Edtstadler zum Ende des Amtsgeheimnisses: "Auch hasi123 bekommt eine Antwort"
Die Regierung hat am Donnerstag ihre Pläne zum Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt. Wer künftig Auskunft aus der öffentlichen Verwaltung verlangt, wird ab 2025 deutlich besser gestellt. Viele offene Fragen bleiben dennoch: Wie ist das mit kleinen Gemeinden? Und kann man unter Pseudonym Auskunft verlangen?
➤ Mehr lesen: Aus für das Amtsgeheimnis - So soll es umgesetzt werden
ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler spricht im KURIER-Interview darüber, welche Regeln gelten. Und wie sie eine Regierungsbeteiligung von Herbert Kickl sähe.
KURIER: Sie kommen aus der kleinen Gemeinde Elixhausen in Salzburg. Was wäre eine Anfrage, die sie ab 2025 an die Gemeinde stellen würden?
Karoline Edstadtler: Ich weiß nicht, ob ich etwas anfragen würde. Klar ist aber, dass künftig jeder Auskunft erlangen kann, Zum Beispiel über geplante Bebauungsmaßnahmen, wieviel die Errichtung einer Sportanlage gekostet hat. Der große Unterschied zu jetzt ist, dass es ein Grundrecht darauf gibt, diese Informationen zu bekommen.
Jetzt gibt es zwei große Ausnahmen. Die eine ist, dass man persönliche Informationen aus Datenschutzgründen nicht herausgeben muss. Was macht sie sicher, dass nicht viele Gemeinden aus diesem Grund kaum Auskünfte erteilen?
Wir können nicht das Grundrecht auf Datenschutz wegen einem Grundrecht auf Informationsfreiheit über Bord werfen. Es ist ganz klar, dass wir die Behörden auf dieses Gesetz vorbereiten müssen, und dazu dient die Legisvakanz von 18 Monaten, bis das Gesetz in Kraft tritt.
Die Behörden müssen hier heikle Abwägungsfragen treffen zwischen Informationsfreiheit und Schutz von persönlichen Daten, Gesundheitsdaten, Sicherheitsfragen. Es wird dazu Schulungen und Leitfäden geben.
Der zweite Punkt betrifft Unternehmen, denn diese fallen auch unter das Gesetz, wenn die öffentliche Hand zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Da heißt es, dass eine öffentliche Auskunft nicht die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen darf. Kann man sich da zum Beispiel als Wien Energie, als ORF, nicht jedes Mal auf diese Ausnahme berufen, weil sie mit privaten Unternehmen im Wettbewerb stehen?
Es ist tatsächlich ein Novum, dass diese Unternehmen ebenfalls zur Informationserteilung verpflichtet werden, und hier darf sicher nicht mutwillig eine Information verweigert werden. Wir haben aber bei der Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit einen Ausnahmetatbestand eingeführt, und ich halte das auch für wichtig. Sonst könnten Konkurrenten zum Beispiel Einsicht in Preiskalkulationen erhalten und sich daraus Vorteile verschaffen. Und das geht natürlich nicht.
Da geht es ja auch um Preise und Bedingungen, um die diese Unternehmen bei Privatfirmen einkaufen, wieviel sie Zinsen für ihre Kredite zahlen und so weiter. Darf eine Geschäftsbeziehung zu kommerziellen privaten Firmen überhaupt offengelegt werden, das würde ja auch in deren Geschäftsgeheimnisse eingreifen?
Hier wird es immer einer Einzelfallprüfung bedürfen, und es wird bei diesem Gesetz sicher noch vieles auszulegen sein, wohl auch durch die Judikatur der Verwaltungsgerichte. Daher kann ich nicht jeden theoretischen Einzelfall schon jetzt beurteilen.
Ein Argument der Gegner dieses Gesetzes war der riesige Verwaltungsaufwand, der auf die Behörden und Unternehmen zukommt. Gibt es da nicht die Gefahr, dass 2025 am Anfang eine Lawine auf sie zurollt, weil man ja auch Akten und Schriftstücke aus den Jahren und Jahrzehnten davor abfragen kann, eine Art Ketchup-Flaschen-Effekt?
Die Gefahr besteht, dass es am Anfang zu einem Peak kommen wird. Aber ich rechne damit, dass sich das dann rasch auf ein normales Niveau einpendelt. Das kann eine große Herausforderung werden, für die wir ebenfalls die 18 Monate Legisvakanz nützen werden, um alle darauf vorzubereiten.
Sie brauchen für die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament die Zustimmung der SPÖ oder der FPÖ. Die Freiheitlichen haben schon abgewunken, gibt es Signale aus der SPÖ?
Mir war wichtig, am Donnerstag in der Früh noch vor der Pressekonferenz die Oppositionsparteien darüber zu informieren, welche Änderungen im Text vorgenommen wurden. Es gab gegenüber dem Ministerialentwurf 200 Stellungnahmen, ich habe selbst dazu mehr als 70 Termine absolviert, um möglichst viele einzubinden. Und da in den letzten Wochen immer wieder auch sehr laut gefordert wurde, dass es dieses Gesetz endlich geben muss, hoffe ich, dass wir jetzt auch konstruktiv zu einer Beschlussfassung mit der SPÖ kommen..
Die Landeshauptleute haben in das Gesetz reklamiert, dass bei künftigen Änderungen alle neun Landeschefs zustimmen müssen. Das ist ja realpolitisch noch härter als eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Glauben sie, dass die Einbindung der drei roten Landeshauptleute Ludwig, Kaiser und Doskozil schon ein klarer Hinweis ist, dass die SPÖ auch im Parlament zustimmen wird?
Wir haben sehr viele Gespräche geführt, so auch gemeinsam mit Vizekanzler Kogler mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Dieses Vetorecht der Landeshauptleute war immer ein sehr wichtiger Punkt, und das ist auch kein Novum, das gibt es in anderen Gesetzen auch. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es für diesen neuen Weg, einen transparenten, gläsernen Staat zu schaffen, eine Zustimmung gibt.
Bedenken gab es auch, dass dieses Gesetz zum Vernadern und Intrigieren gegenüber anderen Bürgern führen wird. Fürchten sie das auch?
Fürchten würde ich nicht sagen, aber ja man muss sich darauf einstellen. Daher habe ich von Anfang an darauf gepocht, dass es eine Art Missbrauchsklausel geben muss, das kenne ich auch aus meiner früheren Tätigkeit am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wenn sich Anfragen also zum Beispiel immer wiederholen und es kein subjektives Informationsbedürfnis gibt, kann die Behörde die Informationserteilung auch verweigern.
Glauben Sie, dass die Informationspflicht auch eine präventive Wirkung gegen Korruption hat. Dass man bei Umwidmungen zu eigenen Gunsten, bei der Erstellung sinnloser Studien et cetera künftig einmal mehr nachdenkt?
Transparenz an sich wirkt gegen Korruption. Und dieses Gesetz trägt wesentlich dazu bei. Gerade die zweite Säule, nämlich die proaktive Veröffentlichungspflicht von zum Beispiel Studien und Gutachten wird hier wirken. Wenn ich weiß, dass das alles öffentlich wird, muss sich jeder dreimal fragen, ob der Auftrag eines Gutachtens wirklich Sinn macht oder ob es dann nicht mehr Kritik daran gibt, dass diese überhaupt beauftragt wurde.
Vizekanzler Kogler hat in der "ZiB 2" ein wenig unklar beantwortet, ob man Fragen auch anonym mit einer eMail-Adresse wie "hasi123@gmx.at" stellen kann. Können sie aufklären? Denn nicht jeder will vielleicht, dass man weiß, wer die Frage an die Behörde gerichtet hat?
Ja, das kann man auch anonym machen, hasi123@gmx.at muss eine Antwort bekommen. Nur wenn die Auskunft aus einem Geheimhaltungsgrund verweigert wird und man sich an das Verwaltungsgericht wenden möchte, ist eine Namensnennung und Zustelladresse erforderlich.
Die Einigung auf dieses Gesetz ist auch ein großer politischer Erfolg für sie persönlich. Bleibt es trotzdem dabei, dass Sie nicht Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl für die ÖVP werden wollen, wie Sie das vor einigen Monaten im KURIER geäußert haben?
Ich habe mich klar dazu geäußert und bin jemand, der nicht bekannt dafür ist seine Meinung oft zu ändern. Daher gibt es dazu nichts mehr zu sagen.
Es gibt auch Gerüchte, sie wären in einer neuen Regierung am Amt der Justizministerin interessiert. Stimmt das?
Ich mache meine Tätigkeit hier sehr gerne, vor allem weil mir die internationale Komponente als Europaministerin Freude macht.
Viele ÖVP-Minister haben gesagt, sie würden für eine Koalition mit Herbert Kickl nicht zur Verfügung stehen, gilt das auch für sie?
Ich glaube, ich war die erste, die das so formuliert hat, und meine Meinung hat sich nicht geändert. Ich habe viele negative Erfahrungen mit Herbert Kickl als Innenminister in der Regierung Kurz I gemacht. Für mich ist ein Herbert Kickl in einer Regierung oder gar in einem noch höheren Amt einfach nicht vorstellbar.
Kommentare