Bei einem Punkt kommen Sie sich politisch ja nahe: Sie fordern eine strikte Flüchtlingspolitik.
Politische Nähe halte ich hier für eine unpräzise Beschreibung. Ich stehe für eine restriktive, pragmatische und humane Flüchtlingspolitik und zeige das auch in Tirol vor. In enger Zusammenarbeit mit unseren Bürgermeistern und der lokalen Bevölkerung ist es mir seit Übernahme des Ressorts gelungen, die Unterbringungsquote in unserem Bundesland von 60 auf 80 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig mache ich mich dafür stark, Pull-Faktoren, so gut es geht, zu minimieren. Wer einen tatsächlichen Asylgrund hat, wird menschenwürdig untergebracht. Wirtschaftsflüchtlinge sollten sich nach meinem Dafürhalten erst gar nicht auf den Weg machen.
Komplett anderer Meinung ist Ihr neuer Bundesparteivorsitzender Andreas Babler, der eher für eine humanistische Willkommenskultur steht. Gibt es da einen parteiinternen Konflikt?
Überhaupt nicht. Ich vertrete die geltende Parteilinie – Integration vor Zuzug – und stehe unter anderem für Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen, wie es das beschlossene Kaiser-Doskozil-Papier unter anderem vorsieht. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Ihre Aussagen dazu wurden in Wien als unnötige innerparteiliche Kritik bewertet, in der Art von Hans Peter Doskozil vor dem Bundesparteitag. Sehen Sie das auch so?
Ich weiß namentlich nicht, wer in Wien das so bewertet haben soll, ich habe gänzlich andere Rückmeldungen erhalten. Im konkreten Fall sind meine Aussagen von Beschlüssen gedeckt und stellen keine Privatmeinungen dar. Tempo 100 und die 32-Stunden-Woche zum jetzigen Zeitpunkt sehen mehrere SPÖ-Granden kritisch. Unter anderem auch Hannes Androsch vor wenigen Tagen in einer österreichischen Tageszeitung.
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Wie ist Ihr Verhältnis zu Andreas Babler?
Aus meiner Sicht sehr gut. Die Gespräche verlaufen amikal. Andi ist ein Teamplayer und er kann offenkundig viele Menschen begeistern. Er ist leidenschaftlicher Bürgermeister, ich war leidenschaftlicher Bürgermeister. Da hat man im persönlichen Gespräch gleich viele Anknüpfungspunkte, einen guten Austausch und ein gesundes Maß an Pragmatismus in seinem politischen Tun und Handeln.
Sie sind in Tirol in einer Koalition mit der ÖVP, auf Bundesebene scheint das eher unmöglich, wenn man sich viele Aussagen in Ihrer Partei anhört. Sollte da umgedacht werden?
Ich bin gegen eine Koalition mit der FPÖ. Aber als Repräsentant einer staatstragenden Partei halte ich es für wichtig, eine gesunde Gesprächsbasis mit allen Parteien im demokratischen Spektrum zu haben. Dazu gehört allen voran natürlich die ÖVP. Die Koalition in Tirol läuft ausgezeichnet, auch in Kärnten und der Steiermark arbeiten beide Parteien verlässlich, konstruktiv und unaufgeregt zusammen. Und ja, ich bleibe dabei: Ich – und viele andere Menschen in Österreich – wünschen sich diese Konstellation wieder für eine künftige Bundesregierung.
Sie sind ja auch gegen eine Ampelregierung, weil Sie eine Zweierkoalition für effektiver halten. Gilt das weiterhin?
Das entsprechende Vertrauen der Wählerinnen und Wähler vorausgesetzt, halte ich eine Zweierkoalition für ungleich effektiver, das stimmt. Und das habe ich bekanntlich schon vor der Landtagswahl 2022 ganz klar formuliert. Ich bin keiner, der nach einer geschlagenen Wahl ratzfatz seine Meinung ändert.
Und wie halten Sie es grundsätzlich mit Herbert Kickl und seiner FPÖ?
Die FPÖ verspricht in Opposition eine Nulllohnrunde für alle Politiker, und macht in Regierungsverantwortung auf Landesebene das genaue Gegenteil. Sie erhöhen sich in Salzburg und Oberösterreich bärig die Gehälter. So schaut es tatsächlich aus. Mir tut es in meiner politischen Seele weh, wie Kickl und seine vermeintlich starken Männer das gesellschaftliche Klima in Österreich immer mehr vergiften und unsere Bevölkerung spalten. Eine Zusammenarbeit mit solchen Protagonisten interessiert mich nicht.
Sie haben vorhin gesagt, dass Sie mit der Arbeit der schwarz-roten Landesregierung in Tirol zufrieden sind. Was macht diese Koalition aus?
Ja, ich bin mit der Arbeit zufrieden, sonst würde ich nicht öffentlich von einem möglichen „role model“ für eine künftige Bundesregierung sprechen. Ich denke, Anton Mattle und ich beweisen tagtäglich, dass wir heiße politische Eisen direkt anpacken, aber auch eine notwendige Erneuerung für Tirol eingeleitet haben. Stabilität ist in Zeiten einer geopolitischen Unsicherheit und komplexer Krisensituationen das politische Gebot der Stunde.
Die SPÖ diskutiert derzeit, ob in Zukunft Personalentscheidungen und auch Koalitionen nur noch über Direktwahlen durch die Mitglieder möglich sein sollen. Wie ist da Ihre Position?
Ich bin direkt gewählter Parteivorsitzender, unser Koalitionsprogramm haben wir auf einem Landesparteirat abstimmen lassen. In Tirol haben wir dafür einen vergleichsweise einfachen und durchführbaren Modus. Das ist auf Bundesebene deutlich diffiziler. An möglichen Modellen arbeitet derzeit eine vom Bundesparteivorstand eingesetzte Statutenkommission. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt, mache aber keinen Hehl daraus, dass ich gemeinsam mit Michael Ludwig ein Anhänger repräsentativer Demokratie bin.
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Im Vorfeld des Bundesparteitages im Juni wurde innerhalb der SPÖ eine Westbahnachse (Anm.: NÖ, OÖ, Salzburg und Tirol) ins Leben gerufen. Gibt es die noch und was will man damit bezwecken?
Vorarlberg ist mittlerweile auch Teil dieser Zusammenarbeit. Ich freue mich schon darauf, dass Mario Leiter aus Vorarlberg, David Egger aus Salzburg, Michael Lindner aus Oberösterreich und Sven Hergovich aus Niederösterreich am 24. August bei mir in Tirol zu Gast sind. Als neue, junge Parteivorsitzende wollen wir uns mit geballter Kraft und neuen Ideen für ein Miteinander in der Bundespartei einbringen. Stadt und Land, Wien und die Peripherie, all diese Interessen müssen und werden in einer modernen Sozialdemokratie gehört und dementsprechend artikuliert werden.
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