BVT-Affäre: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Wien
Eine Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung erschüttert die Innenpolitik. Die Ermittlungen rücken nicht nur die beschuldigten Top-Beamten ins Zwielicht.

Warum sprechen gerade alle über das BVT?

Ende Februar fanden Hausdurchsuchungen im BVT in Wien statt – naturgemäß ein brisanter Ort für eine solche Durchsuchung. Auch in Privatwohnungen von Mitarbeitern des BVT gab es Durchsuchungen.

Was ist das BVT?

Das “ Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung” soll unter anderem Terrorismus, Extremismus und Spionage bekämpfen. Das BVT ging 2002 aus der Staatspolizei hervor. Es ist im Innenministerium angesiedelt, das seit 2002 stets in ÖVP-Hand war und nun FPÖ-geführt ist. Es ist dort der Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit zugeordnet und eine Polizeidienststelle, kein klassischer Geheimdienst.

Wer hat die Razzia durchgeführt?

Die Hausdurchsuchung wurde von Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geleitet. Die Polizeieinheit, welche die Aktion unterstützte, war die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), die von einem FPÖ-Funktionär geleitet wird.

Warum diese Truppe?

Nur so habe man sicher sein können, dass im BVT keiner von der bevorstehenden Razzia erfuhr, heißt es aus dem Justizministerium. Weil die FPÖ gegen das im Innenministerium angesiedelte BVT eine Intrige spinne, vermutet hingegen die Opposition.

Was wurde (nicht) beschlagnahmt?

Gestritten wird vor allem über angebliche Nazi-Ermittlungsdateien. Der FPÖ-nahe Generalsekretär Peter Goldgruber bestreitet vehement, dass er sich über die Hausdurchsuchung Zugang zum Ermittlungsstand gegen Rechtsextreme verschaffen wollte.

BVT-Affäre: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) 

Der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, dementierte zuerst am Freitag, dass die Festplatte der BVT-Referatsleiterin für Extremismus, Sibylle G., beschlagnahmt oder auch nur kopiert worden sei. Dies kursiert aber nach wie vor in Medienberichten. Im profil ist etwa die Rede von Mobiltelefonen, USB-Sticks, Daten-CDs, DVDs, 397 Seiten Schriftverkehr und einem PC, der von G. mitgenommen worden sei.

Gesicherter Stand vom Montag: Die WKStA hat auch Ermittlungsergebnisse des BVT über Rechtsextreme beschlagnahmt, die aber in einem gesicherten Datenraum der Staatsanwaltschaft liegen.

Wie begründet die WKStA die Hausdurchsuchung?

Bei den Ermittlungen geht es um den Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen leitende BVT-Beamte. Sie sollen unter anderem Ermittlungsdaten nicht gelöscht und nachträglich aufbewahrt haben. Ein Ziel der Ermittlungen sollen drei nordkoreanische Passrohlinge sein, die von der Staatsdruckerei in Wien über einen Tresor im BVT ihren Weg zum südkoreanischen Geheimdienst fanden. Nicht nur Rechtsanwalt Johannes Neumayer, der einen BVT-Mann vertritt; hegt Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Großdurchsuchung durch die WKStA.

Wie geht es in den nächsten Tagen weiter?

Justizminister Josef Moser (ÖVP) hat zu den Hausdurchsuchungen einen Bericht der WKStA angeordnet und diesen für Anfang dieser Woche versprochen. Die Staatsanwaltschaft soll in ihrem Bericht nach allen Richtungen darstellen, warum Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden und ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingehalten worden ist.

Unterdessen erhöht die Opposition im Nationalrat den Druck auf Innen- und Justizministerium. Die SPÖ hat eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen. Diese wird am 19. und 20. März stattfinden, also Montag und Dienstag kommender Woche. Sollte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) dort weiter Antworten schuldig bleiben, droht SPÖ-Chef Christian Kern mit einem Untersuchungsausschuss. Auch Neos und Liste Pilz sehen bisher mehr offene Fragen als Antworten.

Warum wurde dir Razzia zum Politikum?

Kritiker sehen eine sehr schiefe Optik: Laut Medienberichten vom Donnerstag wurde bei der Razzia auch eine Festplatte mit Ermittlungsdaten zur Rechtsextremismus-Szene in Österreich sichergestellt. Was mit dem offiziellen Grund der Razzia nichts zu tun hätte, jedoch vom Justizministerium dementiert wird. Allerdings: Justizministeriums-Generalsekretär Pilnacek widersprach zwar Berichten einer sichergestellten Festplatte, konnte aber nicht ausschließen, dass sich die Daten in "privaten Unterlagen" der Extremismus-Beauftragten G. fänden.

Dass die EGS unter Leitung des FPÖ-Gewerkschafters Wolfgang Preiszler zum Einsatz kam, bestärkt die Kritiker. Die Parlamentsparteien SPÖ, Neos und Liste Pilz sind alarmiert, selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich "irritiert".

Was bedeuten die Hausdursuchungen für das BVT?

Das Image ist jedenfalls nun angekratzt. Falls Innenminister Herbert Kickl das Ansinnen hatte, damit einen Umbau zu beschleunigen, dann hat er das geschafft. Die Zukunft des BVT ist ungewiss.

Wird das BVT "umgefärbt" werden?

Für die Opposition ist klar: Die Razzia ist im Zusammenhang mit einer Umfärbeaktion im schon länger umstrittenen BVT zu sehen. Am Freitag stellte Minister Kickl jedenfalls den ÖVP-nahen BVT-Chef Peter Gridling öffentlich infrage, dessen Bestellung laut einer Falter-Recherche eigentlich bereits vom Bundespräsidenten unterzeichnet aber vom blauen Innenministerium zurückgehalten wurde. Gridling hatte sich davor in Urlaub begeben. Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vermutete gar einen “Staat im Staat”. Betroffene ÖVP-nahe Beamte im Innenministerium bezichtigen die FPÖ gegenüber dem KURIER, mit "brachialer und brutaler Gewalt wie beim Häuserkampf in Bagdad" gegen sie vorzugehen.

Peter Gridling: Er ist der bisherige Leiter des BVT und gilt als ÖVP-nah. Sein Vertrag läuft demnächst zwar aus, wäre aber verlängert worden. Da es für eine Nicht-Verlängerung dienstrechtlich bereits zu spät war, reichte das Innenministerium die Bestellung schon im Jänner an Bundespräsident Alexander Van der Bellen weiter. Dieser unterzeichnete sie im Februar. Das Innenministerium verweigerte aber die Aushändigung der Urkunde mit dem Verweis auf das laufende Verfahren. Das hatte brisanterweise allerdings Generalsekretär Peter Goldgruber erst kurz davor in die Wege geleitet. Auch gegen Gridling wird in der Causa rund um den angeblichen Amtsmissbrauch ermittelt. Seit Anfang März weilt er im Urlaub.

BVT-Affäre: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Peter Gridling, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)

Wolfgang Z.: Er war der bisherige Stellvertreter von Gridling im BVT. Auch er wird in den WKStA-Ermittlungen als Beschuldigter geführt.

Christian Pilnacek: Der einflussreiche Spitzenbeamte und Generalsekretär im Justizministerium hat sich laut Addendum im November mit Z. und Michael Kloibmüller, der bis vor Kurzem Präsidialchef im Innenministerium war, getroffen. Er bestreitet, dass dort eine Absprache bezüglich der BVT-Ermittlungen stattgefunden habe. Pilnacek war damals einer der Sektionschefs im Justizministerium.

Wolfgang Preiszler: Er ist der Chef Polizeitruppe EGS, welche die Razzia im BVT durchgeführt hat. Der FPÖ-Politiker sitzt mit dem ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Christian Höbart im Gemeinderat von Guntramsdorf, dessen einstiger Mitarbeiter laut Standard mit einer Rechtsextremen Kontakte pflegte, die angeblich in den bei Sybille G. sichergestellten Daten vorkommt. Er gilt außerdem als Vertrauter des Innenministeriums-Generalsekretärs Peter Goldgruber.

Sybille G.: Sie ist die Leiterin der Extremismus-Referats im BVT. Die SPÖ-nahe Beamtin wird nicht als Beschuldigte, sondern als Zeugin bei der WKStA-Ermittlung geführt. Dennoch sollen Daten und Geräte von ihr sichergestellt worden sein, angeblich wegen ihrer privaten Kontakte zu Kloibmüller und Z.

Kommentare