Causa Commerzialbank: Bankdirektor – eine Charakterfrage?
Eine allgemeine Finanzkrise, der Zusammenbruch eines großen Kunden oder auch eine grobe Fehlentscheidung: Vieles kann eine Bank in den Ruin treiben. Doch es sind nicht immer nur ökonomische Umstände. Durch die Bankskandale in der Zweiten Republik ziehen sich auch markante psychologische Merkmale: selbstherrliche Direktoren mit dem Führungsstil autoritärer Potentaten, oft auch getrieben von einem napoleonischen Drang, sich der Welt zu beweisen.
Der jüngste Fall der Commerzialbank Mattersburg passt ins Bild. „Größenwahn“ attestiert der Raiffeisenmann Rudolf Marhold dem gescheiterten Ex-Commerzialbankchef Martin Pucher. Pucher war in den 1990ern im Zorn von Raiffeisen geschieden, weil der Grüne Riese der Ansicht war, dass Pucher für eine kleine Bezirksbank viel zu hochfliegend agierte.
Marhold sieht sich nun bestätigt: Der Größenwahn habe im Verbrechen geendet.
Job mit "Macht und Prestige" verbunden
Eine ähnliche Konstellation markierte auch den Beginn des Hypo Alpe Adria-Dramas. Wolfgang Kulterer wäre gern Kärntner Raiffeisen-Bankchef geworden. Da er den Job nicht bekam, wollte er beweisen, dass sein Genie verkannt wurde, wird in der Branche erzählt. Kulterers Exerzierfeld war die Expansion auf dem Balkan. Binnen drei Jahren trieb Kulterer die Bilanzsumme der Hypo von 13 auf 31 Milliarden in die Höhe. Die Landeshaftungen stiegen um das Vierfache auf 25 Milliarden, das Zwölffache des damaligen Landesbudgets – bis zur Überdehnung.
„Der Job des Bankdirektors ist mit Macht verbunden. Auch mit Prestige. Und er ist profitabel“, sagt Klaus Grubelnik, Sprecher der Finanzmarktaufsicht. Das zieht eine bestimmte Kategorie von Personen an.
Diesbezüglich kann der frühere Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny mit Erlebnissen aufwarten, die sein Leben veränderten.
Commerzialbank - Martin Pucher
Bankgründer und hoher Fußballfunktionär. Lokalmatador fälschte die Bilanzen seiner Bank, die Pleite trägt Kunden teils bittere Verluste ein
Bawag -Helmut Elsner
Halsbrecherische Geschäfte trieben die Bawag in den Ruin, Elsner wurde wegen Untreue verurteilt, der ÖGB verlor seine Bank und sein Vermögen
Hypo Alpe Adria - Wolfgang Kulterer
Expandierte mit der Hypo auf den Balkan. 2006 flogen Swapgeschäfte und Bilanzfälschung auf, Kulterer wurde abgelöst, später verurteilt
Riegerbank - Wolfgang Rieger
Ex-Chef der Riegerbank, LASK-Präsident. Die Bank schlitterte 1998 in die Pleite, Rieger tauchte unter. Die Republik zahlte für Geschädigte
Bank Burgenland - Ernst Gassner
Der Ex-Chef der Bank Burgenland gefiel sich in der Pose zu wissen, wie man ein Land finanziert. Dann fiel er selbst auf einen Finanzjongleur herein
AWI - Peter Krauland
Der vormalige ÖVP-Minister gründete die Allgemeine Wirtschaftsbank AWI und ging 1974 pleite. Verurteilung wegen betrügerischer Krida
So hatte die längst untergegangene Länderbank einen Generaldirektor namens Franz Ockermüller, der seine Mitarbeiter zu demütigen pflegte, indem er ihnen Aufträge auf Altgriechisch erteilte, die sie ängstlich zu enträtseln hatten. Altgriechisch wäre für Nowotny, der sich damals um einen Job bei der Länderbank bewarb, kein Problem gewesen.
Aber dass Ockermüller einen Papierkorb mit Fußtritt kippte und ihn anherrschte, den Unrat einzusammeln, schockte Nowotny so sehr, dass er – zunächst – in die Wissenschaft flüchtete.
Als Nowotny Jahrzehnte später doch noch Bankdirektor wurde, trat er in der taumelnden Bawag das Erbe von Helmut Elsner an. Dort stieß er erneut auf die fatalen Folgen autoritären Führungsstils. Elsner sei ein „quasi allmächtiger Generaldirektor gewesen, der weder in der Bank noch von einem Aufsichtsrat adäquat kontrolliert wurde“, sagte Nowotny über die Ursache des Bawag-Desasters.
Flöttl duldete "keinen Widerspruch"
Auch Elsner-Vorgänger Walter Flöttl „duldete keinen Widerspruch und war unkontrollierbar“, erzählt Grubelnik. So kam es, dass es gegen die „blinde Vaterliebe des alten zum jungen Flöttl“ (Investmentbanker Wolfgang Flöttl) kein Korrektiv gab, und die Bawag halsbrecherische Geschäfte einging.
Schon bei der ersten großen Bankpleite der 2. Republik spielte eine schillernde Figur die Hauptrolle: Peter Krauland, ehemaliger ÖVP-Minister, hatte nach seiner Politik-Karriere die Allgemeine Wirtschaftsbank (AWI) gegründet. Krauland galt als ebenso brillant wie arrogant. Nach dem Krieg verteilte er als zuständiger Minister das Nazi-Vermögen auf die Parteien.
In seinem Umfeld gediehen Proporz, Filz und Korruption, 1954 wurde Krauland wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. 1974 musste seine Bank mit Sitz am Stephansplatz schließen. Mit 654 Millionen Schilling Passiva war es damals „der größte Bankenkrach der Zweiten Republik“, wie die Zeitungen schrieben. Krauland wurde wegen betrügerischer Krida verurteilt, musste aber wegen Haftuntauglichkeit nicht in Gefängnis.
Die Großmannsucht mancher Bankdirektoren ist das eine – aber was bewegt so viele Menschen, darauf hereinzufallen? So manch Bankdirektor fasziniert mit seinem Nimbus, sich in der Welt des großen Geldes auszukennen, in der Lage zu sein, für andere Cash zu checken. Grubelnik: „Ein Phänomen, das öfter auftaucht, ist der Hang, den Krösus zu spielen.“ Dankbare Abnehmer finden sich oft in der Politik oder, wie auch in Mattersburg, beim Fußball.
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