Der Tod des Christian Pilnacek: Wie die Mordtheorie zerbröselt

Christian Pilnaceks Leiche trieb im Oktober 2023 in der Donau
Am 20. Oktober ist es bereits zwei Jahre her, dass Christian Pilnacek im Morgengrauen tot in einem Seitenarm der Donau bei Rossatz, NÖ, im Wasser treibend gefunden wurde.
Seit dem Tod des ehemals mächtigen Justiz-Sektionschefs ranken sich viele Mythen rund um das Ableben des damals 60-Jährigen – angefeuert durch wilde Theorien des Ex-Nationalrates und Zackzack-Herausgebers Peter Pilz.
Politisch motiviertes Mordkomplott?
Der Autor befeuert in seinem Buch „Der Tod des Sektionschefs“ die Version, Pilnacek sei das Mordopfer eines politisch motivierten Komplotts. Demnach hätten Spitzenpolizisten als "ÖVP-Putztrupp“ Beweise unterdrückt. Die brisante Causa hat sogar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Folge. Die FPÖ ortet in dem Fall "politische Einflussnahme durch das Innen- und das Justizministerium sowie durch das Kanzleramt“.
Was bei all dem medialen Getöse aber offenbar ins Hintertreffen geraten ist, scheint die Faktenlage zu sein. Pilz stützt sich öffentlich wirksam darauf, dass die Mordthese von privat eingeholten Gutachten bzw. Stellungnahmen erfahrener Rechtsmediziner untermauert wird. Der Buchautor beruft sich in erster Linie auf den Berliner Mediziner Michael Tsokos.

Fußabdrücke von Christian Pilnacek wurden am Ufer der Donau gesichert
Todesursache Ertrinken
Dem KURIER liegen die Privatgutachten des Innsbrucker Gerichtsmediziners Stefano Longato, die Expertise von Tsokos sowie eine Stellungnahme des Unfallchirurgen Wolfgang Schaden vor.
Und keine dieser Expertisen kommt ganz klar zum Schluss, dass Pilnacek ermordet wurde. Die Mediziner haben weder die Leiche Pilnaceks noch Fotos der gerichtlich angeordneten Obduktion zu Gesicht bekommen. Ihre Expertisen beziehen sich lediglich auf das offizielle, von der Staatsanwaltschaft Krems in Auftrag gegebene gerichtsmedizinische Gutachten des Sachverständigen Christian Matzenauer.

Das Gutachten des Gerichtsmediziners Stefano Longato
Dieser kommt zum Schluss: "Zusammenfassend ist anhand der Ergebnisse der Obduktion und sämtlicher durchgeführter Zusatzuntersuchungen das Ableben des Christian Pilnacek auf Ertrinken zurückzuführen ... Eindeutige Hinweise auf eine Gewalteinwirkung durch fremde Hand ergaben sich nicht.“
Kein Ergebnis "in Ermangelung von Fotos"
Michael Tsokos stellt zwar eine Vielzahl von Mutmaßungen an, wonach Verletzungen an Pilnaceks Körper auch von einer Gewalttat herrühren könnten. „Grundsätzlich handelt es sich um ein solides Obduktionsprotokoll, in dem die relevanten Befunde nachvollziehbar und manierlich beschrieben sind“, so Tsokos zu Matzenauers Obduktionsbericht.
Der deutsche Gerichtsmediziner schließt seine Expertise damit: „Ursächlich können Unfall, Suizid oder Tötungsdelikt sein und eine Einschätzung ist, basierend auf den bisher dem Unterzeichner vorliegenden Unterlagen und in Ermangelung von Fotos, bisher nicht weiter möglich.“
Noch deutlicher wird Gerichtsmediziner Stefano Longato. Er schließt ein Tötungsdelikt explizit aus: "Auffällige Hinweise auf eine Gewalteinwirkung durch fremde Hand ergaben sich auf Grundlage des Obduktionsberichts nicht. Ein Unfallgeschehen erscheint aus gerichtsmedizinischer Sicht als wahrscheinlich. Die dokumentierten Verletzungen sind zwanglos mit einem oder mehreren Stürzen in Einklang zu bringen.“

Am Ufer wurde nur Pilnaceks Fußabdruck entdeckt
Unfall oder Suizid
Laut den Ermittlungsergebnissen des Landeskriminalamts NÖ, stieg der alkoholisierte Ex-Sektionschef in der Nacht über eine Böschung zum Donauseitenarm. Schlammspuren auf der Hose des Toten und Verletzungen an der Schläfe sowie an Armen und Beinen deuten laut Gutachten auf ein Sturzgeschehen über schroffe Steine hin.
Was weiters gegen die Mordtheorie spricht: Am morastigen Ufer wurden lediglich Abdrücke von Pilnaceks Sportschuhen gesichert, von niemand sonst. Eine auf einem Stein am Ufer fein säuberlich abgelegte Zigarettenpackung Camel – von Pilnacek vorzugsweise geraucht – deuten die Ermittler als Indiz, dass der 60-Jährige noch eine Zigarette geraucht hat.
Ob er seinem Leben danach freiwillig ein Ende setzte, oder unglücklich im Rausch stürzte und benommen ertrank, ist nicht restlos geklärt.
Für einen Bericht von Servus TV wurden alle Ergebnisse der Obduktion samt Fotos des Leichnams dem Leiter des rechtsmedizinischen Instituts in Duisburg, Peter Gabriel, vorgelegt. "Herr Pilnacek ist durch Ertrinken zu Tode gekommen. Es gibt keine Hinweise auf Gewalt von außen“, kommt er nach Sichtung aller Befunde zum Schluss.
Die Verletzungen am Körper von Christian Pilnacek führt Gabriel auf einen Sturz am Ufer bzw. ins Wasser zurück. "Das sind allesamt Bagatellverletzungen. Keine Verletzung, die da vorgelegen hat, ist geeignet den Tod zu erklären. Die Verletzungen sind auch nicht einmal geeignet, Bewusstlosigkeit zu erklären.“ Die vorliegenden Befunde seien eindeutig: Der Ex-Sektionschef sei ertrunken, meint Gabriel.
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