Der Krisenplan des Außenministers für die Hofburg-Wahl

Sebastian Kurz, Archivbild
Diplomaten-Offensive beim ersten "Rechtspopulisten" an der Staatsspitze. Selbst-Rehabilitierung Österreichs, falls Van der Bellen siegt.

Das internationale Interesse an der österreichischen Bundespräsidentenwahl ist enorm. Rund 200 ausländische Journalisten waren am Sonntag in der Hofburg akkreditiert, internationale Medien haben Österreich in den vergangenen Tagen Cover-Storys gewidmet.

Österreich hat Testcharakter, da es als erstes "westeuropäisches" Land gilt, in dem ein Rechtspopulist an die Staatsspitze gewählt werden könnte (Dass in Polen und Ungarn Rechtspolitiker, die es mit der Verfassung nicht so genau nehmen, an die Macht kamen, wird dem Umstand zugeschrieben, dass es sich bei diesen Ländern um jüngere Demokratien handelt).

Rechtspopulisten an der Regierung gibt es inzwischen auch im "Westen", in Dänemark und in Finnland. Manche Politik-Analysten ziehen eine Linie vom Aufstieg des umstrittenen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump über die EU-Austrittsdebatte in Großbritannien bis zu Marine Le Pen, die 2017 für das französische Präsidentenamt kandidieren will.

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Im Bewusstsein, dass an diesem Wahlsonntag alle Augen auf Österreich gerichtet sein werden, hat Außenminister Sebastian Kurz umfangreiche Vorbereitungen für den Fall getroffen, dass Norbert Hofer gewählt wird.

Schritt 1: Das Außenamt analysierte und sondierte, mit welchen Reaktionen zu rechnen sei. Das Ergebnis: Mit Sanktionen wie sie die EU-Länder im Jahr 2000 gegen die schwarzblaue Bundesregierung verhängten, rechnet das Außenministerium nicht. Und anders als Bundespräsident Kurt Waldheim werde Hofer von den USA auch nicht auf die "Watchlist" gesetzt werden (gleichbedeutend mit einem Einreiseverbot). Allerdings stellte sich das Außenamt auf "heftige Kritik" ein, wobei man mit den schärfsten Angriffen aus Frankreich rechnet. Auch von Italiens Premier Matteo Renzi und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wurden "kritisch-traurige Reaktionen" erwartet.

Schritt 2: In den letzten beiden Wochen wurden Gegenreaktionen vorbereitet. Die Stabsstellen haben ein "Wording", also eine Sprachregelung, und eine Argumentationskette für Österreichs Diplomaten im Ausland entwickelt. Der Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit soll zurückgewiesen werden mit dem Hinweis, dass Österreich allein mehr Flüchtlinge aufgenommen hat als die USA und Kanada gemeinsam.

Bedenken, was ein Rechtspopulist an der Staatsspitze und als Oberbefehlshaber des Bundesheeres alles anrichten könne, soll mit Aufklärung über Österreichs Verfassungssystem begegnet werden: Österreich sei kein Präsidialsystem, der Präsident habe eher Repräsentativfunktion, etc.

Schritt 3: Schließlich plante Außenminister Kurz, sich selbst ins Getümmel werfen. Da trifft es sich gut, dass am Montag in Brüssel die Außenminister ohnehin zum Allgemeinen Rat zusammenkommen. Kurz will mit jedem europäischen Amtskollegen persönlich sprechen, und wenn nötig Frankreich extra einen Besuch abstatten.

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Sollte Alexander Van der Bellen doch noch Bundespräsident werden, ist keine diplomatische Image-Offensive für Österreich vonnöten. Uninteressant würde die österreichische Wahl deswegen nicht. Es gab in Europa noch kein direkt gewähltes Staatsoberhaupt aus einer Grün-Partei: Am Höhepunkt von Terrorangst und Flüchtlingskrise wäre das ein sensationelles Signal an die anderen Länder – und zwar eines, das Österreichs Image nach Waldheim und Jörg Haider korrigieren würde, ganz ohne Diplomaten-Offensive.

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