Gutachten: Falle bei Stopp für Todesstrafen-Referendum

Erdogans Referendum: Abstimmung fand in konsularischen Räumen statt
Deutsche und österreichische Politiker wollen eine allfällige türkische Abstimmung über die Todesstrafe auf ihrem Hoheitsgebiet untersagen. Laut dem Gutachten des Deutschen Bundestags wäre ein solches Referendum aber nicht ohne Weiteres zu verhindern.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan überlegt, über eine Wiedereinführung der Todesstrafe abstimmen zu lassen. In Österreich und Deutschland bildet sich bereits politischer Widerstand gegen das mögliche Ansinnen, auch den in Europa lebenden Türken erneut ein Referendum vorzulegen.

Außenminister Sebastian Kurz erklärte, Österreich "würde die Abhaltung in Österreich untersagen". Gedeckt sei das "durch das Völkerrecht, das einem Staat die Möglichkeit gibt, aufgrund seiner territorialen Souveränität die Durchführung eines ausländischen Referendums auf seinem Staatsgebiet zu untersagen." Bundeskanzler Christian Kern sagt, Österreich habe "alle rechtlichen Möglichkeiten" dazu.

Aber ist das wirklich so? Laut einem entsprechenden Gutachten in Deutschland ist so ein Verbot rechtlich möglich, aber die Einhaltung desselben kaum zu gewährleisten.

Auch in Deutschland kündigen Politiker an, alle rechtlichen Mittel ausschöpfen zu wollen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz argumentierte seine Haltung in Abstimmung mit Außenminister Sigmar Gabriel ( SPD) damit, es könne in Deutschland nicht über ein Instrument abgestimmt werden, das den Werten und der Verfassung des Landes widerspreche. Regierungssprecher Steffen Seibert (CDU) erklärte, die deutsche Bundesregierung würde das Todesstrafen-Referendum in Deutschland untersagen.

Gutachten: Falle bei Stopp für Todesstrafen-Referendum
APA18951996-2_20062014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0159 VOM 20.06.2014 - Außenminister Sebastian Kurz (l.) traf am Freitag, 20. Juni 2014, den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Wien. Am Donnerstag hatte Erdogan vor rund 13.500 Anhängern eine Rede angesichts der türkischen Präsidentenwahlen gehalten. FOTO: APA/DRAGAN TATIC

Deutsches Gutachten

Dabei stützt man sich auf ein Rechtsgutachten, welches besagt, dass Deutschland eine solche Abstimmung auf deutschem Boden unterbinden kann. Seibert: "Wenn ein anderer Staat hier in Deutschland in seinen Botschaften oder in seinen Konsulaten Wahlen oder Abstimmungen durchführen will, dann ist das genehmigungspflichtig."

Das vom Wissenschaftlichen Dienst des deutschen Bundestags erstellte Gutachten besagt tatsächlich, dass ein "grundsätzlicher Genehmigungsvorbehalt" bestehe, auch wenn die Abstimmung in konsularischen Räumen, also auf Botschaftsgelände, stattfänden. "Denn bei Gesandtschaftsräumen handelt es sich nicht um ein Territorium, das sich außerhalb des Staatsgebiets des Gastlandes befindet. Vielmehr ändert die diplomatische bzw. konsularische Nutzung eines Grundstücks nichts daran, dass es dem Hoheitsgebiet des Empfangsstaates zugeordnet bleibt."

Unverletzlichkeit diplomatischer Räumlichkeiten

Doch der Teufel, den die Politiker bisher in ihren Statements nicht erwähnten, steckt im folgenden Detail: "Würde in einer Auslandsvertretung ohne Zustimmung des Empfangsstaates eine Wahl durchgeführt, ließe sich diese indes nicht ohne Weiteres unterbinden", heißt es im deutschen Bundestags-Gutachten. Grund dafür ist das Prinzip der "Unverletzlichkeit diplomatischer oder konsularischer Räumlichkeiten".

Gutachten: Falle bei Stopp für Todesstrafen-Referendum
ABD0042_20170414 - ARCHIV - Ein Türke gibt am 09.04.2017 in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) in einem türkischen Wahllokal seine Stimme ab. Auch die Türken in Deutschland sind dazu aufgerufen, über die umstrittenen Verfassungspläne des türkischen Präsidenten Erdogan abzustimmen. Die Verfassungsreform würde dem Staatsoberhaupt in der Türkei deutlich mehr Macht verleihen. (zu dpa-Themenpaket "Verfassungsreferendum in der Türkei" vom 14.04.2017) Foto: Ina Fassbender/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Selbst wenn die Durchführung einer solchen Abstimmung einen Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) darstellen würde, das u.a. die Nutzung von Gesandtschaftsräumen für andere als diplomatische bzw. konsularische Zwecke grundsätzlich untersagt, rechtfertige dies eine Durchbrechung dieses Prinzips "wohl kaum". Die Gutachter zitieren hierbei Hannah Birkenkötter, wissenschaftliche Assistentin an der Berliner Humboldt Universität.

Kein Eintritt ohne Befugnis

Demnach dürfen die Räume eines Konsulats oder einer Botschaft nur mit Zustimmung der Missionschefs betreten werden. "Die Räumlichkeiten der Mission, ihre Einrichtung und die sonstigen darin befindlichen Gegenstände sowie die Beförderungsmittel der Mission genießen Immunität von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung", heißt es im WÜK. Das ist auch der Grund, warum beispielsweise Julian Assange noch nicht aus der ecuadorianischen Botschaft in London geholt wurde. Niemand darf ohne entsprechende Genehmigung hinein.

Eigenes Gutachten

Derzeit sind diese Fragen noch hypothetisch, denn noch gibt es keinen Beschluss des Referendums und somit auch keinen entsprechenden Antrag aus der Türkei. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder will dennoch ein Gutachten des Rechts- und Legislativdienstes des österreichischen Parlaments in Auftrag geben.

Die heutige Ankündigung der Regierung basiert auf einer Expertise des Völkerrechtsbüros im Außenamt. Umgesetzt würde dies nach einem Regierungsbeschluss im Ministerrat im Wege einer Verbalnote an die Türkei, in der der Gaststaat Österreich die Abhaltung des Referendums untersagt.

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