Immer mehr steigen aus
Die Situation für Junglehrer spitzt sich offenkundig zu. Das politische Ziel, wonach Lehrer in Ausbildung möglichst rasch auch in Klassen unterrichten, kann mit der Realität nicht ganz mithalten. Bei der Statistik Austria gibt es keine detaillierten Daten darüber, wie viele Lehrer ihre Ausbildung abbrechen. Auf Anfrage des KURIER liefert man aber eine grobe Einordnung – und die ist besorgniserregend.
Laut einer Schätzung lässt jeder dritte angehende Lehramtsstudent das Studium nach zwei Jahren bleiben. Und das geschieht vor dem Hintergrund einer sich extrem ungünstig entwickelnden Demografie: In den nächsten zehn Jahren gehen rund 60.000 Lehrer in Pension. Das ist rund die Hälfte. Demgegenüber steigt die Zahl der schulpflichtigen Kinder bis 2030 deutlich: In den Volksschulen wird ein Zuwachs von fünf Prozent erwartet, bei den Zehn- bis 14-Jährigen sind es sogar sieben Prozent.
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Fehlendes Angebot
Um Lehrerin oder Lehrer zu werden, hat man zwei Möglichkeiten: die Pädagogischen Hochschulen und die Universitäten. Und insbesondere an den Unis klagen Studenten über die Unvereinbarkeit von Studium und Lehrertätigkeit. Denn anders als bei anderen Studien gibt es im Lehramt die Idee, dass Studenten schon als Lehrkräfte in den Schulen stehen und nebenbei ihre Ausbildung an den Unis absolvieren sollen.
Eine Idee, die in der Praxis nicht immer funktioniert: "An der Uni Wien ist das Lehramt nicht berufsbegleitend", sagt Studentin Karla, die ebenfalls nur anonym von ihren Erfahrungen berichten will.
Das bedeute, dass viele Kurse vormittags – also in der Unterrichtszeit – angesetzt sind. Abends wird das Angebot rar. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Studentinnen und Studenten ihre Lehrveranstaltungen an der Uni nicht nur mit den Schulstunden, sondern auch mit dem verpflichtenden Zweitfach abstimmen müssen. Eine Verlängerung der Studienzeit ist oft die Konsequenz.
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Die Universität Wien rechtfertigt sich so: Man versuche das Angebot so aufzusetzen, dass Studenten, die zugleich unterrichten, ausreichend Optionen für Lehrveranstaltungen haben. Das gelte aber vorrangig für den Master; im Bachelor stehe die Kombinationsmöglichkeit mit einer Tätigkeit an Schulen nicht im Mittelpunkt. Das fehlende Lehrangebot ist die eine Sache. Zu wenig Praxiserfahrung im Studium die andere.
Defizite bei Schulpraxis
"Die Praxis-Stunden an den Universitäten sind einfach zu wenige", sagt Christian Sitte, Lektor an der Universität Wien und an der Pädagogischen Hochschule. Und: Das vermittelte Fachwissen sei nur „bedingt“ auf die Fachdidaktik abgestimmt, die für den Unterricht essenziell sei. All das thematisiert bzw. kritisiert die Lehrergewerkschaft seit Langem.
"Die Ausbildungsinstitutionen nehmen einfach zu wenig Rücksicht auf die Studierenden", sagt Lehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger. Aufgrund von mangelnder Flexibilität an Universitäten würden viele junge Lehrkräfte ihr berufsbegleitendes Studium derzeit gar nicht erst abschließen. Ein großer Nachteil: denn nach fünf Jahren ohne Studienabschluss erfüllen die Studenten die Anstellungserfordernisse an Schulen nicht mehr. Die Probleme wurden dem Bildungsministerium mehrfach erläutert und eben dort deponiert. "Bisher", so Kimberger, "aber leider ohne Konsequenz."
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