Der fabelhafte Martin Selmayr - ein politisches Atomkraftwerk
Von "Blutgeld" reden und damit Politiker in Österreich auf die Palme bringen - das ist genau das, was einer der höchsten Beamten der Europäischen Union tunlichst bleiben lassen sollte. Doch mit Martin Selmayr, seit vier Jahren Chef der EU-Vertretung in Wien, gehen manchmal die Pferde durch.
Diese Erfahrung hat schon die ganze EU-Kommission mit dem 52-jährigen Juristen gemacht – und das ist auch der Grund, warum der einstige Generalsekretär der mächtigen Behörde eine wahre Karrieredelle hinnehmen musste – und weit weg von der Zentrale nach Wien geschickt wurde. "Junckers Monster" lautete der Spitzname des gebürtigen Passauers.
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Denn für den Vorgänger von Ursula von der Leyen arbeitete der mit der scheinbar unerschöpflichen Energie eines Atomkraftwerkes ausgestattete Spitzenjurist stets bis spät in die Nacht. Was er von sich selbst verlangt, mutete er auch anderen zu.
Doch oft war das zu viel, sein Ton zu ruppig, der Druck zu hoch. Geschadet aber hat ihm vor allem seine Lust, in Europas Politik auf höchsten Ebenen mitzumischen, Macht zu demonstrieren - und das auch herzhaft zu genießen.
Der Strippenzieher
Als Strippenzieher von Jean-Claude Juncker stieß der Spitzenjurist auch so manchen EU-Kommissar vor den Kopf. Und wer sich mit dem selbstbewussten Selmayr auf ein Rededuell einlässt, muss schon im Vorhinein damit rechnen, zu verlieren. Seiner Erfahrung und Expertise, gepaart mit Schlagfertigkeit, ist schwer zu kontern. Wien sei seine eigene Wahl gewesen, sagt Martin Selmayr.
Und umtriebig, wie er eben ist, rührte er auch hierzulande die Trommel der Kommission, gab Hunderte Interviews, radelte mit EU-Auftrag durchs Land, diskutierte auf zahllosen Panels, warb unermüdlich für die Sache der EU.
Und: eckte auch in Österreich mehrmals mit der Politik an. Etwa mit Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der warf Selmayr sogleich "Überheblichkeit" vor. Überhaupt schätzte die ehemalige Kurz-Regierung öffentliche Richtigstellungen wenig. Und auch Kanzler Nehammer musste sich von Selmayr korrigieren lassen, dass die Sicherheit des Bargelds im EU-Recht längst gesichert sei.
So manch Beschwerde aus Wien kam deshalb schon früher dem Vernehmen nach direkt bei EU-Kommissionschefin von der Leyen an.
Dass Selmayr in Brüssel dieses Mal eine kräftige Kopfwäsche droht, steht angesichts der scharfen Kritik einer Kommissionssprecherin wohl fest. Selmayrs Aussagen seien „bedauerlich und unangemessen“.
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