38 Beschuldigte: Was beim Casag-Komplex noch offen ist

Wir sind im siebenten Jahr der Ermittlungen im sogenannten Casag- oder Ibiza-Komplex. Viele Stränge rund um mutmaßliche Korruptionsdelikte während der türkis-blauen Regierungszeit (2017 bis 2019) wurden schon eingestellt, einige angeklagt – und wenige verurteilt.
Erst kürzlich wurde ein erstinstanzlicher Schuldspruch gekippt: Sebastian Kurz wurde vom Oberlandesgericht vom Vorwurf der Falschaussage freigesprochen. Und nutzte die Gelegenheit, um – für seine Verhältnisse noch milde – Kritik an der Ermittlungsbehörde zu äußern. Ohne die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) namentlich zu nennen, erklärte er, dass Strafverfahren mit „übertriebenem Aufwand“ geführt würden, ohne dass etwas dabei herausgekommen sei.
Der KURIER hat sich bei der WKStA einen Überblick verschafft.
Noch 38 Beschuldigte
Das Ermittlerteam bei der Behörde besteht aus sieben Oberstaatsanwälten, drei Wirtschaftsexperten und einem Teamleiter, die in sechs offenen Verfahrenssträngen gegen insgesamt 38 Beschuldigte ermitteln, wobei sich manche überschneiden.
Der Aufwand, der betrieben wurde und wird, ist tatsächlich enorm: Seit Mai 2019 wurden an rund 90 Standorten Beweismittel sichergestellt, darunter 420 elektronische wie etwa Handys und Laptops. 330 Berichte hat die WKStA in dieser Zeit an ihre Oberbehörden geschickt, das entspricht auf die bisherige Dauer umgerechnet ca. einem Bericht pro Woche. Hinzu kommen 172 Rechtsmittel – quasi Beschwerden von Verteidigern gegen die Maßnahmen. Bei 133 wurde im Sinne der WKStA entschieden. Zehn Rechtsmitteln wurde teilweise Folge gegeben, vier gänzlich.
Was laut einem WKStA-Sprecher nicht nur zeige, dass der Verfahrenskomplex nahezu „hochfrequent“ geprüft werde, sondern auch, dass Gerichte regelmäßig die Verdachtslage bejaht hätten. Bei der Frage, wann der Casag-Verfahrenskomplex abgeschlossen sein wird, sei keine seriöse Einschätzung möglich.
Ein Überblick über Ermittlungen, Anklagen und Urteile:
Ermittlungen
- Beinschab-Causa: Die Meinungsforscherinnen Sabine Beinschab und Sophie Karmasin sollen frisierte Umfragen zugunsten der ÖVP bei Österreich platziert haben. Die Kosten sollen in Studien versteckt worden sein, die das Finanzministerium – damals mit Thomas Schmid als Generalsekretär – bezahlt hat. Zudem soll das Blatt mit Inseraten verwöhnt worden sein, damit dieses positiv über den damaligen ÖVP-Chef Sebastian Kurz berichtet. Beinschab wurde Kronzeugin.
Die Ermittlungen gegen zwölf Beschuldigte, die im Oktober 2021 gestartet sind, verlaufen schleppend. Österreich hat sich bei den sichergestellten Daten auf das Redaktionsgeheimnis berufen, weshalb diese in aufwendigen Verfahren bei Gericht gesichtet werden mussten. Aktuell warte man auf die letzte Tranche und arbeite bisherige Ergebnisse ab, heißt es bei der WKStA. Ein Ende sei nicht in Sicht – „zumindest liegen uns aber bald alle nötigen Datensätze vor“.
- Dichand-Causa: Im Zuge seines Kronzeugen-Geständnisses im Sommer 2022 belastete Schmid auch Eva Dichand, Heute-Herausgeberin, und Christoph Dichand, Krone-Chef. Auch die beiden Medien sollen mit Inseraten gefüttert worden sein, um positiv über die ÖVP und Kurz zu berichten. Zudem soll Eva Dichand bei Schmid wegen einer Änderung des Stiftungsrechts interveniert haben. Hier ist die Sichtung der Daten, die im März 2023 sichergestellt wurden, noch im vollen Gange.
- Steuerinterventionen: Ebenfalls im Kronzeugen-Geständnis gab Schmid zu Protokoll, dass René Benko (der wegen Vorwürfen rund um die Signa-Pleite in U-Haft ist) ihm einen Job bei der Signa in Aussicht gestellt haben soll, wenn er ihm bei einem Steuerverfahren hilft.
Auch Manager Siegfried Wolf soll bei Schmid interveniert und so seine Steuerschuld um mehrere Millionen Euro gedrückt haben. Schmid belastete hierbei auch Ex-Finanzminister Hans-Jörg Schelling schwer.
- FPÖ-Inseratencausa: Vor rund einem Jahr wurde bekannt, dass Heinz-Christian Strache als FPÖ-Vizekanzler der Mediengruppe Österreich mit einem Inseratenstopp aller blauen Ministerien gedroht haben soll. Herausgeber Wolfgang Fellner soll ihm dann „entgegengekommen“ sein. Der WKStA war der Verdacht zu vage, nach einer Weisung der Oberbehörde muss sie aber gegen acht Beschuldigte ermitteln. Damit im Zusammenhang steht ein anderer Vorwurf gegen den jetzigen FPÖ-Chef Herbert Kickl: Er wird beschuldigt, im April 2024 im U-Ausschuss falsch ausgesagt zu haben.
- Casinos-Causa: In der Ursprungscausa rund um eine Postenbesetzung bei der Casinos Austria AG (Casag) ist bis auf einen Aspekt alles eingestellt worden: Ermittelt wird nach einer Weisung der Oberbehörde nur noch gegen Strache und zwei Ex-Novomatic-Manager wegen Vorteilsannahme bzw. -zuwendung („Anfütterung“). Mit einer Erledigung wird demnächst gerechnet.

Anklagen
- Ronny Pecik: Dem Investor wird vorgeworfen, Schmid in dessen Zeit als Finanz-Generalsekretär bestochen zu haben, indem er ihm Maßanzüge bezahlt und Luxus-Autos geliehen hat. Der Prozess – inklusive Schmids Premiere als Kronzeuge – hätte am
Anfang Mai starten sollen, wurde krankheitsbedingt aber verschoben.
- August Wöginger: Der ÖVP-Klubchef wurde wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch angeklagt, und mit ihm zwei Beamte aus dem Finanzministerium, wovon einer kürzlich suspendiert wurde. Auch in dieser Causa ist Schmid Hauptbelastungszeuge: Er gab bei der WKStA an, dass Wöginger ihm gegenüber „klar zum Ausdruck“ gebracht haben soll, dass er sich einen Parteifreund als neuen Vorstand eines Finanzamts im Innviertel wünsche, obwohl eine andere Bewerberin besser geeignet gewesen wäre. Die drei Angeklagten stehen demnächst in Linz vor Gericht.

Urteile
- Heinz-Christian Strache: Der Ex-Vizekanzler wurde in den Causen Prikraf und Asfinag rund um Spenden an die FPÖ freigesprochen, ebenso der jeweils Mitbeschuldigte.
- Sebastian Kurz: Der Ex-Kanzler wurde im Februar 2024 wegen Falschaussage im U-Ausschuss rund um die Staatsholding ÖBAG verurteilt, heuer im Mai dann aber in zweiter Instanz freigesprochen.
- Bernhard Bonelli: Bei Kurz’ Ex-Kabinettschef wurde der Schuldspruch wegen Falschaussage bestätigt: sechs Monate bedingte Haft. Auch eine ÖBAG-Mitarbeiterin wurde übrigens wegen Falschaussage verurteilt.
- Sophie Karmasin: Die Ex-ÖVP-Familienministerin wurde Mai 2023 wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen verurteilt, die Strafe in zweiter Instanz dann auf zehn Monate bedingte Haft reduziert.
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