Doppelt so teuer: EU-Vorsitz kostete fast 100 Millionen

Doppelt so teuer: EU-Vorsitz kostete fast 100 Millionen
Die Kosten für Österreichs Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 lagen weit über den angekündigten 43 Millionen Euro.

Eine "Spar-Präsidentschaft" hatte Sebastian Kurz vor ziemlich genau einem Jahr angekündigt. Im vergangenen März präsentierte der Bundeskanzler gemeinsam mit Europaminister Gernot Blümel den Plan für den EU-Ratsvorsitz, den Österreich am 1. Juli 2018 übernehmen würde. Die damals angegebenen Kosten für die Präsidentschaft: 43 Millionen Euro.

Eine Zahl, die nicht einmal im Ansatz eingehalten wurde. Denn die nun eingegangenen Antworten auf eine Serie parlamentarischer Anfragen der SPÖ an alle Ministerien ergeben, dass sich die tatsächlichen Ausgaben für die Ratspräsidentschaft auf 96,5 Millionen Euro beliefen. Das ist ziemlich genau doppelt so viel wie vom Regierungschef im Vorfeld angegeben.

Die von Kurz veranschlagte Summe von 43 Millionen erreichte das Bundeskanzleramt mit Ausgaben von mehr als 41,3 Millionen Euro fast im Alleingang.

Die zweithöchsten Ausgaben nach dem Kanzleramt hatte mit 14 Millionen Euro das Innenministerium zu verbuchen. 5,3 Millionen davon entfielen auf Polizei-Überstunden.

Die geringsten Kosten gab das Ministerium für Öffentlichen Dienst und Sport von Heinz-Christian Strache bekannt. Das Ressort des Vizekanzlers kam während der Ratspräsidentschaft mit Mehrkosten von knapp 1,3 Millionen Euro aus.

Eine interessante Parallele zeigt sich zur vorletzten österreichischen Ratspräsidentschaft im Jahr 2006: Auch damals ergab eine Anfrageserie der SPÖ mit knapp 78,4 Millionen Euro deutlich höhere Ausgaben wie von der damaligen schwarz-blauen Bundesregierung vorab angekündigt.

Inflationsbereinigt wären das heute rund 98 Millionen Euro - womit die letztjährige "Spar-Präsidentschaft" unterm Strich dann zumindest 1,5 Millionen weniger gekostet hätte als jene im Jahr 2006.

Ministerien mit realistischer Schätzung

Überraschend kommt diese deutliche Überschreitung der Kosten freilich nicht.

Eine frühere Serie parlamentarischer Anfragen der SPÖ hatte bereits im Mai 2018 ergeben, dass die Ministerien - ohne zusätzlichen Personalaufwand - mit Kosten von 92,8 Millionen Euro rechneten. Und damit in etwa mit so viel, wie die Präsidentschaft dann auch tatsächlich gekostet hat.

Sebastian Kurz sprach also von Kosten von 43 Millionen Euro, obwohl die Ministerien über sehr realistische Schätzungen des Aufwands verfügten.

Die Bundesregierung verweist darauf, die von Kurz vor einem Jahr genannten 43 Millionen wären lediglich das "Zentralbudget" gewesen, aus dem unter anderem die "permanente Konferenzfazilität" Austria Center Vienna sowie die Sicherheitsmaßnahmen bezahlt wurden.

Dieses habe man nicht einmal ausgeschöpft, sagt Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal: "Wichtig ist zu betonen, dass das Zentralbudget unterschritten wurde und die Aufwendungen in den Ressorts gänzlich aus deren laufenden Mitteln bestritten wurden, so dass es zu keiner Mehrbelastung für den Steuerzahler gekommen ist."

Launsky-Tieffenthal verweist auch auf eine angeblich vorgenommene kommunikative Unterscheidung zwischen dem Zentralbudget und den zusätzlichen Mitteln der Ressorts für den Ratsvorsitz. In Kurz' und Blümels Vorstellung des Präsidentschafts-Budgets war davon jedoch keine Rede.

Außerdem verweist der Regierungssprecher auf eine Erhebung des Instituts für Höhere Studien, laut der der Ratsvorsitz rund 136,9 Millionen Euro zum österreichischen Bruttoinlandsprodukt beigetragen hat. „Durch diese direkten Auswirkungen auf die Wertschöpfung und die Beschäftigung wird ein wesentlicher Beitrag zum Wohlstand in unserem Land geleistet“, so Launsky-Tieffenthal.

Kritik an hohen Kosten für Inszenierung

Jörg Leichtfried, stellvertretender Klubobmann und Europasprecher der SPÖ, kritisiert gegenüber dem KURIER die hohen Ausgaben der Bundesregierung "für Fotoshows, Treffen auf Berggipfeln und ihr Inszenierungsprogramm". Politisch hätte es hingegen keine Erfolge zu verbuchen gegeben.

Bei Migration, Grenzschutz und Frontex hätte es keine konkreten Beschlüsse gegeben, die Finanztransaktionssteuer wäre während des rot-weiß-roten Vorsitzes "zu Grabe getragen" worden und die Digitalsteuer "auf EU-Ebene gescheitert". Zusätzlich hätten die Regierungsmitglieder, statt Brücken zu bauen, "Österreichs Ruf nachhaltig beschädigt - Stichwort Putin", meint der frühere EU-Parlamentarier und Verkehrsminister.

Und im Kampf gegen Lohn- und Sozialbetrug habe man sich "gar nicht erst die Mühe gemacht, die neue Behörde in eines der am meisten betroffenen Länder – nach Österreich – zu holen".

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