Plötzlich musste es schnell gehen: Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung des Bildungsbereiches in den vergangenen zwei Jahren ordentlich beschleunigt. Doch der Online-Unterricht und das digitale statt analoge Umfeld haben auch Probleme verstärkt. Wie eine zum heutigen „Safer Internet Day“ erstellte Befragung von 400 Jugendlichen zeigt, sind ganze 17 Prozent der 11- bis 18-Jährigen bereits Opfer von Mobbing im Internet geworden, 42 Prozent haben es bei anderen beobachtet, und jeder Zehnte hat selbst mitgemacht. Knapp die Hälfte gibt an, dass sich die Situation während der Pandemie verschlimmert hat.
Es sei bekannt, dass Corona sich auf die psychische Gesundheit junger Menschen massiv ausgewirkt hat, sagt Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm. 16 Prozent der Jugendlichen hätten wiederholt Suizidgedanken, „Mobbing im Internet trägt aus meiner Sicht dazu bei“. Plakolm will dagegen durch „Aufklären, Hinschauen und Helfen“ vorgehen.
Auch im Pflichtfach Digitale Grundbildung, das kommendes Schuljahr startet, soll unter anderem über die Gefahren des Internets und Strategien zum Umgang mit Cybermobbing gesprochen werden. Geplant ist eine Wochenstunde in den ersten drei Klassen AHS-Unterstufe und Mittelschule, ab 2023/24 dann in der ganzen Unterstufe bzw. Mittelschule.
Vorerst müssen die unterrichtenden Lehrer und Lehrerinnen dafür entsprechende Fortbildungskurse besuchen, in Zukunft soll es einen eigenen Hochschullehrgang geben. Barbara Römisch von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems ist als Koordinatorin für das Digitalisierungsprogramm dabei, diesen zu entwickeln. Im KURIER-Gespräch erklärt sie, was wichtig wird.
KURIER: Der Lehrplan für das Pflichtfach Digitale Grundbildung wird demnächst präsentiert. Verfügen die Kinder momentan über zu geringe digitale Fähigkeiten?
Römisch: Ich glaube, es ist vergleichbar mit der Leseförderung. Nachdem praktisch alle Kinder digitale Medien nutzen, sollten sie den Umgang damit gut beherrschen. Darum ist es wichtig, dass es ein Pflichtfach geben wird. Ich glaube aber, dass es zu kurz gedacht ist, wenn es nur auf eine Stunde pro Woche reduziert wird.
Wird es dabei eher um den Umgang mit technischen Geräten gehen, oder geht das Fach darüber hinaus?
Es gibt ja jetzt schon eine verbindliche Übung, an der wird man sich orientieren. Das Konzept setzt auf verschiedenen Ebenen an, vom bloßen Bedienen von Programmen bis zu reflexiven Elementen. Es muss aber ein breites Angebot geben, auch für die Eltern.
Woran denken Sie da konkret?
Digitalisierung bedeutet nicht, dass ich ein Programm bedienen kann oder genau weiß, wie ich jetzt eine Tastatur benutze. Wichtig wäre, den Eltern nicht nur
zu zeigen, wie toll die Geräte sind, sondern auch, welche Gefahren das Internet birgt, wenn man es nicht kontrolliert. Ich bin immer wieder schockiert, dass Eltern nicht einmal wissen, dass zum Beispiel WhatsApp erst ab zwölf genutzt werden sollte. Da passieren wildeste Dinge, die die Erwachsenen gar nicht mitbekommen.
Welche Verantwortung fällt dabei den Schulen zu?
Da gibt es den Gedanken des pädagogischen Dreiecks, dass Eltern, die Schule und die Schüler zusammenarbeiten sollten. Man muss für die Kinder auch ein
gewisses Sicherheitsnetz schaffen, in dem sie Vertrauenspersonen haben, an die sie sich wenden können, wenn ihnen in der digitalen Welt einmal etwas passiert. Und dazu muss es natürlich ein gewisses Grundwissen geben bei den Eltern oder Pädagoginnen.
Wenn das Internet so viele Gefahren birgt, ist es dann gut, die Kinder mit technischen Geräten auszustatten?
In einer iPad-Klasse in der Volksschule sind die Geräte zum Beispiel komplett durchgesichert. Ich kann als Lehrerin reglementieren, welche Apps drauf sind und wie viel Zeit damit verbracht werden darf. Das Ziel sollte aber sein, dass es dann am Ende der vierten Klasse fast keine Reglementierung mehr braucht, weil die Kinder gelernt haben, verantwortungsvoll damit umzugehen.
Und was tun Sie, wenn Sie merken, dass die Kinder sich etwa Inhalte ansehen, die nicht für sie geeignet sind?
Ich rede dann mit den Kindern und bespreche, warum ich finde, dass das nicht in Ordnung ist. Es ist wichtig, Kindern Feedback zu geben und ihnen Dinge zu erklären, statt sie zu maßregeln.
Wie kann man Kinder und Jugendliche lehren, nicht auf Fake News hereinzufallen?
Das ist eine schwierige Frage, weil das ja auch viele Erwachsene nicht können. Auch bei Satire tun sich viele schwer, das zu erkennen. Man kann Kindern aber Strategien beibringen, mit denen sie selbst überprüfen können, ob es sich um Fake News handelt oder nicht. Zum Beispiel mal zu schauen: Von welcher Quelle kommt das? Wird es auf mehreren Seiten genau so wiedergegeben, oder gibt es das Thema woanders ganz anders?
Laufen wir Gefahr, dass sich die Kinder irgendwann nur noch in einem digitalen Umfeld bewegen?
Hier kommt es auch auf die Vorbildwirkung an. Zu sagen, gib das Handy weg, ist schwierig, wenn die Eltern selbst die ganze Zeit am Handy hängen. Aber digitale Grundbildung heißt auch,
die Kinder zu entschleunigen und zum Reflektieren anzuregen.
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