Die 10 Lehren aus der Kärntner Landtagswahl
Das Ergebnis der Kärnten-Wahl bestätigt mehrere Trends. Die SPÖ stürzt ab, obwohl die Teuerung soziale (SPÖ-)Themen in den Fokus rückt. Die Grünen können trotz Klimakrise nicht zulegen. Und die FPÖ? Die punktet auch wieder bei den Jungen.
Zehn wichtige Lehren aus der Landtagswahl.
1. Die SPÖ kann soziale Themen nicht besetzen
Heizen, Wohnen und Lebensmittel werden immer teurer. Eigentlich die Haus- und Hofthemen der SPÖ – doch weder bei den Wahlen in Tirol und Niederösterreich noch in Kärnten konnte sie das ausnutzen. Dazu kommen dauernde interne Debatten. Dass die SPÖ jetzt über die Bundesspitze diskutiere, sei strategisch falsch, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer: „Der ideale Zeitraum für einen Führungswechsel wäre vier bis sechs Monate vor der nächsten Nationalratswahl gewesen – mit Themenführerschaft, hoher medialer Aufmerksamkeit, ohne Blutvergießen und geringerer Gefahr, dass ein neuer Kopf an der Spitze sich wieder schnell abnutzt.“
2. Das Ergebnis spricht gegen Links-Mitte-Ampel
SPÖ und Grüne sprechen ähnliche Wählergruppen an. Ob 2017 im Bund, ob 2018 in Kärnten: als die Grünen implodierten, wanderten ihre Stimmen zur SPÖ. In Kärnten hat die SPÖ nun rund neun Prozent verloren – an Parteien eher rechts der Mitte. Fazit: Das passt zu den Entwicklungen im Bund, wo eine Links-Mitte-Ampel derzeit keine Mehrheit hat.
3. Die Angst vor dem Wolf bringt Stimmen
In Wien gerne verniedlicht, für die Kärntner Bauern eine Bedrohung ihrer Existenz: die Rückkehr des Wolfes. Zwei Rudel gibt es mittlerweile in Kärnten. Mehr als 400 Risse von Nutztieren brachte der vergangene Almsommer, weitere 400 Tiere gelten als verschollen. Die ÖVP, allen voran Landesrat Martin Gruber, nahm sich der Problematik an und brachte gegen viele Widerstände eine Wolfsverordnung für Kärnten auf den Weg, die den Abschuss erleichtern soll.
4. Die ÖVP profitiert von ihrem Spitzenkandidaten
Das wichtigste Wahlmotiv der ÖVP-Wähler war Kandidat Martin Gruber. Nicht nur Demoskopen, auch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) dürfte Gruber unterschätzt haben. Nehammer machte sich erst auf den Weg nach Kärnten, als klar war: Das Ergebnis wird erfreulich. Anderes Bild bei der SPÖ: Wichtigstes Wahlmotiv war zwar auch hier der Spitzenkandidat (Peter Kaiser) – die Partei profitierte aber nicht davon.
5. Die ÖVP hob mit dem Flughafen ab
Soll das Land Kärnten seinen Flughafen in Klagenfurt wieder entprivatisieren? Diese Frage hatte in der rot-schwarzen Koalition für Verstimmungen gesorgt. Eine Lösung um den kleinsten Verkehrsflughafen Österreichs gibt es nach wie vor nicht, aber die Causa sollte Martin Gruber Aufschwung geben. Ganz deutlich bewies Gruber gegenüber Kaiser Steherqualitäten – und ließ sich als Juniorpartner in der Regierung nicht unterkriegen. Dies schärfte sein Profil für viele Wähler deutlich.
6. Die FPÖ punktet vor allem bei Jungwählern
Bei Wählern zwischen 16 und 29 Jahren schneidet die FPÖ laut Sora besonders gut ab, kommt auf 32 Prozent. Das sei kein Kärnten-Spezifikum, sagt Bachmayer. „Umfragen zeigen: Die FPÖ hat auch österreichweit insbesondere die Jungen wieder gewonnen.“ Das war schon unter Jörg Haider und Heinz-Christian Strache so.
7. Wer Zukunftsängste hat, wählt eher FPÖ
Dass viele Junge FPÖ wählen, habe auch ökonomische Gründe, meint Politikberater Thomas Hofer. „Die alte Erzählung, dass es den Kindern und Kindeskindern einmal besser gehen soll als einem selbst, ist gerade für junge Zielgruppen nicht mehr wirklich glaubwürdig.“ Mangelnder Glaube an eine gute Zukunft: „Das wird den Regierungsparteien angelastet. Wir da unten gegen die da oben: Auf dieser Klaviatur spielt Herbert Kickl formidabel“, sagt Hofer.
Im Laufe der Pandemie sei die Zufriedenheit mit der Politik „in nie da gewesene Tiefen“ gerasselt, sagt Bachmayer. Hauptgrund: Konflikte zwischen den Parteien. „Auch die U-Ausschüsse, die teilweise geführt wurden wie ein Tribunal, haben das gesamte politische Spektrum beschädigt.“ Impfgegnerschaft, Zuwanderung, das zerstrittene Establishment: All das helfe der FPÖ.
8. Trotz Klimakrise: Grüne kommen nicht vom Fleck
Dass die Grünen den Wiedereinzug in den Landtag nicht geschafft haben, ist laut Hofer „erstaunlich“. Zwar hätten die Grünen tendenziell „in ländlich geprägteren Bereichen wie Kärnten oder dem Burgenland ihre größten Baustellen“. Aber: 2012 lagen die Grünen in Kärnten noch bei 12 Prozent. Sie konnten ihr Hauptthema – Klimaschutz – wie auch in Tirol und Niederösterreich nicht gewinnbringend inszenieren.
9. Pandemie und Teuerung überlagern Klimaschutz
Der Klimaschutz mobilisiert aktuell zu wenige Wähler. „In Umfragen sagen zwar 75 Prozent, dass sie Klimaschutz allgemein wichtig finden. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Thema die Menschen aktuell am meisten drückt“, analysiert Bachmayer. Die Klimakrise sei durch die Pandemie und die Teuerung in den Hintergrund gerückt. „Abseits der Aufregung über Bilder von Klimaklebern und Autostaus ist das kein Thema, das die Leute am Abend im Wohnzimmer diskutieren“, sagt Bachmayer. Das könnte sich wieder ändern. Die Klimakleber-Debatte zeigt: Herbert Kickl – teils auch die ÖVP – würden wieder verstärkt die Erzählung von der grünen „Verbotspartei“ bedienen, meint Hofer. Die Erzählung der politisch Korrekten, die alles verbieten wollen, sei ein internationaler Trend. „Im Umkehrschluss wäre auch für die Grünen bei dieser Polarisierung etwas zu holen“, sagt Hofer.
10. Kärnten eignet sich nicht für Umfragen
In den Umfragen, wie von Meinungsforscher Peter Hajek, lag die ÖVP deutlich hinter dem späteren Wahlergebnis. Fehler im Studiendesign habe er keine gefunden, so Hajek. Aber waren in Kärnten überhaupt seriöse Umfragen möglich?
OGM habe wegen „der ungenügenden methodischen Basis“ keine Kärnten-Umfragen durchgeführt, meint Bachmayer. Ein Panel von 5.000 bis 6.000 Personen sei für eine „einigermaßen repräsentative“ Stichprobe nötig. „Das hat in Kärnten aber niemand“, sagt Bachmayer.
Meinungsforscher Christoph Haselmayer nennt noch einen anderen Grund: In Kärnten gebe es keine wirkliche Umfrage-Tradition.
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