Droht jetzt das Ende der U-Ausschüsse wie wir sie kennen?
Der Endbericht der Arbeitsgruppe zur Justizreform und zur Schaffung eines Generalstaatsanwalts enthält einige brisante Punkte. Sowohl für das Justizsystem als auch für ein ganz konkretes demokratisches Werkzeug des Parlaments: den parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Die Justiz, in der Arbeitsgruppe vertreten durch die höchsten Juristen des Landes, stellt ihn infrage – jedenfalls in seiner jetzigen Form und Ausgestaltung.
Hochkarätige Gruppe
Die vom Justizministerium einberufene Arbeitsgruppe ist hochkarätig besetzt. So waren etwa die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Elisabeth Lovrek, oder die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, aber auch Vertreter des Ministeriums selbst beteiligt.
Nach Verfahren
Genau diese plädieren jetzt dafür, dass ein Untersuchungsausschuss erst dann eingesetzt wird, wenn Ermittlungen und sogar Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind.
Wäre das bereits umgesetzt, würde das für den aktuellen ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss eine immense Verzögerung bedeuten, sind doch unzählige Ermittlungsverfahren anhängig. Besondere Aktualität gewinnt der Punkt, weil Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, gegen den wegen Untreue und Bestechlichkeit ermittelt wird, am 28. September zur Befragung in den U-Ausschuss kommen wird. Zudem wäre Kurz’ Auftritt im U-Ausschuss bei einer legistischen Umsetzung zudem dann wohl nicht zu diesem Zeitpunkt möglich.
Warum möchte es dann die Justiz?
„Es ist ein wirkliches Problem, dass Daten und Informationen aus den Ermittlungsverfahren in den Untersuchungsausschuss gelangen und am nächsten Tag in den Zeitungen landen“, sagt OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek dem KURIER. Ermittlungen würden so medial ausgeschlachtet und im Untersuchungsausschuss parteipolitisch instrumentalisiert, sagt Lovrek. „Die Politisierung und mediale Aufarbeitung schadet den Verfahren und den Betroffenen.“ Denn ermittelnde Staatsanwaltschaften müssten mit großem Zeitaufwand Informationen an den U-Ausschuss liefern, die für die Ermittlungen möglicherweise gar nicht relevant seien, so Lovrek. Das fresse Zeit.
Zudem werde für geladene Beschuldigte Redezeit im U-Ausschuss eingeräumt, obwohl sich diese rechtlich einer Aussage mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren entschlagen können. „Dann wird aber im U-Ausschuss wieder diskutiert, ob die Person eine Aussage verweigern darf“, sagt Lovrek. Auch das fresse Zeit. Untersuchungsausschüsse hätten häufig „mehr Form als Inhalt“, sagt Lovrek. Sie vertrete die Mehrheitsmeinung in der Justiz, dass „Untersuchungsausschüsse mit dem Gegenstand eines laufenden Verfahrens nicht stattfinden sollen“, sagt Lovrek.
Zadić bremst
Justizministerin Alma Zadić (Grüne) sieht das anders. Die parlamentarische Kontrolle solle bei parlamentarischen Anfragen und U-Ausschüssen bestehen bleiben wie bisher, heißt es aus ihrem Büro. Zadić spricht sich also dagegen aus, dass U-Ausschüsse erst starten dürften, wenn „staatsanwaltliche Tätigkeiten“ abgeschlossen sind. Klar sei jedoch, dass Politiker keine Informationen aus laufenden Verfahren erhalten dürfen – etwa wo Hausdurchsuchungen geplant sind – oder gar einzelne Verfahrensschritte genehmigen können.
Zurückhaltender äußert sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). „Wir haben den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe erst Donnerstagabend übermittelt bekommen. Dieser muss jetzt gründlich geprüft werden“, heißt es aus ihrem Ministerium.
Die politischen Verhandlungen haben indes noch nicht begonnen. Für die „größte Justizreform der Zweiten Republik“, wie sie Zadić nennt suche sie nun Gespräche mit der ÖVP und der Opposition. Denn für die Reform braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die Regierung benötigt dafür die Zustimmung der SPÖ oder FPÖ. SPÖ und Neos stehen der Reform positiv gegenüber, sehen aber eine „große Hürde“: Sie glauben nicht, dass die ÖVP zustimmen werde, die Weisungsspitze aus der Hand der Politik zu geben .
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