"Muss ich noch zum Bundesheer?"
Joshua steht als Erster auf – und nimmt das Mikro in die Hand: „Ich muss im Jänner zur Stellung“, erzählt der 17-jährige Gymnasiast mit den Dreadlocks. Er will wissen, wann die Wehrpflicht fällt.
Wenn die Bevölkerung am 20. Jänner mehrheitlich für ein Profi-Heer stimme, dann werde es vermutlich 2014 so weit sein, sagt Generalmajor Karl Schmidseder, der Stabschef aus dem Verteidigungsressort; er macht kein Hehl daraus, dass er für ein Berufsheer ist.
„Das heißt, ich muss auf jeden Fall noch zum Bundesheer“, antwortet Joshua seufzend – und meint damit wohl, er habe es geahnt.
Gymnasium Zirkusgasse, Wien-Leopoldstadt. Die Schulsprecher haben eine Diskussion über Wehrpflicht und Berufsheer initiiert: „Weil es ein wichtiges Thema ist.“
Mehrheit für Profiheer
140 Schüler aus der Zirkusgasse und dem Gymnasium in der Vereinsgasse lauschen Schmidseder, dem drahtigen Stabschef im Kabinett von Verteidigungsminister Norbert Darabos, der die Schüler über den Ist-Zustand des Bundesheeres und den Soll-Zustand im Falle eines Berufsheeres informiert. „Wir haben mehr Köche und Kellner als Pioniere und Infanterie“, erzählt der ehemalige Wiener Militärkommandant. Und es gehe im Heer auch nicht darum: „Alles zu grüßen, was sich bewegt und alles zu putzen, was sich nicht bewegt.“ – Lachen im Saal. Das Bonmot, das seit Jahrzehnten Rekruten erheitert und zuletzt von Hannes Androsch bemüht wurde, kommt auch hier gut an.
Vom Grundwehrdienst hielt die überwiegende Mehrheit der 16- bis 18-Jährigen schon vor der Diskussion wenig. Als Schmidseder fragt, wer für ein Berufsheer ist, strecken etwa drei Viertel die Hände in die Höhe. Nur wenige sind für die Wehrpflicht. Darabos hätte seine helle Freude mit den jungen Menschen. Der Kampf zwischen ÖVP (pro Wehrpflicht) und SPÖ (pro Berufheer) ist hier aber kein Thema, die Jugendlichen interessieren sich nur für die Praxis.
„Warum seid ihr für ein Berufsheer?“, fragt die KURIER-Reporterin. „Den Jugendlichen wird die Zeit gestohlen. Die Ausbildung wird unterbrochen“, argumentiert der 18-jährige Stefan, der nach der Matura Jus studieren will – und zuvor zum Zivildienst gehen wird. „Da kommt man total man aus dem Lernrhythmus raus.“ Sein Freund sieht das genauso – obwohl er zum Heer will: „Ich möchte Offizier werden und ins Ausland gehen“, sagt der 19-Jährige.
Auch die 18-jährige Helene und zwei Freundinnen wollen für ein Berufsheer stimmen. „Weil dort Profis am Werk sind und mehr Frauen dabei sein werden.“ Helene kann sich vorstellen „für die Notfall-Miliz zu arbeiten“.
Manche haben aber auch Bedenken – und es gibt viele Fragen. „Was ist, wenn sich nicht genug Leute für das freiwillige, soziale Jahr melden?“, das den Zivildienst ersetzen soll, will ein Mädchen wissen. „Ich mache mir keine Sorgen“, antwortet Schmidseder – und verweist auf Deutschland. Dort gebe es enormen Zulauf, obwohl viel weniger bezahlt werde als in Österreich geplant sei.
„Was spricht gegen ein verpflichtendes, soziales Jahr?“, fragt eine Schülerin. Schmidseder sagt, dies sei rechtlich nicht möglich, wenn die Wehrpflicht falle. Das widerspräche der Menschenrechtskonvention.
„Kann man den Sozialdienst auch im Ausland machen?“, will noch jemand wissen. Da ist die Zeit schon um.
„Mit denjenigen, die vorher für die Wehrpflicht aufgezeigt haben, rede ich nachher draußen noch“, sagt Schmidseder scherzhaft.
Direktorin Margot Stöger fand die Diskussion „ein bisschen zu strahlend“. Sie hätte gerne gehört, ob es auch negative Erfahrungen mit Berufsarmeen in EU-Ländern gibt. Eine Schülerin nickt.
In der Bevölkerung ist die Stimmung auch weit kritischer als hier in der Schule. In Umfragen haben die Wehrpflicht-Befürworter die Nase vorn. Schmidseder will sich davon nicht beirren lassen: „Wir liegen derzeit zwar hinten, aber in der Rapid-Viertelstunde werden wir ein furioses Finale hinlegen.“
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