, deshalb diene diese Technologie den Menschen nicht.
Vilimsky versuchte außerdem vehement, das Klimathema auf Migration und "Messerstiche" umzulenken. Weder das Moderatorenteam noch die anderen Kandidatinnen ließen sich jedoch darauf ein.
Die ÖVP ist ebenso gegen Renaturierung wie die FPÖ. Lopatka gab jedoch zu, dass Österreich bei der Bodenversiegelung gefordert ist. In Sachen Renaturierung werde laut ihm bereits einiges gemacht: "Ich will nicht, dass unsere Bauern jetzt Schmetterlingszählungen vornehmen müssen. (...) Irgendwann ist einmal Schluss mit der Regulierung."
Lena Schilling zementierte in ihrem Schlusswort über Klimaschutz abermals ihre klare Botschaft: "Wir stehen vor einer historischen Herausforderung. Da geht es um die Existenz, Herr Vilimsky. Es ist wahnsinnig zynisch, sich hinzustellen und zu sagen 'wir brauchen das nicht'. Das ist zukunftsvergessen."
Ukraine-Krieg und Angriff Russlands
Auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik und eine mögliche Bedrohung Russlands für die EU war ein Schwerpunkt der Diskussion. Alle Parteien blieben bei der Botschaft: "Wir müssen der Ukraine helfen". Brandstätter erklärte, dass es sonst für Putin kein Halten mehr gäbe. Er sehe einen zukünftigen russischen Angriff und eine gemeinsame Verteidigung würde uns davor schützen.
Harald Vilimsky war sich jedoch sicher: "Niemand hier außer der freiheitlichen Partei bemüht sich, das Sterben zu beenden." Was bei den Spitzenkandidaten für Aufregung sorgte und mit Wortmeldungen wie "ungeheuerlich" und "unsinnig" kommentiert wurde. Helmut Brandstätter erinnerte daran, dass bei der deutschen AfD nachgewiesene russische Zahlungen eingegangen sind. Er nannte die Argumentation der FPÖ Kreml-Propaganda. Auch Lena Schilling stimmte zu, dass es eine gemeinsame Waffenbeschaffung brauche. Neutralität solle aber aktiv gelebt werden.
Die brennende Frage von Moderator Pötzelsberger lautete in Folge, ob die Neutralität Österreich schützen könne, oder ob es doch den Beitritt zum Beispiel zur NATO brauche. Für Andreas Schieder sei die Neutralität sehr wichtig, wir müssten uns aber militärisch besser aufstellen sowie gegen Internetkampagnen zu Desinformationen wappnen.
Migration und die FPÖ
Schließlich wurde doch noch das Thema in den Fokus genommen, auf das Vilimsky so lange pochte. Dieser generalisierte einen "invasorenhaften Charakter" der "Asylbetrüger", die ins Rote Wien wollen, "wo Milch und Honig fließen". Lena Schilling verstehe die Sorge der Menschen rund um Kriminalität, "die auch von einer Partei geschürt werden, die damit Politik macht." Der Fall des getöteten Polizisten in Mannheim mache sie persönlich betroffen. Es gäbe ganz große Versäumnisse, zum Beispiel bei Deutschkursen und dem Arbeitsmarktzugang, aber sie verlasse sich auf den Rechtsstaat. Für Schilling ist die Politik der FPÖ "rassistisch". Andreas Schieder stellt sich klar gegen Islamismus und jede Form von politischer Radikalität, er fordert außerdem eine "Afrika-Strategie", um deren Demokratien zu stärken. China bedeute für Afrika Abhängigkeit, die EU müsse die Kolonialzeit aufarbeiten und vor Ort helfen. Auch die Rolle von Viktor Orbán und die ungarische Migrationspolitik wurde heiß diskutiert, bevor das Gespräch mit dem Thema der EU-Verdrossenheit Österreichs langsam geschlossen wurde.
Und wer dominierte diese letzte Elefantenrunde? Zumindest was die Redezeit angeht, lag Harald Vilimsky mit rund 15 Minuten vorne, danach Lena Schilling gefolgt von (gleichauf) Andreas Schieder, Helmut Brandstätter und Reinhold Lopatka.
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