Mock-Witwe: "Man musste etwas finden, um Kurz unschädlich zu machen"
Alois Mocks Witwe erzählt, warum es für Österreich gut gewesen ist, dass ihr Mann die Wahl 1986 knapp verloren hat und wie liebevoll er als Partner privat war.
Die quirlige ehemalige Schuldirektorin Edith Mock serviert selbst gebackenen Guglhupf in ihrer Wohnung und redet offen über ihr Leben an der Seite des 2017 verstorbenen ÖVP-Spitzenpolitikers, der den EU-Beitritt Österreichs verhandelte.
KURIER: 1963 haben Sie Alois Mock geheiratet. War absehbar, dass Sie so ein aufregendes Leben führen werden?
Edith Mock: Man hofft auf ein harmonisches Leben. Damals war er Vertragsbediensteter des Bundeskanzleramts und davor im Unterrichtsministerium für Stipendien und Hochschülerheime zuständig.
Darum war er auch Ihr Prüfer, als Sie sich für ein Stipendium für England beworben hatten.
Ich war damals Geschichte- und Englischstudentin und wurde gewarnt, dass ein junger Mann besonders gemein prüfe. Er hat sich auf jeden einzelnen Prüfling vorbereitet – und offensichtlich haben da einige in den Unterlagen gelogen.
Eigentlich typisch Ihr Mann. Alois Mock galt immer als der gewissenhafte Beamtentyp.
Obwohl er gar nicht Beamter werden wollte. Er war unerhört gewissenhaft und korrekt. Ich konnte seine Fragen alle richtig beantworten, hatte ein rotes Kleid an, weil ich am Weg zu einem Krampuskränzchen war, und habe ihm gefallen.
Einmal ist Ihr Mann selbst mit einem Kleidungsstück aufgefallen – als Außenminister mit Bermudas in Jordanien 1987. Ein Fauxpas.
Das wurde nur so dargestellt, man wollte ihm eins auswischen. Es war eine eigentlich private Schifffahrt mit König Hussein. Medien waren erst zum Schluss überraschend zugelassen. Sissy Waldheim und ich waren daher – was auch noch nicht üblich war – in Hosen.
Sie waren das, was man heutzutage ein „Powercouple“ nennt. Wollten Sie nie „nur“ Politikerfrau zu sein?
Wir wollten Kinder, aber da keine kamen, bin ich in der Schule geblieben. Ich bin auch heute noch gerne mit jungen Menschen zusammen.
War es eigentlich schwierig, als Frau eines ÖVP-Spitzenpolitikers Schuldirektorin zu werden?
Ich war zufrieden mit meinem Posten, wurde jedoch gefragt, ob ich nicht Kandidatin für den zweiten oder dritten Platz eines Dreiervorschlags sein will. Durch bessere Qualifikation war ich dann plötzlich an erster Stelle. Erhard Busek hat als damaliger Wiener Vizebürgermeister aber gemeint, dass ich mit meinem prominenten Namen nicht Direktorin werden könne. Daher wurde ich aus dem Dreiervorschlag geschmissen. Daraufhin habe ich gesagt: „Lieber Erhard, ich bin ein Trotzmensch und sage dir: Jetzt will ich, und ich werde mich für alle ausgeschriebenen Schulen bewerben, egal, ob die grün, blau oder rot sind.“ Bei den Bregenzer Festspielen im Sommer desselben Jahres sagte mir dann Unterrichtsminister Fred Sinowatz: „Ich habe Ihre Direktion unterschrieben.“ Damals wusste ich noch nicht einmal, dass das eine Schule im dritten Bezirk war. Niemand wollte dieses Mädchengymnasium, das damals eigentlich nur ein Provisorium war. 15 Jahre lang bin ich Direktorin geblieben.
Tut Ihnen der Autoritätsverlust der Schule und der Lehrer leid?
Ich glaube, es hängt nach wie vor von jeder einzelnen Lehrperson ab, was er aus seinem Unterricht und der Zusammenarbeit mit seinen Schülern macht. Früher war es sicher zu streng.
Waren Sie streng?
Ich war bekannt als Lehrerin, die Spaß verstanden hat, aber auch etwas verlangt hat. Am ersten Tag habe ich die Spielregeln gesagt, an die auch ich mich gehalten habe.
Sie haben vor zweieinhalb Jahren das goldene Ehrenzeichen der ÖVP von Sebastian Kurz erhalten. Sind Sie nun enttäuscht von ihm?
Nein. Ich habe ihn schon vorher gekannt und mein Mann hat sich sehr gefreut, dass er Parteiobmann geworden ist. Sein Erfolg war vielen nicht recht, daher musste man etwas finden, um ihn unschädlich zu machen, und das ist gelungen.
Die Lehrerin und spätere Schuldirektorin heiratete 1963 den damaligen Beamten Alois Mock. Die ersten Jahre ihrer Ehe verbrachten sie in Paris, wo Alois Mock bei der OECD arbeitete. Edith hatte bereits als Schülerin in den USA und als Studentin in England gelebt.
1995 EU-Beitritt Österreichs
Vor genau 30 Jahren, 1994, führte Alois Mock als Außenminister den Verhandlungsmarathon zum EU-Beitritt Österreichs und wurde dadurch zum „Mr. Europa“. Er war Unterrichtsminister, später Vizekanzler und ÖVP-Obmann. 1986 verpasste die ÖVP unter seiner Spitzenkandidatur (mit 41,29 Prozent) knapp Platz eins, SPÖ-Wahlsieger Franz Vranitzky wurde Kanzler. Der aus Niederösterreich stammende Mock, 1934 geboren, starb 2017.
Wie gefällt Ihnen Karl Nehammer?
Viel besser als den meisten Leuten. Er wird schlecht gemacht. Ist Ihnen aufgefallen, dass er als Innenminister graue Haare bekommen hat?
Alois Mock hatte als Parteiobmann durchaus Sympathien für eine schwarz-blaue Koalition mit Jörg Haider. Später wagte es dann Wolfgang Schüssel und kassierte riesige Empörung in ganz Europa.
Mein Mann hat gesagt: Jede Partei, die gewählt ist, muss das Recht haben, auch zu regieren. Ich glaube, das hat dem Jörg Haider gefallen. Dass mein Mann dann die Wahl 1986 knapp verloren und Franz Vranitzky gewonnen hatte, war letztlich aber gut. Denn Vranitzky wäre in die Wirtschaft zurückgekehrt, und die SPÖ wäre in der Opposition gegen die EG gewesen, damit hätte die Mehrheit im Parlament gefehlt. Es hat Vranitzky gebraucht, um die SPÖ zu überzeugen.
Hatte Ihr Mann diesbezüglich Einfluss auf Vranitzky?
Wenn mein Mann von etwas überzeugt war, konnte er extrem beharrlich sein. Das war schon so, als er mich heiraten wollte. Ich war eigentlich in jemand anderen verliebt, hatte damals ein Gipsbein, und er hat mich betreut. Das hat mir gefallen. Er war unheimlich behütend. Auch anderen hat er immer geholfen, egal, woher die Bitte kam. Das galt vor allem für kleine Leute. Nach unserem Kennenlernen bin ich nach England gegangen und er nach Brüssel. Wir haben einander viele Briefe geschrieben.
KURIER TV-Interview mit Edith Mock
Mock ging in die Geschichte ein, als er den Eisernen Vorhang durchschnitt. Das Foto ging um die Welt. Wo waren Sie damals?
Da war ich in der Schule. Er hat es ja total gerne gesehen, wenn ich ihn begleitet habe. Ich bin manchmal hinten gesessen und habe Hefte korrigiert, nur, damit ich dabei sein konnte. Umgekehrt wollte ich aber überhaupt nicht, dass er in die Schule kommt. Immerhin war er ein ehemaliger Unterrichtsminister. Angerufen hat er aber jeden Tag. Erst am Tag meiner Verabschiedung im Jahr 1996 hat ihn die Kollegenschaft heimlich in die Schule geholt. Ich war schmähstad, was selten vorkommt. Wir haben dann durch ein Rosenspalier die Schule verlassen, es war sehr emotional, und da war ich schon froh, dass er da war.
Davor, 1994, jubelte ganz Österreich mit Ihrem Mann, der den EU-Beitritt verhandelt hatte. Da war zum ersten Mal seine spätere Krankheit sichtbar.
Ich habe ihn nie gebeten, weniger zu arbeiten, weil es eh keinen Sinn gehabt hätte. Umgekehrt hat er mich schon ermahnt und einmal gesagt: „Du wirst bald ein alter Scherm sein, aber ich werde dich trotzdem lieb haben.“
Dachten Sie damals an eine Krankheit – sehr viel später bekam er ja die Diagnose Parkinson?
Eigentlich nicht. Er war halt müde. Bis dahin war er kaum krank und hat sich um seine Gesundheit nicht viel gekümmert. Als er nach den EU-Verhandlungen heimkam, sagte er zu mir: „Du, ich möchte erst dem Parlament berichten, die anderen fahren jetzt zu einer Pressekonferenz.“
Das hat ihn übrigens sehr von Sebastian Kurz unterschieden.
Mein Mann war ja lange Abgeordneter, hat den Parlamentarismus quasi mit der Muttermilch aufgesogen.
Sie haben Ihren Mann bis zu seinem Tod gepflegt, eine harte Zeit.
Damit mussten wir fertig werden, und es war selbstverständlich, dass wir das gemeinsam tun.
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