Corona-Krise: Der politische Schulterschluss bekommt erste Risse
Und wieder einmal liegt es am politischen Quartett: Der Kanzler, sein Stellvertreter, der Gesundheits- und der Innenminister, sie alle sollen heute, Montag, ab 11 Uhr (der KURIER wird live berichten) im Bundeskanzleramt auftreten und erklären, wie es weitergeht in dieser Krise.
Es ist der 15. Tag des Ausnahmezustandes, Sonntagabend beriet man im Kanzleramt, ließ sich von Experten die evaluierten Zahlen erklären, wobei eines schnell klar war: Eine Lockerung der harten Maßnahmen ist längst nicht geboten.
Stattdessen ist weiter der nationale Schulterschluss gefragt. Gut möglich, dass Kanzler Kurz diesen einmal mehr einfordert.
War der demonstrative innenpolitische Konsens anfangs fast selbstverständlich, wird der bedingungslose Zusammenhalt nun zunehmend in Zweifel gezogen.
Die Oppositionsparteien fühlen sich ignoriert und teils instrumentalisiert. „Die Regierung fordert einen Schulterschluss, stellt uns als Opposition aber oft vor vollendete Tatsachen“, moniert Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger im KURIER-Gespräch. Sie ist nicht die einzige.
Denn in den vergangenen Tagen haben sich einige Themen herauskristallisiert, bei denen sich die Oppositionsparteien schlecht bis gar nicht eingebunden fühlen. Oder bei denen sie der Regierung eine falsche Strategie attestieren. Der KURIER hat wichtige Streitthemen gesammelt:
Gesundheitspolitische Agenda
Grundsätzlich sind sich alle Parteien einig: Die Gesundheit der Bürger ist der wichtigste Faktor in der Corona-Krise. Bei der Strategie der Virus-Bekämpfung gibt es aber zunehmend Unzufriedenheit mit dem Regierungskurs – insbesondere in der SPÖ. Konkret kritisiert man etwa das „zögerliche Beschaffen von Beatmungsgeräten“.
SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher bringt ein Beispiel: „Bereits am 14. März hat SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner darauf hingewiesen, dass ausreichend Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen müssen. Zwölf Tage später, was in einer Krise eine Ewigkeit darstellt, sagt der Gesundheitsminister, man prüfe den Bedarf.“
Und schließlich sei im Spiegel zu lesen, dass Kanzler Kurz zwar bei einem Medizinproduktehersteller angerufen habe, um 1.000 Geräte zu bestellen – aber nun so spät dran war, dass er sich mit 50 Stück begnügen musste. Auch was die Corona-Testungen angeht, haben SPÖ und Neos starke Zweifel an der Strategie der Regierung.
Lücken bei der Wirtschaftshilfe
De facto alle Oppositionsparteien äußern geharnischte Kritik an der Art und Weise, wie die Bundesregierung die Wirtschaftshilfe organisiert hat. Für die FPÖ sind die Maßnahmen zu viel „klein-klein“, man agiere bei der Finanzhilfe nach „Gutsherren-Art“, anstatt eine Art ökonomische „Generalhaftung“ für die Unternehmen zu übernehmen, kritisiert etwa FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.
Die SPÖ erinnert daran, dass man schon am 20. März im Parlament vorgeschlagen habe, Prämien für die Corona-Belastungen steuer- bzw. abgabenfrei zu stellen. ÖVP und Grüne hätten das abgelehnt – nur um es vier Tage später selbst zu verkünden.
Die zentrale Kritik bei der Wirtschaftshilfe ist aber wohl die, dass die Hilfe nach wie vor zu bürokratisch und strikt gehandhabt werde.
So wird kritisiert, dass die Wirtschaftskammer für die Abwicklung der Härtefall-Fonds verantwortlich ist. „Die Finanzämter haben alle Daten. Warum Unternehmer gezwungen werden, sensible Unternehmensdaten der Wirtschaftskammer zu melden, ist unverständlich – und es erhöht die Bürokratie“, sagt Meinl-Reisinger.
Die Neos hätten mit Akonto-Zahlungen gearbeitet. „Man hätte auf Basis der bisherigen Wirtschaftsleistung Geld von der Finanz auszahlen lassen können. Die Vorauszahlung hätte man später gegenrechnen können.
Wenn also eine Pizzeria geschlossen hält, aber Pizza ausliefert, gibt’s eine Nachverrechnung.“ Stattdessen seien Unternehmer jetzt Bittsteller und selbst in der dritten Woche der Krise wüssten viele Banken nicht, wie die Finanzhilfe funktioniert. Finanzminister Blümel argumentiert für die WKO als Abwickler des Härtefall-Fonds, da die Finanzämter nicht alles stemmen könnten.
Streitpunkt „Big Data“
Auf keinen grünen Zweig kommen Regierung und Opposition beim Datenschutz. Während die SPÖ mehrfach darauf hingewiesen hat, dass eine Verwendung von großen Daten-Mengen zur Corona-Bekämpfung nur unter Einbeziehung von Verfassungsexperten und Datenschützern diskutiert werden sollte, vermissen die Neos grundsätzlich die Transparenz. Derzeit sei unklar, auf Basis welcher Zahlen und Fakten man sich für welche konkreten Schritte entscheide. Wobei: Vielleicht wird ja genau das heute klarer.
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