Es liegt weniger am fehlenden Kunstunterricht als an der Gesellschaft, in der man irgendwelchen Phrasen hinterherläuft. Wir machen im Herbst eine große Paul-Gauguin-Ausstellung, und ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass es zu solchen Diskussionen kommt: Dass er in Nordamerika wirklich heftig als weißer älterer Maler beschrieben wird, der in der Südsee junge, schöne, unschuldige Mädchen in sein Zelt lockt. Natürlich muss man das diskutieren, aber vor dem Hintergrund von Kolonialismus und Postkolonialismus. Was er ja auch war: einer der größten Maler seiner Zeit, einer der Väter der Moderne.
Sie haben – unter anderem im Keller des Kunstforums, dem „Tresor“, der einst wirklich ein Banktresor war – immer wieder auch „Frauenkunst“ ausgestellt.
Ja genau, und zwar schon zu einer Zeit, wo das nicht jedes Museum getan hat. Irgendwann einmal habe ich zu fragen begonnen, warum es so viele Künstlerinnen gibt, die man einfach nicht sieht. Sie wollte ich zeigen: Von Birgit Jürgenssen bis Frida Kahlo, die man natürlich nicht mehr entdecken muss und die ein sensationeller Erfolg war.
Sie selbst gelten als Feministin, andererseits als Muse, waren mit (dem späteren) Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder verheiratet und sind es jetzt mit dem Künstler Christian Ludwig Attersee. Feministin und Muse: Geht sich beides aus?
Aber ja, wenn man nach dem antiken Griechenland geht: Da war die Muse die Göttin der Künste. So gesehen könnte ich mich mit dem Begriff anfreunden – nicht aber, wie er heute diffamierend verwendet wird. Dieses Wort betont das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen noch einmal auf eine blöde Art und Weise.
Dennoch haben Sie es geschafft, Museumsdirektorin zu werden.
Ja, als Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit. Ich habe das Kunstforum zu einer international angesehenen Institution aufgebaut. Wir haben ja keine eigenen Kunstwerke, um wechselseitig ausleihen zu können, aber ein Netzwerk.
Gab es zwischen Ihnen und Ex-Mann Schröder – also zwischen Kunstforum und Albertina – dann ein Konkurrenzverhältnis?
Wir haben mehrmals um die gleiche Ausstellung gekämpft. Meistens habe ich gewonnen. Aber wir haben ein kollegiales Verhältnis zueinander, das passt schon.
Welche Bilder in Ihren vielen Ausstellungen waren am schwierigsten aufzutreiben?
Sicher jetzt Gauguin. Es sind immer komplizierte Wege, um an Leihgaben zu kommen. Bei Frida Kahlo haben wir zwei verfeindete Haupt-Leihgeber wieder zusammengebracht. Ich war bei einem davon in Mexiko. Der hatte seine verstorbene Frau ausgestopft im Zimmer stehen und redete ständig mir ihr. Das war schon vollkommen absurd.
Aktuell stellen Sie gerade den chilenischen Maler, Architekten und Bildhauer Roberto Matta aus. Er war bisher wenig bekannt in Wien. Ist es schwieriger als sonst, Besucher anzulocken?
Ja, aber ich will nicht nur in ausgetretenen Pfaden wandeln. Matta war ein internationaler Superstar bis in die Achtziger und ist ein Vorreiter, der Technik und Kunst verbunden hat. Das mündet jetzt im riesigen Erfolg digitaler Kunst, die überall gezeigt wird. Und übrigens gibt es gerade eine Star-Wars-Fan-Ausstellung in Wien. Hier bei uns ist sozusagen das Original.
Ihre Eröffnungen haben oft eine barocke Opulenz, die man sich andernorts gar nicht mehr traut.
Ich empfinde es als Verpflichtung, guten Content, aber auch gutes Essen zu bieten, wenn so viele Menschen zu uns anreisen.
Im Kunstforum hat man immer gezittert, ob Immobilien-Besitzer René Benko es nicht einmal einem anderen Mieter überlässt. Jetzt wiederum ist das Gebäude auf der Freyung in der City quasi Teil der Konkursmasse. Haben Sie Sorge, ausziehen zu müssen?
Wichtig für uns ist die Unterstützung der Bank Austria, die uns immer wieder bestätigt, wie wichtig ihr dieses Engagement für die Kunst ist. Wir haben außerdem genauso wie der über uns im Haus logierende Verfassungsgerichtshof einen gültigen Mietvertrag, selbst wenn der Besitzer wechselt. Und wir sind ein Super-Mieter.
Die Bank ist Mäzen. Wie wichtig ist Mäzenatentum für die Kunst?
Ich glaube, mehr denn je. Vor allem in den USA, wo es ja kaum Museen gibt, die von Staat oder Stadt finanziert werden.
Verstehen Sie den Aufstand gegen die Reichen, gegen das Establishment – nicht nur in der Kunst?
Ja, im Kunstbetrieb hat sich eine wahnsinnig arrogante Blase entwickelt, in der dann plötzlich drei Menschen auf der Welt, die schon immer Kunst „gemacht“ haben, einen jungen Künstler zum Star ausrufen, der plötzlich mehr wert ist als ein alter Meister – und kein Mensch weiß, warum. Das ändert sich langsam, und es gibt wieder Sammler, die sich auch für jene interessieren, die noch nicht den großen Marktwert haben.
Sie entwerfen auch Mode. Brigitte Bierlein hat ein Kleid von Ihnen bei ihrer Angelobung als Kanzlerin getragen. Gibt es Ihr Label noch?
Ja, ich habe viel Zeit investiert – vor allem an den Wochenenden. Mode macht mir Spaß, obwohl das ein wahnsinnig schwieriger Job ist. Momentan mache ich nur eine ganz kleine Kollektion. Man müsste es kapitalisieren, dafür habe ich aber weder die Geduld noch das Kapital. Aber vielleicht findet sich ja irgendwann einmal ein Sponsor.
Sprechen Sie daheim mit Ihrem Künstler-Ehemann über Kunst?
Ja, natürlich. Ich brauche Menschen um mich, mit denen ich auf Augenhöhe darüber sprechen kann, was mich wirklich interessiert. Aber natürlich reden wir auch darüber, wer den Geschirrspüler einräumt.
Wer ist Ihr Lieblingskünstler?
Wahrscheinlich ist es immer noch Tizian. Erst unlängst habe ich wieder die Pieta in der Accademia in Venedig angeschaut, dieses ganz späte Bild. Es ist einfach gigantisch.
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