Beim Strompreis werden bereits gegenteilige Effekte beklagt: Weil die Republik billigen Strom garantiert, gibt es für Kunden kaum Anreize, Preise zu vergleichen oder ihren Anbieter zu wechseln.
Wenn Maßnahmen nicht funktionieren, muss man sie adaptieren. Die Regierung könnte auch Modelle anderer Länder umsetzen: Die Mietpreisbremse in der Schweiz zum Beispiel oder was die Spanier bei Strom und Gas gemacht haben. Das Grundproblem in Österreich ist, dass man nicht den Mut hat, Marktversagen offensiv zu bekämpfen.
Die Wirtschaftskammer hat Anfang der Woche ein 6-Milliarden-Konzept für die Kinderbetreuung vorgelegt. Das ist in ihrem Sinn, oder?
Ich freue mich, dass Harald Mahrer jetzt munter geworden ist. Noch mehr gefreut hätte ich mich allerdings, wenn er damals als Teil der türkisen Regierungsmannschaft Widerstand geleistet hätte, als Sebastian Kurz die Kindergartenmilliarde torpediert hat. Hätten Christian Kern und Reinhold Mitterlehner damals die Milliarde beschlossen, wären wir heute viel, viel weiter. In den Bundesländern, in denen die SPÖ Verantwortung trägt, sieht man klar, was sich ändert: In Kärnten, im Burgenland und in Wien ist die Kinderbetreuung kostenlos. Für uns ist das eine Frage der Chancengerechtigkeit. Und die darf nicht von der Brieftasche der Eltern abhängen.
Was halten Sie von einem Rechtsanspruch auf kostenlose Kinderbetreuung?
Der ist sinnvoll und überfällig. Familien, denen nicht Nachbarn oder Großeltern ständig helfen, stehen vor riesengroßen Herausforderungen. Und die Last tragen vor allem die Frauen. Ich verstehe ja bis heute nicht, warum Wirtschaft und Industrie nicht mehr Druck aufbauen. Wenn wir von einer echten Wahlfreiheit reden, müssen wir Angebote schaffen. Eine Kinderbetreuung, die um 11.30 Uhr endet, ignoriert das reale Arbeitsleben und schafft einen Arbeitskräftemangel.
Sie sind auch Gesundheitssprecher der SPÖ. Fehlen Österreich jetzt die Ärzte – oder sind sie nur schlecht verteilt?
Im Gesundheitswesen ist einiges ins Rutschen geraten, und was die Ärzte angeht, stehen wir vor einer dramatischen Situation. Ein Drittel der Ärzte geht in den nächsten zehn Jahren in Pension, wir bilden zu Wenige aus.
Sie wollen mehr Studienplätze für Medizin-Studenten?
Absolut. Es wird sich bald rächen, dass wir von 15.000 Menschen, die sich fürs Studium bewerben, nur 1.850 ausbilden, wo wir doch jede einzelne Person brauchen würden.
Sie wissen, dass viele Absolventen ins Ausland gehen…
Man muss an vielen Schrauben drehen. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man beim Aufnahmetest Bonuspunkte sammelt, wenn man sich zur Arbeit im öffentlichen Gesundheitssystem verpflichtet. Meines Erachtens entwickelt sich das ganze System in die falsche Richtung. Mir macht es Sorgen, dass bereits 20 Prozent der Ausgaben im Gesundheitsbereich privat bezahlt werden. Als SPÖ kämpfen wir gegen solche Entwicklungen.
All das – bessere Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung, etc. – erfordert mehr Mittel. Woher nehmen Sie die?
Bei der Kinderbetreuung rechnet selbst die Wirtschaftskammer vor, dass es das Teuerste wäre, nicht in die Kinder zu investieren. Was das Gesundheitssystem angeht, sehe ich einen Bereich, wo wir zu wenig machen: die Prävention. Im Vergleich zu anderen Ländern werden die Österreicher ähnlich alt, allerdings ist die Zahl der gesunden Lebensjahre bei uns um zehn Jahre niedriger. Da reden wir nicht nur von menschlichem Leid, sondern auch von Milliardenkosten für das Gesundheitssystem.
Einnahmenseitig wollen Sie bei den Steuern demnach gar nichts ändern?
Natürlich will ich das, denn in Österreich fehlt die Verteilungsgerechtigkeit. Im europaweiten Vergleich wird Arbeit hierzulande deutlich zu hoch und Vermögen viel zu niedrig besteuert. Im Sinne der Leistungsgerechtigkeit müssen Vermögende mehr zum Gesundheits- und Sozialsystem beisteuern.
Beim SPÖ-internen Wahlkampf haben Sie Hans Peter Doskozil unterstützt und wurden dennoch von Andreas Babler zum Klubchef gemacht. Wie legen Sie ihre Rolle an? Als Mediator?
So würde ich es nicht beschreiben. Nach dem Parteitag war für mich klar, dass ich meinen Beitrag leisten will, im Team-SPÖ mitzuarbeiten. Wir haben als Partei genau die Themen, die das Leben der Menschen berühren. Wir müssen zeigen, welchen Unterschied es im Gesundheitssystem oder für ein leistbares Leben macht, ob die SPÖ regiert, oder eben nicht.
Die SPÖ will den Mitgliedern mehr Mitsprache geben. Bleibt’s dabei, dass Parteivorsitzende von der Basis gewählt werden sollen?
Ich habe mich 2019 als Parteivorsitzender in Klagenfurt selbst durch unsere Mitglieder wählen und bestätigen lassen. So gesehen steht für mich außer Frage, dass wir das auch beim Bundesvorsitzenden tun. Die Mitglieder wollen das.
Wie halten Sie’s mit der FPÖ und Herbert Kickl? Ist er ein Sicherheitsrisiko?
Ein Kanzler Kickl würde für die Masse der Bevölkerung nichts besser machen, im Gegenteil. Die FPÖ redet viel vom kleinen Mann, aber handelt nicht danach. Mit der FPÖ in der Regierung wurden Krankenkassen zerschlagen, der Zwölfstunden-Tag umgesetzt, und blaue Ministerinnen wie Hartinger-Klein haben erklärt, man könne von 150 Euro im Monat gut leben. Ich freue mich darauf, mit der FPÖ über leistbares Wohnen oder die Gesundheitsversorgung zu diskutieren, unsere Konzepte sind die besseren. Man muss ja nur nach Niederösterreich schauen: Wäre die SPÖ in der Regierung, wäre der Kindergarten kostenlos. Und was Kickl kann, das hat er im Innenministerium gezeigt: Pferde bestellen.
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