Warum die Impfpflicht bei Volksschulkindern wackelt
Heute, Dienstag, geht’s los: Die Bundesregierung beginnt mit den Verhandlungen für die allgemeine Covid-19-Impfpflicht. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler haben neben Ethikern und Grundrechtsexperten auch SPÖ und Neos zu einem Runden Tisch eingeladen.
Der Zeitplan ist durchaus ehrgeizig: In der Woche vom 6. Dezember soll die Begutachtung beginnen, in Kraft tritt das Gesetz mit 1. Februar 2022.
Um zu wissen, innerhalb welcher grund- und verfassungsrechtlichen Grenzen man sich bei der umfassenden Impfpflicht bewegen darf, wurde im Kanzleramt eine Rechtsauskunft vorbereitet, die Teilnehmern des Runden Tisches vorliegt.
Privatleben
Das Papier stellt klar, dass eine Impfpflicht zwar einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens (Artikel 8 EMRK) darstellt. Dennoch sei die Maßnahme möglich, wenn sie dem Schutz der Gesundheit dient, wirkt und verhältnismäßig erscheint – was sich anhand wissenschaftlicher Daten und dem Verlauf der Pandemie argumentieren lässt.
Einer der heikelsten Punkte, wenn nicht überhaupt der schwierigste, ist die Frage, wie die Impfpflicht bei Kindern aussehen soll.
Grundsätzlich ist man sich einig, dass die Impfpflicht für alle gelten soll, für die es auch einen zugelassenen Impfstoff gibt.
Das stellt die türkis-grüne Bundesregierung aber bei Volksschulkindern vor eine politisch heikle Frage. Denn da die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA der Covid-Schutz-Impfung für Sechs- bis Zwölfjährige am Donnerstag eine Zulassung erteilt hat, wären auch Kinder in dieser Alterskohorte von der Impfpflicht erfasst.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält eine Impfpflicht für Kinder grundsätzlich zwar für zulässig. Dessen ungeachtet sind die Verhandler bei der Impfpflicht für unter Zwölfjährige aber tendenziell zurückhaltend.
Der Grund: Es besteht die ernste Sorge, dass Eltern die Pflichtimpfung von Volksschülern eher irritiert als überzeugt – immerhin sind die schweren Krankheitsverläufe in dieser Altersgruppe zahlenmäßig überschaubar.
Ein politischer Ausweg wäre, die Impfpflicht für die Sechs- bis Zwölfjährigen vorerst auszulassen.
„Gelinderes Mittel“
Wie? Die erwähnte Rechtsauskunft deutet eine Möglichkeit an. Denn bei der gesetzlichen Impfpflicht muss das Parlament darauf hinweisen, dass alle anderen „gelinderen Mittel“, um die Impfquote anzuheben, ausgeschöpft worden sind. Zu den gelinderen Mitteln zählen etwa Anreize fürs Impfen oder diverse Informationskampagnen.
Für die erwachsene Bevölkerung, die ja seit Monaten geimpft werden kann, greift dieses Argument nicht mehr: Es hat Informationskampagnen in diversen Medien gegeben – sie haben aber offensichtlich nicht ausreichend gefruchtet, daher kann die Impfpflicht nun eingeführt werden. Bei der Kinder-Impfung ist die Sache anders: Da diese offiziell erst am Donnerstag von der EMA zugelassen worden ist, könnte man argumentieren, dass es eine Informationsoffensive geben müsse, bevor die Impfpflicht für Unter-12-Jährige kommt.
Das Parlament würde damit auf Zeit spielen und könnte hoffen, dass die Impfquote demnächst so deutlich steigt, dass eine Pflichtimpfung für Volksschüler erst gar nicht nötig wird.
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