Als Arbeitslosem stehen ihm nun 600 Euro weniger Nettoeinkommen im Monat zur Verfügung als zuvor. „Ich kann damit zwar meine Fixkosten decken, weil ich aber den Kredit auch zurückzahlen muss, entstehen jeden Monat neue Schulden“, erzählt er, und so wie er es sagt, merkt man, wie unangenehm es ihm ist.
Die Geschichte des Steirers ist eine, die viele Menschen in Österreich nach diesem Jahr so oder so ähnlich erzählen könnten. Das Coronavirus sorgte für die höchste Arbeitslosigkeit in der Geschichte der Zweiten Republik. Zwei Tage vor Weihnachten war fast eine halbe Million Menschen ohne Job.
Der Blick auf die Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) zeigt, dass einige Gebiete stärker betroffen sind als andere. Weit vorne in dem unerfreulichen Ranking liegt der Bezirk Bruck-Mürzzuschlag, in dem auch Manfred Weber lebt. Hier hat sich die Arbeitslosigkeit 2020 in manchen Monaten mehr als verdoppelt, im Jahresdurchschnitt (noch ohne Zahlen für Dezember) liegt das Plus bei fast 40 Prozent.
Warum ist das so? Laut AMS kommen im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag mehrere Faktoren zusammen. Zum einen leidet die hier großflächig ansässige Industrie an der verringerten Auftragslage. Das löst einen Schneeballeffekt aus, in weiterer Folge sind auch zuliefernde Klein- und Mittelbetriebe betroffen. Zum anderen gehört etwa mit Mariazell auch ein Gebiet zum Bezirk, das stark unter den Einbrüchen im Tourismus leidet.
Auffällig sei, dass sich vermehrt ältere Personen arbeitslos melden, heißt es von den zuständigen AMS-Geschäftsstellen. Gerade Menschen, die lange in den Unternehmen tätig waren, haben, wie Manfred Weber, oft hohe Abschlagszahlungen angeboten bekommen und daher einer einvernehmlichen Auflösung zugestimmt. Am Arbeitsmarkt sind sie aber schwieriger zu vermitteln. Viele würden nun die Zeit zwischen Jobverlust und Pensionsantritt beim AMS überbrücken müssen.
Je mehr Menschen in Kurzarbeit bzw. arbeitslos sind, also weniger Geld zur Verfügung haben, umso mehr schlägt sich das aber auch auf Handel und Gastronomie nieder.
Diese Dynamik musste auch der 26-jährige Jürgen bemerken. Nachdem der junge Mann aus Bruck an der Mur vormals besachwaltet werden musste, hat er mit viel Mühe dieses Jahr eine Lehre abgeschlossen und schließlich eine Stelle als Koch am regulären Arbeitsmarkt bekommen. Nach nur einem Monat war die Anstellung wieder Geschichte. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Jürgen. Immerhin hat er sich mit der Jobzusage auch eine eigene Wohnung gesucht und muss nun Miete zahlen.
Hilfe, um mit der Situation klar zu kommen, bekommt Jürgen vom Claudia Moharitsch. Sie ist Sozialarbeiterin und Geschäftsführerin des Vereins Lichtpunkt in Kapfenberg, der Menschen in herausfordernden Lebenssituationen bei der Einkommensverwaltung unterstützt. „Gerade wenn Arbeitsverlust da ist, ist die Einteilung der finanziellen Mittel sehr eng, weil schon vorher oft alles am Limit kalkuliert ist“, sagt Moharitsch. Wenn dann der Job weg ist, alle anderen finanziellen Verpflichtungen aber noch da sind, führe das oft zu Problemen, „finanziell, aber auch psychisch“, erklärt die Sozialarbeiterin. Coronabedingt verzeichne der Verein in diesem Jahr ein Plus von fast dreißig Prozent bei den Beratungen.
Dass die gesamte Region unter der gestiegenen Arbeitslosigkeit leidet, zeigt sich an der Einkaufslust der Bevölkerung. In Kindberg herrscht ein paar Tage vor Weihnachten zwar reges Treiben auf den Straßen. Das restliche Jahr über sei das aber mitunter anders gewesen, berichtet ein Passant. Nicht nur aus Angst vor dem Virus. Man habe auch gemerkt, dass viele nun besonders aufs Geld schauen müssen. „Weil wir ja auch nicht wissen, wie lange das noch so geht“, sagt er. Die große Befürchtung: Beim Fälligwerden der Steuerstundungen könnte sich die Situation noch einmal drastisch verschlechtern, bevor es wieder bergauf geht.
Dass es das in nicht allzuferner Zukunft dennoch tun wird, daran zweifelt zumindest einer überhaupt nicht: Der SPÖ-Bürgermeister von Kindberg, Christian Sander. Wenn eine Impfung gegen das Virus flächendeckend verfügbar sei, werde sich die Region nicht zuletzt wegen der besseren Anbindung an Wien durch den Semmeringbasistunnel wirtschaftlich erholen und besser dastehen als zuvor. Während mit der Impfung am Sonntag begonnen wurde, liegt letztere Hoffnung in weiterer Ferne. Die Fertigstellung des Tunnels ist erst für 2027 geplant.
(* Der Name wurde auf Wunsch des Betroffenen geändert.)
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