Spannung vor Höchstgericht-Entscheid zu Rauchverbot

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VfGH könnte Raucherlaubnis kippen, Verfassungsexperten sind im KURIER-Gespräch aber skeptisch. Entscheidung verzögert sich.

881.692 Menschen haben im Oktober des Vorjahres ihre Unterschrift für das "Don't Smoke"-Volksbegehren abgegeben, heute stand es auf der Tagesordnung im Gesundheitsausschuss.

Ziel der Initiatoren war ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie, nachdem die türkis-blaue Regierung ein entsprechendes (von der Vorgänger-Regierung beschlossenes) Gesetz gekippt hatte.

Während die Initiatoren – Wiener-Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres und Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda – und Fachleute, die von den Fraktionen geladen wurden, ihre Statements abgaben, blühen am Dienstag die Spekulationen, dass der Verfassungsgerichtshof die Raucherlaubnis kippen könnte. Das Erkenntnis wurde diese Woche erwartet, da der zuständige Referent aber erkrankt ist, dauert es nun doch länger, wie der KURIER erfuhr.

Der VfGH hat gestern mit seiner März-Session begonnen, dabei wird auch über die Anfechtung der Raucher-Novelle beraten. Die türkis-blaue Regierung hat im Mai 2018 ja das Rauchverbot in der Gastronomie gekippt und ein neues Gesetz beschlossen, das weiterhin getrennte Räume zulässt.

Die Wiener Landesregierung, zwei Gastro-Betriebe und zwei Nichtraucher haben dagegen Beschwerde eingelegt. Vermutet werden Verstöße gegen das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf Privat- und Familienleben, den Gleichheitssatz und den Vertrauensschutz.

Die Oberösterreichischen Nachrichten zitieren nun Insider, die davon ausgehen, dass das Höchstgericht die Raucherlaubnis aufheben könnte. Knackpunkt ist demnach der Gleichheitssatz in Bezug auf die Beschäftigten in der Gastronomie: Lehrlinge dürfen nur eine Stunde pro Arbeitstag im Raucherbereich arbeiten.

Durch die Tatsache, dass es diese Regelung gibt, gesteht der Gesetzgeber zu, dass Tabakrauch schädlich ist - und müsste alle seine Mitarbeiter davor schützen. Dabei geht es um das "Recht auf körperliche Unversehrtheit".

"Das wäre ein Fehlurteil"

Für den Verfassungsexperten Theo Öhlinger wäre eine Aufhebung "eine große Überraschung". Das Argument der "Gleichheit" greife in diesem Fall nicht, erklärt er gegenüber dem KURIER: "Wenn der Gesetzgeber der Meinung ist, Jugendliche muss er intensiver vor Gefahren schützen, weil es dafür gute Gründe gibt, dann darf er das." Schließlich sei auch das Autofahren erst ab einem bestimmten Alter erlaubt.

Öhlinger hielte es generell für ein falsches Signal, "wenn Richter entscheiden, dass etwas so gefährlich ist, dass man es verbieten muss". Das sei Aufgabe der Politik. "Und wenn wir Politiker gewählt haben, denen unsere Gesundheit nicht so viel wert ist, dann sind wir selber schuld, weil wir sie gewählt haben."

Sollte der VfGH mit seinem Erkenntnis dafür sorgen, dass ein totales Rauchverbot kommt, wäre das "ein Fehlurteil, aber eines, das den Menschen zumindest nicht schadet", so Öhlinger.

Ähnlich sieht es Verfassungsjurist Heinz Mayer: Unter-18-Jährige sind grundsätzlich stärker zu schützen als Erwachsene. In der Novelle seien ja auch Schutzbestimmungen für Minderjährige enthalten. Deshalb gleich ein ganzes Gesetz zu kippen, hält er nicht für gerechtfertigt.

Für die Aufhebung argumentiert hingegen Bernd-Christian Funk: Der Verfassungs- und Verwaltungsjurist hat an der Anfechtungsschrift der Wiener Stadtregierung mitgewirkt und fühlt sich nun in seiner Rechtsansicht bestätigt: "Erwachsene und Jugendliche, die in der Gastronomie tätig sind, sind im gleichen Maße zu schützen. Daher gibt es keine Alternative zu einem generellen Rauchverbot."

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Österreich führend beim Raucheranteil

Im Gesundheitsausschuss kamen am Dienstagvormittag ein letztes Mal Experten zum "Don't Smoke"-Volksbegehren zu Wort.

Erste Expertin war um 9 Uhr morgens Lisa Brunner, Leiterin des Wiener Instituts für Suchtprävention:

Brunner erklärte zunächst Zahlen und Fakten zum Rauchen: Österreich ist führend in EU beim Anteil an jungen Raucherinnen und Rauchern, 55 Prozent der Frauen und 59 Prozent der Männer beginnen vor ihrem 18. Geburtstag zu rauchen.

Im Schnitt denken Jugendliche bereits drei Monate nachdem sie zu rauchen begonnen haben ans Aufhören, schaffen es aber nicht und fallen wieder zurück, führte die Expertin aus.  Ausschlaggebend dafür, Raucher zu bleiben, sind laut Brunner gesellschaftliche Normen. Etwa, ob in der Gastronomie geraucht werden darf oder nicht.

Jugendliche beginnen häufig mit dem Rauchen, weil Eltern, Freunde und Bekannte das auch tun.In Gastronomiebetrieben geben 79,6 Prozent derjenigen, die im Raucherbereich sitzen, an, sie säßen nur dort, weil Freunde rauchen. Die Passivrauchbelastung ist dadurch aber enorm, erklärte Brunner.

Laut der Expertin brauche es strukturelle Maßnahmen, um tatsächlich an Raucher-Anteile von nur 13 Prozent wie in Irland oder Schweden heranzukommen. Dort gibt es ein totales Rauchverbot in Gastronomie und am Arbeitsplatz. "Es braucht eine Gesellschaft, in der Nichtrauchen die Norm ist", betonte die Sucht-Expertin.

Rauchen erhöhe die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs oder COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) zu erkranken, um das Dreißigfache, führte Markus Pock, Gesundheitsökonom am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien, aus.

Die Kosten im Gesundheitswesen durch Folgeerkrankungen belaufen sich auf ca. 2,4 Milliarden Euro, während die Einnahmen der Tabakindustrie bei nur 1,8 Milliarden Euro lägen, stellte Pock Berechnungen seines Intituts gegenüber. Rauchverbote hätten "keinen spürbar negativen Einfluss" auf Gastronomiebetriebe, als Beispiel nannte er Finnland: Hier sei im Schnitt sogar ein positiver Einfluss festgestellt worden.

Alle 38 Minuten stirbt jemand an den Folgen des Rauchens: Mit dieser Zahl versuchte Florian Stigler, Gesundheitswissenschafter und Allgemeinmediziner im Gesundheitsausschuss aufzurütteln. Österreich sei das einzige der OECD-Länder, in dem die Raucherzahlen nicht rückläufig sind - sie seien sogar höher als in den 1970er-Jahren. 

Spannung vor Höchstgericht-Entscheid zu Rauchverbot

Florian Stigler, Gesundheitsforscher

Rauchfreie Gastronomie habe neben den von Stiglers Vorrednern angemerkten Effekten auch einen bewusstseinsbildenden Effekt: Jugendliche seien weniger gewillt, sich zum Rauchen vor ein Lokal zu stellen als Erwachsene - und lassen es dann gleich bleiben.

Die FPÖ lud Mario Pulker, Gastronomie-Obmann in der Wirtschaftskammer: Er erklärte, dass schon jetzt ein klarer Trend zu Nichtraucher-Lokalen zu erkennen sei, vor allem bei Neugründungen. "Reine Raucherbetriebe" dürfen und durften aus Gründen des Gesundheitsschutzes keine Lehrlinge ausbilden.

Ein allgemeines Rauchverbot in der Gastronomie bringe nicht mehr, als sich ohnehin schon durch gesellschaftlichen Wandel tue, es schade nur den ohnehin schon gebeutelten Gastro-Betrieben, betonte er: "Die Opposition trägt Kampf für Gesundheitsschutz auf Rücken der Gastronomiebetriebe aus."

Bevor die Abgeordneten im Ausschuss ihre Stellungnahmen abgaben, war einer der Initiatoren des "Don't Smoke"-Volksbegehrens, Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda am Wort. Er hob noch einmal hervor, dass Österreich bei der Raucherquote schlecht dasteht.

Spannung vor Höchstgericht-Entscheid zu Rauchverbot

Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda

24 Prozent der Österreicher rauchen - das sei der drittschlechteste Wert in der EU. Von den Frauen rauchen 22 Prozent, das sei sogar der "traurige letzte Platz" in der EU.

Ein Drittel aller Krebserkrankungen sei auf den Tabakkonsum zurückzuführen, erklärte der Mediziner, und "unzählige Studien beweisen, dass Passivrauchen genauso gefährlich ist wie Aktivrauchen".

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