Kurz-Prozess: Ein „Ja“ brachte dem Ex-Kanzler den Freispruch

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Nach einem Schuldspruch in erster Instanz sprach das Oberlandesgericht den Ex-Kanzler vom Vorwurf der falschen Beweisaussage frei. Die Verurteilung von Kurz-Intimus Bernhard Bonelli wurde bestätigt.

Als der vorsitzende Richter Werner Röggla im Oberlandesgericht Wien Montagvormittag den Freispruch von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verkündet, ist es mucksmäuschenstill. „Der Schuldspruch ist aufgehoben“, sagt Röggla. Einzig das hektische Tippen der Journalisten ist zu hören, die diese Nachricht möglichst schnell veröffentlichen wollen. Als wenig später der Schuldspruch seines ehemaligen Kabinettschefs Bernhard Bonelli bestätigt wird, verfinstern sich die Mienen der beiden Angeklagten.

Minuten später wartet eine Schar von Kamerateams und Fotografen am Ausgang des Verhandlungssaales. Sie müssen länger warten. Kurz, Bonelli, ihre Anwälte und Berater haben sich im Saal zurückgezogen, besprechen sich. Kurz greift zwei Mal zum Telefon. Erst nach mehreren Aufforderungen, den Saal zu verlassen, tritt er vor die Medien.

IBIZA-U-AUSSCHUSS: Anwalt Werner SUPPAN / Sebastian KURZ

Alles begann mit dem U-Ausschuss 2020

„Ich war jahrelang mit Vorwürfen konfrontiert. Jetzt ist das alles in sich zusammengebrochen“, betont er. Er wolle in den kommenden Tagen noch ausführlicher dazu Stellung nehmen, „aber jetzt fahre ich heim zu meiner Familie“. Kurz wurde vor Kurzem zum zweiten Mal Vater. Den rechtskräftigen Schuldspruch seines engen Vertrauten Bonelli kann er nicht nachvollziehen.

Fünf Jahre zurück

Fast fünf Jahre ist es her, als Kurz, damals Kanzler, und Ex-Kabinettschef Bonelli dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen mussten. Und genau hier fielen jene Worte, die den beiden später eine Anklage wegen falscher Beweisaussage einbrachten. Gleich 30 Zeugen befragte die WKStA dazu im Vorfeld, führte ein aufwendiges Ermittlungsverfahren.

Im Prozess wurde Kurz befragt, ob er – sinngemäß – das letzte Wort bei der Besetzung von Aufsichtsräten hatte. Da, so urteilte das Erstgericht, habe er seine Rolle heruntergespielt. In zwei weiteren Anklagepunkten wurde er freigesprochen. In erster Instanz wurde Kurz zu acht Monaten bedingter Haft, Bonelli zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt. Beide beriefen gegen das Urteil – und so traf man sich im Justizpalast wieder.

Hier sieht der Dreiersenat im Oberlandesgericht die Sache anders und zitiert eine Passage aus dem U-Ausschuss. Damals fragte Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper: „Haben Sie allgemein Wahrnehmung zur Frage, wie der Aufsichtsrat besetzt wurde? Waren Sie da selbst eingebunden?“ Die protokollierte Antwort von Kurz: „Ja“, er wisse, „dass es da im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee Überlegungen und Gespräche gab“. Eine tiefer gehende Befragung fiel der abgelaufenen Fragezeit der Abgeordneten Krisper zum Opfer. Der damalige Vorsitzende des U-Ausschusses, Wolfgang Sobotka, beendete die Befragung abrupt: „Die Zeit ist aus – zweite Runde.“

Kurz-Prozess: Ein „Ja“ brachte dem Ex-Kanzler den Freispruch

Im ersten Rechtsgang war auch Bettina Glatz-Kremsner angeklagt 

„Ich hätte mich damals besser vorbereiten können, das war ein Fehler“, gesteht Kurz am Montag ein, betont aber: „Ich habe versucht, die Fragen bestmöglich zu beantworten.“ Doch sein „Ja“ reicht dem OLG, um einen Freispruch zu verkünden.

Anders die Lage bei Bonelli, der in seinen abschließenden Worten den heiligen Augustinus zitiert (siehe Infobox). Er war im U-Ausschuss dazu befragt worden, ob er gewusst habe, dass Kurz einen Wunschkandidaten, nämlich den Unternehmer Siegfried Wolf, für den Aufsichtsratschef der ÖBAG hatte. „Das weiß ich nicht“, antwortete Bonelli.

Zentrales Thema Wolf

Doch es gibt belastende Aussagen und Chats – darin gibt Bonelli zu bedenken, dass es US-Sanktionen geben könnte, sollte Wolf, dem eine Russland-Nähe vorgeworfen wurde, den Posten bekommen. „Das war ein zentrales Thema, das man nicht so leicht aus dem Gedächtnis verliert“, ist Richter Röggla überzeugt. Die Strafhöhe von sechs Monaten bedingt habe das Erstgericht mit Augenmaß gewählt. Eine unbedingte Geldstrafe, wie von der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) ins Spiel gebracht, komme hier nicht infrage.

Im Fokus der Justiz steht Kurz trotz des Freispruchs. Gegen den Ex-Kanzler laufen noch Ermittlungen in der ÖVP-Inseratenaffäre (Stichwort: Beinschab-Tool).

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