Coronavirus-Einreiseverordnung: "Das war schlechte Arbeit", sagt Anschober
Der Corona-Cluster in St. Wolfgang ist unter Kontrolle, wie die zuständigen Behörden in Oberösterreich sagen.
In St. Gilgen und Strobl (zwei Salzburger Anrainergemeinden am Wolfgangsee) werden zudem weitere Tourismuspraktikanten getestet.
"Neuinfektionen wieder dreistellig"
Mit "119 Neuinfektionen sind wir wieder dreistellig", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober heute bei einer Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage. Dem stehen 133 neu Genesene gegenüber. "Wir haben eine bemerkenswerte Situation. 89 Erkrankte halten sich im Spital auf, 15 davon in intensivmedizinischer Betreuung". Es gebe in Österreich derzeit wieder eine virologische "Grundaktivität", so Anschober. Wien habe 36, OÖ 30 Neuinfektionen, das Burgenland beispielsweise nur 3. Das Ziel sei das Erreichen einer Sinuskurve, also einem "immer wieder Abdämpfen" der Infektionszahlen.
Nach Pannen repariert Anschober Gesetze und baut das Ministerium um
"Die schwerste Pandemie seit 100 Jahren, das heißt auch seit einem halben Jahr Ausnahmezustand für das Ministerium", erklärte der zuständige Minister. "Es gibt fast nichts, was nicht über unser Haus läuft", erläutert Rudolf Anschober. Angesichts der "extrem schwierigen Ausgangssituation" hätten die Mitarbeiter Außergewöhnliches geleistet. In Zahlen ausgedrückt: "Über 100 Rechtsmittel" hätten die Mitarbeiter des Ministeriums geschaffen. Ein Gutteil davon hätte auch gehalten. "Bisher sind wir gut durch die Krise gekommen", so Anschober, der nicht leugnet, dass es vergangene Woche "einen Paukenschlag" gegeben hat.
Damit meinte er das Covid-Maßnahmengesetz und die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, konkret die Betretungsverbote, die rechtswidrig waren.
Rudolf Anschober über das VfGH-Urteil
"Die Einreiseverordnung" von vergangenem Freitag sei "schlechte Arbeit gewesen und Punkt", gab Rudolf Anschober zu. "Ich trage natürlich Verantwortung als Minister dafür, in einigen Bereichen werden wir uns neu aufstellen." Das Gesundheitsministerium werde sich neu aufstellen müssen, die juridische Expertise müsse aufgestockt werden. Insgesamt gehe er - so Anschober auf Nachfrage - von 5 bis 6 zusätzlichen Mitarbeitern aus. Künftig heißt das auch: "Es darf kein Rechtsmittel hinausgehen, das nicht vom Verfassungsdienst überprüft wurde."
"Holschuld des Gesundheitsministeriums"
Der "Fehler bei der Einreiseverordnung ist eine Holschuld seitens des Ministeriums gewesen", sagt Rudolf Anschober. "Das ist nicht die Schuld des Verfassungsdienstes, auch wenn es anders charmanter wäre."
Ein nachträglicher Erlass von Strafen werde derzeit zudem überprüft, wiewohl es sich um eine sehr heikle, juristische Materie handle. Fix sei: "Das Jahr 2021 wird das Jahr eines neuen Epidemiegesetzes für Österreich werden", sagt Anschober. Das aktuelle Gesetz stammt aus 1913.
"Eine Million Anrufe bei Hotline 1450"
In Österreich werde "so viel wie noch nie zuvor getestet. Alles, was wir jetzt nicht an Fallen entdecken, wird zu einem Problem im Herbst". Man dürfe nichts unter den Teppich kehren. Mehr als eine Million Anrufe seien bis dato bei der Hotline 1450 eingegangen. Anschober appellierte an die Tourismusbetriebe, die Mitarbeiter testen zu lassen. Zudem setze Österreich auf Screenings.
"Der riskanteste Bereich waren die Altenheime", so der Gesundheitsminister. Doch bei 485 Testungen sei es zu keinem einzigen, positiven Ergebnis gekommen. Dass es zu Altersverschiebungen von Infizierten - mehr jüngere Covid-Infizierte - komme sei in ganz Europa wahrzunehmen und kein Österreich-Spezifikum.
Danach gefragt, ob er der von der Lehrergewerkschaft vorgeschlagenen Maskenpflicht in der Schule etwas abgewinnen kann, sagt Anschober: "Im Sommer gibt es immer wieder schulpolitische Diskussionen, Heinz Faßmann arbeitet sehr professionell, wir arbeiten sehr eng mit ihm zusammen" und: "Ich halte es für professionell, nicht jetzt schon zu entscheiden, was im September sein soll." Derzeit gäbe es zu viele Unabwägbarkeiten.
Anschober „Entscheidung über Maskenpflicht in der Schule nicht im Juli“
Infektionsepidemiologin Daniela Schmid erläutert die Infektionszahlen in St. Wolfgang und den wahrscheinlichen Ort der Infektion. Zwei Nachtlokale. Ein einziger inländischer Gast in St. Wolfgang dürfte sich, so Schmid, auch ob eines Besuches ebendort infiziert haben.
In Oberösterreich sei nicht mit "zweierlei Maß gemessen worden", sagt der Gesundheitsminister auf Nachfrage, ob säumig oder überschießend reagiert wurde. Vor allem deshalb, weil in Oberösterreich Schulen geschlossen wurden - Hotels in St. Wolfgang aber derzeit nicht.
"Das gesamte Personal ist getestet und wird weiter getestet", so Schmid. Es gäbe natürlich immer ein Restrisiko, so Schmid. Doch die Zahl der Testungen, Handhygiene, Mund-Nasen-Schutz und die vorgezogene Sperrstunde seien ausreichend. Von wem aus die Infektion in St. Wolfgang gegangen sein könnte, das werde man wohl nie wissen. "Der Patient Null ist vielleicht die Fledermaus in Wuhan", schmettert Schmid die Idee ab, man könne in St. Wolfgang den Patient Null finden. "Wer das in die Region eingebracht hat, das wissen wir einfach nicht."
Preisunterschiede bei Tests
Screening-Tests kosten "weit unter 100 Euro", sagte Anschober auf Nachfrage. Die Screening- und Tourismusprogamme seien gratis. Gratistests für Urlaubsrückkehrer nach Österreich - wie in Deutschland derzeit diskutiert - seien derzeit nicht geplant. Warum bei Drittstaatsangehörigen anders bei der Einreise verfahren werde als bei Österreichern sei den Tests im Ausland geschuldet. Man könne nicht immer von international, einheitlich eingehaltenen Standards ausgehen.
Der wirtschaftlich derzeit insbesondere betroffene Nachtgastronomie, die weiterhin nicht aufsperren darf, sei versprochen, dass alle zwei Wochen evaluiert wird. "In einem Monat kann das alles ganz anders aussehen. Diese Gruppe ist unschuldig in eine schwierige Lage gekommen", weiß Anschober. Es gäbe intensive Gespräche mit Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, Vizekanzler Werner Kogler und allen zuständigen Ministern.
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