SPÖ-Krise: "Die Parteibasis hat die Nase gestrichen voll"

Vergebliche Treueschwüre: Gegen die Führung von Parteichef Werner Faymann regt sich erheblicher Widerstand
Nach dem Wahl-Desaster kommt die SPÖ nicht zur Ruhe. Immer mehr Funktionäre fordern einen Personal- und Kurswechsel.

Erst knallte es, dann ging er, der Peter Wittmann. Es war am Dienstag bei der Klubsitzung der SPÖ im Parlament: Wie die meisten Mandatare wartete der frühere Staatssekretär darauf, dass die Regierungsvertreter ein Wort zur Situation der Partei verlieren – immerhin hatte man am Sonntag in historischem Ausmaß Stimmen verloren. Doch als der erste Tagesordnungspunkt, das Asylgesetz, erledigt war, packte die Parteiführung zusammen. Eine Diskussion zur Wahl? Ein wenig Selbstreflexion? Alles kein Thema. "Da ist mir der Kragen geplatzt", sagt Wittmann. Er nahm seine Sitzungsmappe, drosch sie auf den Tisch und stürmte aus der Sitzung. "Ich bin seit 30 Jahren in der Partei, aber dass man über so ein Ergebnis nicht einmal diskutiert, das ist unglaublich."

Zorn der Genossen

Der fassungslose Verfassungssprecher ist nicht der einzige Zornige in der SPÖ, im Gegenteil: In einem nie dagewesenen Ausmaß zürnen die Genossen der Parteispitze – von der kleinsten Gemeinde bis hinauf in die Landesorganisationen. Und hatte die Führung noch am Montag versucht, mit schriftlichen Solidaritätsbekundungen für Ruhe zu sorgen, scheint nun eine Dynamik zu entstehen, die am Ende alles denkbar macht – bis hin zu einem Wechsel an der SPÖ-Spitze.

Die Vorverlegung des für November geplanten Parteitages gilt dabei noch als das Mindeste, was geschehen soll. "Die Diskussion ist jetzt personell, strukturell und inhaltlich ohne Tabus zu führen – ob man will oder nicht", sagt der steirische SPÖ-Boss Michael Schickhofer.Der loyale Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid wurde zwar nicht müde darauf hinzuweisen, dass ja eigentlich der Parteivorstand einen Parteitag beschließen muss und es wohl beim geplanten Herbst-Termin bleibt.

Früherer Parteitag

Tatsache aber ist, dass die Landesparteien auch formal einen früheren Parteitag erzwingen können.Wie geht das? Laut Partei-Statut können fünf Bundesländer die Vorverlegung beim Parteivorstand beantragen. Passiert dies am 17. Mai (nächster Termin), müsste der Parteitag spätestens am 17. Juli über die Bühne gehen.Und diese Mehrheit gilt seit Mittwoch de facto als sicher. Neben der Kärntner SPÖ sprachen sich öffentlich die SPÖ Steiermark, das Burgenland und Salzburg für eine Vorverlegung aus. Wien gilt als mehrheitlich Faymann-kritisch. Und in Niederösterreich schickten schon am Mittwoch die ersten Bezirksparteien ihre Resolutionen in die Parteizentrale. "Wir wollen eine komplette Neuausrichtung. Organisatorisch, inhaltlich und personell", sagt etwa der Schwechater SPÖ-Bezirksvorsitzender Gerhard Razborcan. Und Karin Renner, stellvertretende SPÖ-Landeshauptfrau von Niederösterreich, argumentiert ganz ähnlich: "Das Gesamtgefüge des Staates ist seit Sonntag ein anderes. Man muss signalisieren, dass man das Wahlergebnis verstanden hat", so Renner zum KURIER. Genau das, nämlich die Warnung der Menschen noch immer nicht verstanden zu haben, ist der wohl schwerste Vorwurf an Faymann und sein Team.

Ernsthafte Konsequenzen

"Die Parteibasis hat die Nase gestrichen voll, weil sie das Gefühl hat, die Parteispitze will neuerlich nur durchtauchen und keine ernsthaften Konsequenzen ziehen", sagt der burgenländische Klubobmann Robert Hergovich im KURIER-Gespräch stellvertretend für andere – inklusive SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl. Für die burgenländischen Genossen ist nicht allein die Parteiführung, sondern "alle Spitzenleute der Bundes-SPÖ" zu hinterfragen, sprich: Das Regierungsteam gehört gewechselt, die Inhalte neu überlegt – und der Abstand zur FPÖ endlich hinterfragt. Während die Annäherung an die Freiheitlichen eher nur ein Herz-Anliegen der burgenländischen SPÖ darstellt, ist die Neu-Ausrichtung der Partei mittlerweile ein flächendeckendes Thema. "Es gibt manche, die versuchen, den Deckel draufzuhalten, aber das wird nicht mehr gelingen. Durchtauchen geht nicht mehr", sagt der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl. Angesichts des heftigen Gegenwindes, der der SPÖ-Führung allerorten entgegenbläst, ist die Panne, die im Vorfeld der Stichwahl zur Präsidentschaftswahl passierte, fast schon lässlich: Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat die SPÖ für Rudolf Hundstorfer und die Wahl am 22. Mai noch Plakate drucken lassen. Kolportierte Kosten: 60.000 Euro. Man ging offenbar tatsächlich davon aus, dass es "der Rudi" noch in die Stichwahl schafft.

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