Durchbruch bei Renten, Steuerreform vertagt

Durchbruch bei Renten, Steuerreform vertagt
Hierzulande gibt es nur erste Zwischenergebnisse: SPÖ und ÖVP wollen das faktische Pensionsantrittsalter bis 2018 im Schnitt auf 60 Jahre heben.

In Deutschland ist die Große Koalition bereits paktiert, in Österreich wird noch gefeilscht. Zu 80 Prozent seien die Verhandlungen in den Untergruppen aber schon abgeschlossen, heißt es. Finalisiert wurden etwa die Gespräche zu den Themen Energie, Umwelt, Europa, Kultur/Kunst, Sport, Gesundheit.

Die Finanzgruppe und die Chefs von SPÖ und ÖVP müssen die Vorschläge aber noch bewerten. Ziel ist, dass die Regierung Mitte Dezember steht. Wo hakt es? Wo sind Rote und Schwarze handelseins? Ein Überblick:

Pensionen Laut KURIER-Information gibt es bei den Pensionen einen ersten Durchbruch. Das faktische Antrittsalter soll – so haben die Verhandler vereinbart – bis 2018 auf 60 Jahre steigen. 2012 lag es bei 58,4 Jahren. Damit muss die Regierung ihre Anstrengungen verdoppeln: Statt der geplanten Steigerung um 0,7 Jahre soll das Antrittsalter in fünf Jahren nun um 1,6 Jahre steigen.

Helfen sollen Reformen (etwa bei der Invaliditätspension), die 2014 in Kraft treten. Im Jahr 2016 soll überprüft werden, ob sie wirken, verlangen die Seniorenvertreter. Sind sie nicht spürbar, sollte es weitere Schritte geben. ÖVP-Finanzverhandler Josef Pühringer will sich damit nicht zufriedengeben: „Wir dürfen nicht nur Zeitpunkte und Ziele festlegen, sondern auch Maßnahmen.“ Nötig seien „ernsthafte Reformen“.

Eines kommt für die SPÖ nicht infrage: das Frauenpensionsalter ab 2019 (nicht wie ursprünglich festgelegt ab 2024) zu erhöhen. Geplant sind hingegen eine Teilpension (die Arbeitszeit wird reduziert, ein Teil der Pension wird ausbezahlt) und ein Bonus-Malus-System für Arbeitnehmer, damit Ältere länger arbeiten. Ein Malus für Arbeitgeber ist noch umstritten. Pühringer: „In einer Marktwirtschaft kann das nur über Anreize gehen.“

Steuerreform Da haben sich Rot und Schwarz angenähert. Laut KURIER-Recherchen dürfte im Regierungsprogramm kein Zieldatum für eine Lohnsteuer-Senkung stehen. Es wird lediglich vereinbart, dass eine Steuerreform beabsichtigt ist. Dafür soll eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden.

Staatsreform Die Verhandlungen über die Themen „Direkte Demokratie“ und Verwaltung sind abgeschlossen (siehe rechts). Chefsache wird die Frage, ob die Bundesländer die Kompetenz für alle Lehrer (derzeit nur für jene in Pflichtschulen) erhalten. Offen ist auch die Reform des Bundesrats. Die Vorschläge reichen von Aufwertung über Landtagsabgeordnete in den Bundesrat bis Verkleinerung.

Budget/Einsparungen Noch nicht einig sind sich SPÖ und ÖVP, wie gespart werden soll. Die SPÖ will fünf bis zehn Prozent bei den Ermessensausgaben in den Ministerien einsparen (z. B. durch Verschiebung von Tunnelprojekten), Förderungen kürzen, den Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst verlängern, verstärkt Steuerbetrug bekämpfen. Beide Parteien wollen Verwaltungsreformen. Die ÖVP tritt für Privatisierungen ein, etwa bei den Wasserkraftwerken der ÖBB. Die SPÖ ist dagegen.

Steuern Die SPÖ wünscht sich Millionärssteuern, will diese aber nicht zur Koalitionsbedingung machen. Die ÖVP ist gegen neue Steuern. Dennoch wird nicht ausgeschlossen, dass am Ende eine Erbschaftssteuer ab einer Million Euro herauskommt – wenn sie zweckgebunden wird, etwa für die Lohn-Steuersenkung.

Wachstum Rot wie Schwarz wollen Maßnahmen gegen die drohende Rekordarbeitslosigkeit vereinbaren. ÖVP-Verhandler Pühringer: „Wir müssen das Wachstum ankurbeln, indem wir den Standort stärken. Das wird nicht zum Nulltarif gehen.“

Gesundheit Die Verhandler plädieren dafür, die Tabaksteuer um 30 Cent pro Zigarettenpackung zu erhöhen: 15 Cent davon sollen verwendet werden, um Gratis-Zahnspangen für Kinder zu finanzieren; 15 Cent sollen in Prävention fließen. Die Gesundheitsverhandler wollen auch ein generelles Rauchverbot in Lokalen; was die Wirtschaftskammer ablehnt.

Justiz/Inneres Dass es in Wien wieder einen Jugendgerichtshof geben soll, ist laut Verhandlern bloß ein Gerücht.

Koalition: Wer was verhandelt

Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) nimmt sich die Koalitionseinigung in Deutschland zum Vorbild: Dort paktierten Rot und Schwarz die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer.

„Wenn die Deutschen eine Regelung zusammenbringen, die mit dem EU-Recht konform geht, werden wir das auch schaffen“, sagt Niessl im KURIER-Interview. Sein Vorschlag: „Ich bin für eine Ausweitung der Maut für ausländische Lkw auf Bundesstraßen“, sagt Niessl. Mittwochnachmittag brachte er die Idee in die Koalitionsgespräche ein. Seine Hoffnung: Dass auch die Transit-geplagten Bundesländer in Westösterreich zustimmen. Das Volumen konnte er noch nicht beziffern. Das lasse er erst berechnen.

Verwaltungsreform

Niessl sitzt für die SPÖ in der großen Finanzrunde und ist SP-Chefverhandler bei der Gruppe Staatsreform. Dort gebe es gute Fortschritte. „Ich schätze, dass wir diese Woche fertig werden“, sagt er. Man habe sich auf zahlreiche Reformschritte geeinigt und werde viele Einsparmöglichkeiten vorlegen. Fix sind laut Niessl:

Amt der Bundesregierung Hier sollen IT- und Personalkompetenzen des Bundes gebündelt werden.

Vorzugsstimmen-Reform Niessl: „Wir sind uns einig, die Prozentsätze für eine Vorzugsstimme zu reduzieren.“ Auf Bundesebene sind derzeit sieben Prozent der jeweiligen Parteistimmen für ein Vorrücken notwendig. Fünf sollen künftig reichen.

Mandatsverlust Fix ist offenbar auch ein automatischer Amtsverlust für Politiker, die rechtskräftig zu mehr als sechs Monaten unbedingter Haft verurteilt werden.

Direkte Demokratie Hier wird sich ein Konvent mit der Aufwertung von Volksbegehren befassen.

Entbürokratisierung Einsparungen sollen auch weitere Verwaltungsreformen bringen. So sollen etwa UVP-Verfahren beschleunigt werden.

Noch nicht koalitionspaktdruckreif ist die Schulreform. Es hakt in Sachen „gemeinsame Schule“. Weil die Bildungsverhandler bis dato keinen Kompromiss gefunden haben, versuchen deren Frontleute, SPÖ-Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek und ÖVP-Landeschef Wilfried Haslauer, in Vier-Augen-Gesprächen einen zu finden. Misslingt auch das, wird die Ideologie-Causa Chefsache. Angedacht wurde freilich auch, das Ganze zu vertagen. Die neuen alten Koalitionäre sollen binnen einer bestimmten Frist, unterstützt von Schulexperten, eine Lösung finden. Und wenn es die dann immer noch nicht gibt? Als möglicher Ausweg wird genannt: Eine Volksbefragung zur „gemeinsamen Schule“. Mit zwei Modellen zur Wahl, wie zu Jahresbeginn bei der Wehrpflicht. Die SPÖ will sie, die ÖVP möchte weiterhin Gymnasien haben.

Nicht mehr zur Debatte steht Haslauers „Salzburger Modell“: 70 % der 10-Jährigen gehen in eine „Neue Mittelschule“, der Rest in eine Langform des Gymnasiums mit Spezialisierung (Naturwissenschaften, Sprachen) – Aufnahmeprüfung inklusive. Das hat die ÖVP nicht durchgebracht. Selbst Schwarze verwahrten sich gegen „diese harte Selektion in Form eines punktuellen Tests“.

Keine Rede war in den Verhandlungen von dem, was die ÖVP am Anfang als Kompromiss gestreut hat: An jedem Standort könnte entschieden werden, ob er eine Gesamtschule oder ein Gymnasium plus „Neuer Mittelschule“ ist. Pädagogen sollen weder Bundes- noch Landeslehrer sein, sondern Angestellte der Schule – mit dem Direktor als Personalchef. Nun heißt es puncto Schulautonomie nur: Direktoren sollten bei der Personalrekrutierung „mehr mitreden“ dürfen; organisatorisch und pädagogisch „mehr mitentscheiden“ können.

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