Buwog-Serie Teil 2: Grassers Vertraute als Belastungszeugen

Buwog-Serie Teil 2: Grassers Vertraute als Belastungszeugen
BUWOG-Serie, Teil 2: Wie aus glühenden Anhängern des schwarz-blauen Jungstars erbitterte Gegner wurden.

Ein akribischer Finanzbeamter, der sich im größten Korruptionsfall der Zweiten Republik wiederfindet; ein Rechtsanwalt, der vom Verteidiger zum möglichen Mittäter wird; oder der verblendete Vertraute eines Ministers, der sich gegen seinen früheren Chef stellt und "singt": Die BUWOG-Anklage bietet Angeklagte und Zeugen eines großen Dramas.

Im zweiten Teil der BUWOG-Serie beleuchtet der KURIER die Rolle dreier Menschen, die die Korruptionsfahnder in der BUWOG-Anklage als Schlüsselfiguren betrachten.

Für den Rechtsanwalt von Karl-Heinz Grasser, Manfred Ainedter, ist derweil klar, dass er die Anklage beeinspruchen wird und notfalls sogar den Verfassungsgerichtshof einschaltet. Ainedters Argument: "Es ist unzumutbar, gegen eine Anklage mit 825 Seiten in 14 Tagen einen seriösen, qualifizierten Einspruch zu erheben."

Heinrich Traumüller: Die missbrauchte rechte Hand?

Grassers Ex-Kabinettschef brach zusammen

Als ihn die Polizei an jenem Abend am Heldenplatz aufgreift, wirkt der Mann orientierungslos, verloren. Er ist durch die Innenstadt geirrt, seine Welt ist aus den Fugen.
Vier Jahre ist es her, seit Heinrich Traumüller, früherer Kabinettschef von Karl-Heinz Grasser, derart „zusammenklappte“, dass er für eine Nacht ins Spital musste.
Der Zusammenbruch des Spitzenbeamten war zweifelsohne dem geschuldet, was Stunden zuvor im Parlament geschehen war: Traumüller hatte – wieder einmal – im U-Ausschuss ausgesagt. Er hatte seinen Ex-Chef Grasser, ja den gesamten BUWOG-Verkauf verteidigt. Wortreich und überzeugt.

Buwog-Serie Teil 2: Grassers Vertraute als Belastungszeugen
ABD0026_20150528 - WIEN - ÖSTERREICH: Der ehemalige FMA-Vorstand Heinrich Traumüller am Donnerstag, 28. Mai 2015, anl. einer Sitzung des Hypo-Untersuchungsausschusses im Parlament in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

Doch kurz nach fünf, als die Abgeordneten Traumüllers private Notizen mit Aussagen anderer Zeugen vergleichen und ihm Widersprüche vor Augen halten, dämmert dem Beamten etwas: Hat man ihn missbraucht?

Der 58-Jährige trinkt ein Cola, atmet durch – und plaudert plötzlich drauflos: Er erzählt, dass er selbst es war, der Grasser in Sitzungen der Vergabe-Kommission geholt hat – obwohl dieser dort nichts verloren hatte.

Er sagt, dass er selbst es war, der KHG nach der notariellen Anbotsöffnung 2004 informierte, wie hoch die einzelnen Anbote für den BUWOG-Verkauf sind. Und zumindest für die Anklage ist damit klar, dass nur Grasser es gewesen sein kann, der die Information an Spezi Walter Meischberger weitergab, um sie dem später erfolgreichen Österreichkonsortium weiterzuleiten.

Heinrich Traumüller gilt als akribisch – und das könnte im BUWOG-Strafverfahren eine große Rolle spielen. Denn viele Treffen und Termine wurden von ihm unaufgefordert protokolliert und dokumentiert.

So heißt es in der Anklage, dass es den „handschriftlichen Aufzeichnungen“ von Traumüller zu entnehmen sei, „dass die Entscheidung, einen Zuschlag im Paket an das Österreichkonsortium vorzunehmen und keine weitere (Bieter-)Runde durchzuführen, von Grasser selbst ausging“. Nicht die unabhängige Vergabe-Kommission, sondern der Minister selbst soll letztlich entschieden haben, wer die BUWOG-Wohnungen bekommen soll. So sieht es die Anklage.
Und die handschriftlichen Aufzeichnungen von Grassers gewissenhaftem Ex-Mitarbeiter sollen das nur noch bestätigen.

Michael Ramprecht: Grassers "singender" Mitarbeiter

Grassers Ex-Freund brach als Erster das Schweigen

Es war ein Anruf im Herbst 2009, der das Leben von Michael Ramprecht verändern sollte. Ein Profil-Journalist meldete sich beim Vertrauten von Karl Heinz Grasser als die Ermittlungen gegen den Ex-Finanzminister starteten. Ramprecht wird jenen Satz los, den er schon lange über den BUWOG-Deal sagen wollte: "Es war ein abgekartetes Spiel". Diese fünf Wörter verwandelten den Grasser-Vertrauten zum Verräter. Der Ex-Finanzminister deckte Ramprecht mit Klagen ein – nannte ihn "psychisch labil".
Aber wie kam es dazu?

Buwog-Serie Teil 2: Grassers Vertraute als Belastungszeugen
File photo of former Austrian finance ministry employee Michael Ramprecht waiting for start of his trial for defamation brought against him by former Austrian Finance Minister Karl-Heinz Grasser, in Vienna, June 10, 2010. Vienna's supreme court ordered May 11, 2011 a rerun of the trial due to procedural flaws. REUTERS/Heinz-Peter Bader/files (AUSTRIA - Tags: POLITICS CRIME LAW)

Spulen wir 14 Jahre zurück und gehen ins Jahr 2002. Damals war Ramprecht der fürs Nulldefizit verantwortliche Sekretär im Kabinett Grasser – und obendrein auch noch von seinem Chef verblendet. Die Staatsanwaltschaft beschreibt das Verhältnis so: "ein übersteigert positives, fast schon idealisiertes Bild". Gerade diese Loyalität macht Ramprecht zum idealen Erfüllungsgehilfen. Walter Meischberger und Ernst Plech stufen den Grasser-Freund laut Anklage als "ungefährlich" ein.

Also wird Ramprecht als Leiter der Vergabekommission für die Privatisierung der Bundeswohnungen installiert. Und er exekutiert alles, was Grasser oder Plech von ihm verlangen. Vor der Staatsanwaltschaft sagt Ramprecht aus: Von Plech bekam er die Anweisung bei der Auswahl jener Investmentbank, die den Verkauf des BUWOG-Pakets begleiten sollte, die Investmentbank Lehman Brothers durchzusetzen – obwohl es nur das zweitbeste Angebot war und die Republik um 3,75 Mio. Euro schädigte.

Zwar bestreiten sowohl Plech als auch Grasser die Aussagen von Ramprecht. Doch stieß die Justiz bei Razzien auf interessante Privatnotizen des Ex-Finanzministers. Gleich nach dem Profil-Interview beschreibt Grasser das Verhalten seines Ex-Mitarbeiters als "Verrat/Illoyalität" (siehe Faksimile). In der Anklageschrift stellt die Justiz die Frage in den Raum, warum Grasser seinen Ex-Mitarbeiter nicht als Lügner bezeichnet?

Buwog-Serie Teil 2: Grassers Vertraute als Belastungszeugen
Ein weiteres Indiz, dass Ramprecht die Wahrheit sagt, ist ein Protokoll einer Besprechung aus dem Jahr 2009 zwischen Grasser, Meischberger, Plech und dem Anwalt Gerald Toifl. Hier wird das „singende ehemalige Kabinettsmitglied“ als Gefahrenpotenzial angeführt. „Auch hier ist keine Rede von einem Lügner, sondern von einem Mitwisser“, so die Justiz in der Anklage.

Gerald Toifl: Vom Steuerberater der Reichen zum Stolperstein

Wie der ehemalige Steuerberater zum Mittäter und nun zum Belastungszeugen wurde

Er hatte einen einwandfreien Ruf unter den Steuerberatern, bis er sich in die BUWOG-Affäre reinziehen ließ: Gerald Toifl, Steuerberater, Rechtsanwalt und Universitätsprofessor. Seine Kanzlei beriet Milliardäre wie die Flicks oder den Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher, wie sie ihr Geld auf legalen Wegen steuerschonend anlegen können.

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APAHOG03 - 25062008 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA-TEXT WI - (v.l.n.r) Der Angeklagte Johann Zwettler und die Anwaelte Gerald Toifl und Mario Schmieder am Mittwoch, 25. Juni 2008, vor Beginn des Sitzungstages im BAWAG-Prozess am Straflandesgericht in Wien. APA - FOTO: GEORG HOCHMUTH

Außenstehenden ist bis heute unklar, was genau passierte, dass der ehemalige Top-Steuerberater nun selbst auf der Anklagebank wegen Beweismittelfälschung Platz nehmen muss. Aber so wie Ramprecht war auch Toifl bereit, sein Wissen mit der Justiz zu teilen.

Bis Juni 2010 war Toifl Anwalt von Grasser-Spezi Meischberger. Für ihn hat er die Selbstanzeige bei der Justiz wegen der Millionen-Provision gemacht. In der Kanzlei von Toifl fanden mehrere Besprechungen zwischen Karl-Heinz Grasser, Meischberger, Ernst Plech und Peter Hochegger nach dem Start der Ermittlungen über das weitere Vorgehen statt. Mit gefälschten Dokumenten, so der Verdacht der Justiz, sollten die BUWOG-Provisionszahlungen auf den Liechtensteiner Konten nachträglich verschleiert werden.

In der Anklageschrift heißt es: "Toifl ließ sich diesbezüglich etwas Besonderes einfallen." Da Plech tatsächlich am mittlerweile allseits bekannten Liechtensteiner Konto "Karin" alleiniger wirtschaftlicher Berechtigter war, sollten die einbezahlten 2,5 Millionen Euro und die anschließende Mittelverwendung gegenüber der Justiz so erklärt werden, dass Meischberger seinem Freund den Betrag zur Investition in Immobilienprojekte zur Verfügung gestellt habe.
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Lesen Sie in Teil 3: Wie die Anwälte die Anklageschrift beurteilen

Teil 1: Grasser übte die eigene gefälschte Unterschrift

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