Ein 1. Mai, wie ihn die SPÖ noch nicht kannte
Am 1. Mai kann alles passieren. Das weiß man in der SPÖ spätestens seit 2016. Damals war ein gewisser Werner Faymann amtierender Bundeskanzler und SPÖ-Chef – und wurde von der eigenen Partei mit Buhrufen und Pfiffen am Wiener Rathausplatz empfangen. Acht Tage später trat er zurück.
Entsprechend angespannt erwartete man in der Wiener SPÖ den heurigen Tag der Arbeit. Wer aber gedacht hatte, dass der amtierenden Parteichefin, Pamela Rendi-Wagner, sieben Jahre nach dem "Faymann-Trauma" ein ähnliches Schicksal am Rathausplatz blühen würde, der irrte.
Zwar tobt in der SPÖ eine heftige Debatte um den Parteivorsitz – die Sozialdemokraten sind ganz offen in drei Lager gespalten –, lautstarke Protestbekundungen gegen Rendi-Wagner gibt es am Montag in Wien aber keine.
Der Name Hans Peter Doskozil, Rendi-Wagners Rivale aus dem Burgenland, taucht auf keinem der Plakate, die auf den Rathausplatz getragen werden, auf. Nun gut, man ist eben in Wien – das ist kein Dosko-Kerngebiet.
Einige wenige Gruppierungen ziehen dafür mit Transparenten ein, mit denen sie sich für Andreas Babler als Vorsitzenden starkmachen. "Babler. Wagen wir nix, gewinnen wir nix", steht da etwa. Andere lassen Namen weg, haben aber in großen Lettern "Sesselpicker hört die Signale" auf ihr Plakat gemalt.
Rendi-Wagner steht unterdessen auf der Bühne, sieht die Transparente auf sich zukommen, winkt und lächelt. Der Applaus, den es für sie gibt, ist nicht frenetisch. Gepfiffen wird dafür auch nicht.
Keiner ihrer Vorredner spricht die Mitgliederbefragung oder die parteiinternen Querelen offen an. Der Slogan, der überall auf dem Platz vor rotem Hintergrund zu lesen ist, ist auch eine implizite Bitte: "Stark, stärker, zusammen", steht da. Und daran hält man sich heute.
Rote Klassiker
Man will zeigen: Die SPÖ befasst sich nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit Inhaltlichem. In den Reden der Wiener Frauenvorsitzenden Marina Hanke und dem Präsidenten des Gewerkschaftsbundes, Wolfgang Katzian, geht es um sozialdemokratische Klassiker: einen starken Sozialstaat, gerechte Löhne, die Gleichstellung von Frauen und die "Verantwortungslosigkeit" der Bundesregierung.
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig fordert eine bundesweite Mietpreisbremse und tut seine Unterstützung für Rendi-Wagner kund, indem er sagt: "Mit einer sozialdemokratischen Bundeskanzlerin in Österreich würde sich vieles ändern."
Rendi-Wagner selbst ist es schließlich, die in ihrer Rede auf die Mitgliederbefragung zu sprechen kommt. Um stark zu sein, müsse man geeint sein, sagt sie. "Die Zeit der internen Selbstbeschäftigung wird bald vorüber sein." Danach könne man sich wieder geschlossen den politischen Mitbewerbern entgegenstellen. "Hoffentlich", schreit einer aus dem Publikum.
Immerhin: Der Vorsitzstreit hat zu klaren Positionierungen der Kandidaten bei einigen Themen geführt. Eindeutiger als in den vergangenen Jahren an dieser Stelle sagt nun auch Rendi-Wagner: "Mit uns – mit mir – wird es keine Koalition mit der FPÖ geben". An die Blauen dürfe es keine Anbiederung geben, "nicht einmal mit einem Augenzwinkern". Dass auch sie im internen Wahlkampf-Modus ist, wird deutlich, wenn die amtierende Vorsitzende sagt: "Ich verspreche euch, ich werde hart dafür arbeiten, dass wir Türkis-Blau im Bund verhindern können."
Die ÖVP nämlich klopfe immer wieder an die Tür der FPÖ. "Wenn es um die Macht geht, sucht sich die ÖVP immer den billigsten Partner", sagt Rendi-Wagner.
In der Zwischenzeit hält ein junger Mann ein Plakat hoch. "Pamela, der Kurs stimmt", steht auf der Vorderseite vor rot-weiß-rotem Hintergrund. Auf der anderen Seite steht "Werner, der Kurs stimmt". Er müsse das Plakat herunternehmen, fordern ihn Security-Mitarbeiter auf. Man habe ihm gesagt, Nationalfahnen würden nicht geduldet, erklärt er später dem KURIER. Ob das Plakat ironisch oder ernst gemeint zu verstehen war, will er nicht sagen.
Nach dem traditionellen Singen der "Internationalen" leert sich der Rathausplatz langsam. Die Maikundgebung der Wiener SPÖ war heuer besser besucht als in den vergangenen Jahren. Vielleicht lag es am Sonnenschein, vielleicht an jenen, die gerade erst Parteimitglieder geworden sind, um über den Vorsitz abstimmen zu können. Und ein paar wollten wohl auch schauen, ob sich 2016 wiederholt.
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