Deutsche sollen Österreichs Sommersaison retten

Deutsche sollen Österreichs Sommersaison retten
"Piefke-Saga" in Corona-Zeiten: Ministerin Köstinger will Grenzen für unseren Nachbarn öffnen, Gesundheitsministerium bremst.

"Erlaubt uns Österreich Sommerurlaub?" - so titelt die deutsche Bild-Zeitung heute Sonntag in ihrer Online-Ausgabe. Die Hoffnung unserer nördlichen Nachbarn ist nicht unbegründet.

Der Tourismussektor drängt massiv darauf, die Grenzen für deutsche Urlauber zu öffnen. Bleiben die Grenzen nämlich zu, „dann wäre der Fremdenverkehr tot“, sagte der Tourismusforscher Andreas Reiter der Kleinen Zeitung. Zwei Drittel der Tourismusbetriebe des Landes könnten das Ausbleiben der wichtigsten Gästegruppe, die mehr als die Hälfte der Umsätze bringe, nicht überleben.

Jeder 3. Gast aus Deutschland

Und die deutschen Urlauber zählen zur wichtigsten Gruppe der Gäste: Im Sommer des Vorjahres zählte man hierzulande 7,9 Millionen Ankünfte und insgesamt fast 30 Millionen Übernachtungen. Zum Vergleich: Die inländischen Nächtigungen betrugen "nur" 23,3 Millionen. Der Übernachtungsanteil deutscher Touristen betrug 37,4 Prozent - allerdings lag dieser Anteil 1991 noch bei knapp über 50 Prozent.

"Lockerung der Maßnahmen"

Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, die auch für Tourismus zuständig ist, reagiert darauf: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass es in diesem Jahr eine andere Art von Urlaub geben wird. Aber dadurch, dass wir die Ausbreitung des Coronavirus relativ gut im Griff haben und als Bundesregierung schon Lockerungen der Maßnahmen Schritt für Schritt in Aussicht stellen können, planen wir durchaus auch, dass es im Sommer Ferientourismus geben wird“, sagte Köstinger der Presse am Sonntag.

Bilaterale Einigung sei möglich

„Die Einschränkung der Reisefreiheit wird uns in den nächsten Monaten noch erhalten bleiben. Wenn Länder aber auch auf einem sehr guten und positiven Weg sind, wie beispielsweise Deutschland, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich bilateral einigt“, sagte Köstinger, ohne weitere Details zu nennen. Auch das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel und die Bildzeitung berichten über diesen Vorstoß.

Gesundheitsministerium will prüfen

Im Gesundheitsministerium zeigt man sich zurückhaltend: „Der Wunsch nach einer Möglichkeit für Tourismus ist nachvollziehbar, allerdings abhängig von der Entwicklung der Corona-Pandemie in Österreich und international“, sagte eine Sprecherin am Sonntag auf APA-Anfrage.
Das Gesundheitsministerium werde zu gegebener Zeit die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen prüfen, hieß es.

Berlin für EU-weite Abstimmung

Auch aus dem Nachbarland kommen seitens der Politik aber eher zurückhaltende Meldungen: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Urlaub in anderen Ländern im Sommer so leicht möglich ist, schätze ich aus gegenwärtiger Sicht eher als unwahrscheinlich ein", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bereits am Donnerstag. Derzeit gibt es nicht einmal innerhalb Deutschlands eine Reisefreiheit. Bis 3. Mai sind selbst überregionale Tagesausflüge zu unterlassen.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) fordert hinsichtlich der Sommersaison eine Europa-weite Abstimmung. Allerdings machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Bürgern wenig Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu einem kontrollfreien Reiseverkehr innerhalb Europas.

Derzeit Einreise nur mit Test

Derzeit lässt Österreich ausländische Staatsbürger nur mit einem negativen Coronavirus-Test ins Land, die Beherbergungsbetriebe sind behördlich geschlossen. Allerdings zimmern auch andere Länder bereits bilaterale Vereinbarungen für den Urlauberverkehr. So wird etwa eine Luftbrücke für tschechische Kroatien-Urlauber erwogen.

"Kein Stichtag"

Einen Termin für die Entscheidung über die Grenzöffnung wollte Köstinger nicht nennen. „Es gibt keinen Stichtag, es könnte ja zu weiteren Wellen der Infektion kommen. Und dann ist nicht auszuschließen, dass wieder weitreichende Maßnahmen getroffen werden müssen. Bis es Medikamente und einen Impfstoff gibt, werden wir uns auf massive Veränderungen einstellen müssen.“

Stufenweises Hochfahren

Einen Plan für das stufenweise Hochfahren von Gastronomie und Tourismus solle es bis Ende April geben, so Köstinger. Dabei werde es „natürlich Auflagen geben“ wie etwa Abstands- und Hygieneregeln. Das sei notwendig, „bis wir einen Impfstoff zur Verfügung haben, mit dem wir das Virus bekämpfen können“, hatte Köstinger vergangene Woche gesagt. „Wir sind dabei, das auszuarbeiten.“

Drei Viertel aus dem Ausland

Da noch nicht bekannt ist, wann wieder ausländische Touristen kommen, die bisher für 75 Prozent der Übernachtungen sorgten, sollen sommerurlaubswillige Österreicher wenigstens etwas Abhilfe schaffen. Köstinger hatte damals an die Österreicherinnen und Österreicher appelliert, einen Heimaturlaub anzudenken, sollten sie im Sommer wegfahren wollen.

Skepsis

Dass heuer Ferien in der Heimat vieles retten können, hält die Chefin der Österreich Werbung (ÖW), Petra Stolba, jedoch für unwahrscheinlich. „Man sieht schon, das geht sich nicht aus.“ Hinzu komme, dass auch etwa die Hälfte der Fachkräfte in der Branche aus dem Ausland stamme. „Das Hochfahren wird entsprechend schwierig.“

"Spürbare Einschnitte"

Ähnlich äußerte sich auch die Obfrau der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Petra Nocker-Schwarzenbacher. Unterm Strich erwartet sie für den Sommer für ganz Österreich „einen markanten Rückgang und spürbare Einschnitte“ für die gesamte Tourismus- und Freizeitwirtschaft.

Nächtigungsrückgang

Der Tourismus ist laut Stolba „ganz sicher eine der am heftigsten gebeutelten Branchen“. Die ersten Prognosen des Tourismusexperten Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), die einen Nächtigungsrückgang von 24 bis 31 Prozent in Aussicht stellen, halten Branchenkenner jedenfalls für recht „optimistisch“.

Ausblick auf den Winter

Bei der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), welche die Vier- und Fünfsternhotellerie vertritt, geht man von einem Umsatzrückgang von „im besten Fall 40 bis 60 Prozent“ aus. Das Geschäft für die heurige Sommersaison bricht größtenteils weg. „Das hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben“, sagte der ÖHV-Sprecher Martin Stanits. „Wenn jetzt die Umsätze in großem Stil für den Rest des Jahres ausfallen, kannst du im Winter auch keine gestundeten Kosten zurückzahlen“, befürchtet ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer.

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