Grasser: "Hochegger ist auf einem opportunistischen Ego-Trip"
Bisher hatte er sich aufmerksam Notizen gemacht oder in Protokollen mitgelesen, während die Richterin die anderen Angeklagten einen nach dem anderen befragte. Heute kam im Buwog-Prozess erstmals der Hauptangeklagte Karl-Heinz selbst zu Wort.
Seine Verteidigungsrede nahm den gesamten Verhandlungstag in Anspruch. Ausführlich ging Grasser dabei auf die turbulenten ersten Monate der Regierung von ÖVP und FPÖ im Jahr 2000 ein. Er habe zu Beginn seiner Tätigkeit als Finanzminister sieben Tage die Woche 16 bis 18 Stunden am Tag gearbeitet, so Grasser. Es gab Ministerrücktritte. In dieser Situation arbeite niemand an Tatplänen, wie es die Staatsanwaltschaft vorwirft, sagte Grasser.
Wenig überraschend betonte Grasser, wie schon die Tage zuvor der zweitangeklagte Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger, dass es eine mediale Hetzjagd gegen ihn gegeben habe. Er sei dadurch auch beruflich blockiert gewesen, da ein Blick in Google gereicht hätte um zu sehen, was hier in Österreich gegen ihn los sei.
"Die Staatsanwaltschaft liegt falsch, die Anklage hat kein Fundament", betonte Grasser heute zu Beginn seiner Rede, in deren Verlauf er sich mit einem Energy Drink und Mineralwasser stärkte.
Geld "stammte von Schwiegermutter"
Punkt für Punkt versuchte Grasser in seiner rhetorisch ausgeklügelten und teils emotional gehaltenen Rede die Vorwürfe der Anklage zu entkräften. Dem sogenannten "Schwiegermuttergeld" räumte er besonders viel Zeit ein. Dabei geht es um 500.000 Euro, die Grasser von seiner Schwiegermutter geschenkt bekommen haben will - wovon allerdings die Schwiegermutter laut einer Erklärung nichts wusste.
Konkret habe die Schwiegermutter das Geld ihm und seiner Frau Fiona aus persönlichen Gründen geschenkt, unter anderem zur Hochzeit. Er habe aber gleich gewusst, dass er das Geschenk nicht annehmen werde. Physisch hatte Grasser das Geld, das ihm die Schwiegermutter in der Schweiz geschenkt haben soll, jedoch angenommen und über die Grenze nach Österreich gebracht. Das sei nicht illegal gewesen, betonte er heute. Er habe sich vorher beim damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums, dem mittlerweile verstorbenen Peter Quantschnigg, erkundigt, der ihm versichert habe, dass der Geldtransport über die Grenze legal sei. Damals war Grasser noch Finanzminister.
Grasser erklärte das Verhalten seiner Schwiegermutter heute damit, dass die damals etwa 70-Jährige nach einer Hausdurchsuchung und einer Steuerprüfung überfordert gewesen sei. Daher habe sie eine notarielle Erklärung abgegeben, dass sie nie die wirtschaftlich Berechtigte des Geldes auf dem Konto - wo Grasser das Geld veranlagt hatte - gewesen sei.
Geschickte Veranlagung
Er verstehe seine Schwiegermutter, sie habe damals nicht einmal mit ihm geredet, schilderte Grasser heute. Richtig sei, dass die Schwiegermutter ihm und seiner Frau 500.000 Euro schenken wollte, was er nicht annehmen wollte. Daher hatte er die 500.000 Euro bei der Meinl-Bank veranlagt - außerhalb der Banköffnungszeiten. Der Schwiegermutter habe er von der Veranlagung nichts erzählt, weil es sie, aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse, gar nicht interessiert habe.
Zuvor sagte Grasser, der als Beschuldigter nicht unter Wahrheitspflicht aussagen muss, dass er bei seinen Einvernahmen durch die Ermittlungsbehörden nicht alles zu den 500.000 Euro offengelegt hat. Dies habe zum Teil damit zu tun gehabt, dass es sich um den höchstpersönlichen Lebensbereich gehandelt habe.
Im Zuge der Finanzkrise habe er dann das Geld von der Meinl Bank auf eine sichere Bank transportieren wollen. Der Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki habe für ihn die St. Gallener Kantonalbank ausgesucht. Dort habe er das Geld, das er inzwischen von 500.000 auf 780.000 Euro vermehrt habe, für seine Kinder veranlagen wollen.
Fionas Kreditkarte
Auch auf laut Anklage verdächtige Bareinzahlungen auf eines seiner Konten ging Grasser ein. Eigentlich habe er nie Bareinzahlungen geleistet, jedenfalls nicht bis zu seiner Hochzeit mit Fiona Swarovski. Das änderte sich, weil die Kreditkarte seiner Ehefrau öfters nicht funktioniert habe und er habe einspringen müssen. Ausgaben für die gemeinsame Hochzeit seien so ein Fall gewesen.
Kritik an Bewegungsprofilen
Grasser, der heute teilweise sehr emotional reagierte, betonte, dass er seine sehr vermögende Frau Fiona aus Liebe zu ihr und nicht aus Liebe zum Geld geheiratet hat. Dass in seinem Ehevertrag eine Klausel stehen würde, wonach er jährlich eine Million Euro für den Lebensunterhalt beizusteuern habe, wie Medien berichteten, sei schlicht falsch.
Grassers Ehefrau hatte eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, dass das Geld von ihrer Mutter stamme und in ihrem Beisein in der Schweiz an Grasser übergeben worden sei. Bewegungsprofile, die die Staatsanwaltschaft erstellt hat, und wonach laut Anklage unmöglich ist, dass er das Geld von seiner Schwiegermutter im Beisein seiner Frau im von ihm angegebenen Zeitraum in der Schweiz erhalten habe, seien ebenfalls falsch, betonte heute Grasser. Wie überhaupt die Staatsanwaltschaft schlampig ermittelt habe, weil sie ihn unbedingt habe anklagen wollen.
Angriff auf Hochegger
Einen großen Teil seiner Rede verwendete Grasser für seine Replik auf das Teilgeständnis Peter Hochegger. Hochegger hatte zu Beginn des Prozesses angegeben, im Jahr 2005 bei einem Treffen mit dem Bankberater in Wien von der Involvierung Grassers erfahren zu haben. Grasser versuchte heute, die Glaubwürdigkeit Hocheggers zu erschüttern.
Er stellte Hochegger als geschickten PR-Mann dar, der nicht mehr ins Gefängnis wolle und daher zu Falschaussagen bereit ist. Er nehme ihm seinen Wandel "kühlen Geschäftsmann" zum spirituellen Yoga-Praktizierenden nicht ab. "Eine Schlange, die sich häutet, bleibt eine Schlange."
Dass er von Bankberater W. von den drei Liechtensteiner Konten erfahren haben will, und eines davon Grasser gehöre, könne nicht stimmen, sagte Grasser. Denn zwei der drei Konten seien zum fraglichen Zeitpunkt Anfang September noch gar nicht eröffnet gewesen.
Grasser monierte auch, dass Hochegger jahrelang bei den Ermittlungen nichts von seinem angeblichen Wissen über Grassers Korruption bei der Privatisierung der Bundeswohnungen preisgegeben habe. Entweder habe Hochegger damals gelogen, oder er lüge jetzt. Grasser sprach in diesem Zusammenhang davon, dass sich Hochegger für den "brasilianischen Weg" entschieden habe - sprich, er wolle alles unternehmen, damit er statt ins Gefängnis zurück in sein Haus nach Brasilien kann.
Treffen mit Meischberger-Anwalt
Zum Schluss rechtfertigte Grasser seine gemeinsamen Treffen beim Anwalt Meischbergers mit den Beschuldigten Meischberger und Ernst Karl Plech. Er habe sich damals mit einer "medialen Welle" konfrontiert gesehen und habe sich informieren müssen, sagte er.
Aus Sicht der Anklage hingegen dienten diese gemeinsamen Treffen beim Anwalt der Verschleierung der Korruptionsgeschäfte und der Geldflüsse. Im Herbst 2009, als die Korruptionsvorwürfe öffentlich aufgekommen waren, hatte Grasser mehrmals an einer "Großen Runde" beim - nun mitangeklagten - Anwalt Gerald Toifl teilgenommen. Später hatte Grasser dann getrennte Termine beim Anwalt.
Als er damals, im Herbst 2009, überhaupt von dem Provisionsgeschäft Meischbergers und Hocheggers mit dem Österreich-Konsortium bei der Buwog-Privatisierung erfahren habe, sei er zunächst "fuchtsteufelswild" auf Meischberger gewesen. Dieser sei nämlich in seiner Zeit als Finanzminister sein politisch-strategischer Berater gewesen und auch ein guter Freund. Die Basis der Freundschaft habe aber auch diese Krise überstanden. "Das war für mich eine Charakterfrage", meinte Grasser. "Ein Freund bleibt ein Freund, auch wenn dieser einen Fehler macht".
Meischberger habe sich in mehreren Aussprachen bei ihm entschuldigt, dass er ihn da hineingezogen habe. Meischberger habe aber auch gesagt, "Was willst du, Karl-Heinz, ich habe ja nur einen privaten Auftrag angenommen, ich kann ja kein Berufsverbot haben".
Im Schlusswort seiner Stellungnahme, die er um 9.30 Uhr begonnen hatte, erklärte Grasser erneut, er habe nie Geld genommen und nie Amtsmissbrauch begangen. Er hätte auch kein Motiv gehabt, sich sein Leben so zu ruinieren, da er "relativ viel" verdient habe. "Mir fehlt jedes Motiv für so ein Verbrechen, das mir vorgeworfen wird."
Buwog-Prozess: Tag 41 zur Nachlese
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Einen schönen guten Morgen
Heute erwartet uns ein neuer Höhepunkt im Buwog-Prozess: Die Einvernahme Karl-Heinz Grassers beginnt. Erwartet wird eine längere Erklärung des Hauptangeklagten. Um 9.30 Uhr geht es los.
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Guten Morgen
...auch von mir. Damit wir Grassers Aussage heute bestmöglich mittickern können, sind wir zwei Mann, bzw. Frau stark vor Ort. Die Journalistenplätze sind bereits gut gefüllt, alles wartet gespannt auf den großen Monolog, den der Ex-Finanzminister hier aller Vermutung nach darbieten wird.
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Zur Feier des Tages
Der Medienandrang zeigt Wirkung. Sogar der Angeklagte Peter Hochegger, den wir bisher meist in Jeans und Pullover gesehen haben, trägt heute Hemd un Sakko - und zeigt sich gut gelaunt.
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Bartfragen
Und noch ein Detail, bevor es losgeht: Der Zweitangeklagte Walter Meischberger tritt heute zur Abwechslung komplett glattrasiert auf. So haben wir ihn nicht einmal bei seiner eigenen Einvernahme erlebt.
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Es geht los
Richterin Hohenecker eröffnet den Verhandlungstag, die Verteidigung (Überraschung!) moniert die Sitzordnung. Grasser begibt sich nach vorne. -
Grasser bekennt sich nicht schuldig
Das kommt natürlich wenig überraschend. Grasser begrüßt alle Anwesenden und legt los: "Es ist die schwierigste Situation meines Leben, hier vor Gericht zu stehen." Grasser beklagt sich gleich zu Beginn, dass das Ermittlungsverfahren "öffentlich geführt" wurde, also Informationen an die Medien gelangt sind. Auch dass die Medien sehr früh von Hausdurchsuchungen informiert waren, erwähnt Grasser. Das habe zu einer "ungeheueren Vorverurteilung geführt". Er sei neun Jahre lang diffamiert und "als Verbrecher hingestellt worden". Er verweist auf ein Privatgutachten, dass zu dem Schluss kam, dass er kein faires Verfahren gehabt hätte. "Das Verfahren hat meine wirtschaftliche Existenz zerstört", sagt Grasser weiter.
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Karriere unmöglich
Es sei aber nicht nur eine Vorverurteilung in Österreich. Immer wenn er versucht habe, beruflich wieder Fuß zu fassen - auch im Ausland - hätte ein Blick ins Internet genügt, um zu sehen, dass ein Verfahren gegen ihn anhängig sei und ihm eine weitere Karriere zu verwehren, sagt Grasser.
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Die Wahrheit oder ein Kriminalroman
Hier und heute werde er versuchen, die Wahrheit aufzudecken, erklärt er. Zu diesem Zwecke habe er sich detailliert mit der Anklageschrift auseinander gesetzt. Diese sei "eine reine Erfindung, ein Kriminalroman, wenn Sie so wollen, der mit der Wahrheit gar nichts zu tun hat."
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Monatelang gearbeitet
Monatelang habe er an seiner Verteidigung gearbeitet. "Erfindungen und Unterstellungen" hätte die Staatsanwalt gegen ihn vorgebracht. Monatelang habe er gearbeitet, wiederholt er. Seine Gegenschrift wurde von seinen Anwälten "in eine Form gebracht" und dem Gericht vorgelegt. Er will nicht alles davon vortragen, die Schrift hat 600 Seiten. Wir hören also eine Zusammenfassung der "Kernaussagen der Gegenschrift", sagt Grasser.
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"Anklage hat kein Fundament"
Eingangs möchte Grasser über die Vorwürfe in der Anklageschrift sprechen: den Tatplan, die Vergabe an die Lehman Brothers, die Vergabe der Bundeswohnungen selbst, das sogenannte 35 Millionen Faktum, die Entscheidung zum Terminal Tower und die sogenannten Zahlungsströme. Mit jedem dieser Vorwürfe wolle er sich nun auseinandersetzen und belegen, dass die Staatsanwaltschaft falsch liegt und die Anklage kein Fundament hat.
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Thesen, keine Fakten
Die Anklage basiere auf Thesen, nicht auf Tatsachen. Es gebe nur Vorwürfe gegen seine Person, aber keine nachweisbaren Fakten, fasst Grasser zusammen.
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Der Tatplan
Grasser startet nun mit dem Thema Tatplan. "Ich halte den Tatplan für eine Konstruktion der Staatsanwaltschaft, die sich nur auf eine falsche Zeugenaussagen stützen kann". Der Zeuge habe neun Jahre nach den Geschehnissen erstmals ausgesagt, und von einem Tatplan gesprochen, der beinhaltete, dass Grasser und seine Mitangeklagten vorhatten, von den Geschäften der Republik Österreich zu profitieren.
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Grasser liest übrigens vom Blatt, orientiert sich zumindest stark daran, und sucht in jedem Satz Augenkontakt abwechselnd mit Richterin, Schöffen und Staatsanwälten. Er spricht deutlich und in gemäßigtem Tempo, Live-Ticker-gerecht quasi. Rhetorik-Trainer hätten ihre Freude. Aber dass Grasser so etwas kann, wissen wir ja.
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"Geld war nicht mein Ziel"
"Geld war nicht mein Ziel, als ich in die Politik gegangen bin", sagt Grasser und schildert nun, wie die politische Stimmung im Land zum Zeitpunkt seiner Angelobung war. Es habe einen enormen Druck auf die neue Bundesregierung gegeben. "Ich war auf einmal Chef von 15.000 Mitarbeitern, ich musste damals sieben Tage die Woche 16-18 Stunden am Tag arbeiten, weil die Einarbeitungsphase enorm war."
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Grasser, ein Fremdkörper
Er sei auch ein "Fremdkörper in der Freiheitlichen Partei" gewesen, schildert Grasser nun. Immerhin sei er ja nur nachgerückt, weil der damalige Bundespräsident Klestil die Angelobung des eigentlich als Finanzminister geplanten Thomas Prinzhorn abgelehnt hatte. Auch das Verhältnis zu Jörg Haider sei nicht das beste gewesen, nachdem er sich Jahre zuvor mit Haider und seinen Leuten zerstritten hatte.
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"Niemand entwickelt einen Tatplan im Jahr 2000"
Das Jahr 2000 sei ein turbulentes Jahr für die Bundesregierung gewesen. In dieser Situation "entwickelt niemand einen Tatplan", sagt Grasser. Die These der Staatsanwaltschaft sei falsch. Der Tatplan-Zeuge B. "lügt aus meiner Sicht", sagt Grasser. Er tue das aus parteipolitischen Gründen, sagt Grasser. Berner habe gesagt, er sei "ein Roter". B. sei auch einer der besten Freunde von Michael Ramprecht gewesen, den Grasser in sein Kabinett geholt habe, ihn aber dann nicht mehr verlängert. Grasser interpretiert die Aussagen von B.s und Ramprechts als "Rache", weil er Ramprecht im Kabinett nicht verlängert hatte.
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"Das ist Absurdistan"
B, der zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt beim BMVIT gearbeitet hatte, hatte ausgesagt, Hochegger habe ihm gesagt, Haider, Grasser und ihre Freunde wollten von den Geschäften der Republik persönlich profitieren und hätten dafür seine, Bs, Hilfe in Anspruch nehmen wollen . "Ich habe mir gedacht, das ist Absurdistan, das wird die Staatsanwaltschaft niemals glauben, weil das BMVIT nichts mit der Privatisierung zu tun gehabt hatte", sagt Grasser und erklärt nun detailliert die Kompetenzverteilung zwischen BMVIT und BMF. "Der B. hätte nichts, aber auch gar nichts beitragen können, zu diesem behaupteten Tatplan."
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Tatplan-Skizze
Es geht um die berühmte Skizze auf einer Serviette, die Hochegger bei einem Treffen mit B. aufgezeichnet haben soll. In der Skizze standen die Namen Grassers, Meischbergers und Hochegger, außerdem jener Haiders und von Haider-Vertraute - also alle angeblich am Tatplan Beteiligten. "Die strotzt nur so von Widersprüchen", sagt Grasser. Er habe damals kein Vertrauensverhältnis zu Jörg Haider gehabt oder zu den Haider-Vertrauten. Zeuge B. habe sich die Geschichte ausgedacht, sagt Grasser.
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Äste
Er habe dann wissen wollen, wie denn im "Ast des Jörg Haider" ermittelt wurde. Doch in dessen Umfeld habe es gar keine Ermittlungen gegeben, bis von Grassers Verteidigung Nachforschungen beantragt wurden, sagt der Angeklagte. "Wenn die Staatsanwalt B. glaubt, dann wäre es doch ihre Pflicht gewesen, im Jörg Haider-Ast und im Karl-Heinz Grasser-Ast zu ermitteln. Warum das nicht passiert ist, weiß ich nicht", sagt Grasser.
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Grasser prangert die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft an: Nach den Aussagen von Willibald B. habe die Staatsanwaltschaft Martin O. einvernommen. Der habe Grasser bei der Einvernahme entlastet, sei aber wegen falscher Zeugenaussage angeklagt worden. Martin O. wurde freigesprochen.
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"Die Anklage ist falsch"
Die beiden, B. und Ramprecht, hätte ihm auch in der Causa Dorotheum-Verkauf Korruption vorgeworfen. Da hat es keine Anklage gegeben. Den beiden sei also nicht geglaubt worden, schließt Grasser daraus. "Diese Anklage ist falsch, ihr fehlt die Grundlage", sagt Grasser.
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Ein Masterplan der anderen Seite?
Grasser möchte nun darlegen, dass er sich in den vergangenen Jahren oft gefragt hat, "ob es nicht von der anderen Seite eine Art Masterplan gegen mich" gegeben hatte. Ob SPÖ und Grüne sich bei ihm dafür rächen wollten, dass er, Grasser, Wolfgang Schüssel dabei geholfen hatte, eine schwarz-blaue Regierung durchzusetzen. Es habe von Oppositionsseite immer wieder Versuche gegeben, Druck auf die Ermittlungen zu machen.
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SPÖ-Vergangenheit
Die politische Komponente zeige sich auch im Hinblick auf den Vorsitzende des Weisungsrates im Justizministerium, der die Anklage gegen ihn durchgewunken habe, sagt Grasser. Dieser Vorsitzende habe jahrelange SPÖ-Vergangenheit.
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"Zum Besten der Republik Österreich"
Nun macht Grasser mit dem Vergabeprozess der Bundeswohnungsgesellschaften weiter. "Ich möchte zeigen, dass diese Vergabe korrekt abgelaufen ist, zum Besten der Bieter und der Republik Österreich."
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Das ungleiche Trio vor Verhandlungsbeginn: Karl-Heinz Grasser steht wie immer etwas abseits der anderen Angeklagten. Der frischrasierte Meischberger hat seine 10-tägige Befragung jetzt hinter sich. Hochegger, der Grasser belastet, gab sich heute demonstrativ gut gelaunt.
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Die Vergabekommission
Er habe damals um den Einsatz einer Vergabekommission ersucht - das hätte er gar nicht tun müssen, erklärt Grasser. Aber er wollte das, damit die Vergabe objektiv und zum Besten der Republik ablaufen könne. Privatisierungsexperten, Vergabeexperten und Experten des BMF als Mitglieder dieser Kommission seien ihm vorgeschlagen worden, er habe diese Empfehlung befolgt, so wie er auch später immerzu dem Rat dieser Experten gefolgt sei, und nie selbst davon abweichend eingegriffen habe. Ein Finanzminister sei immerhin ein Politiker, kein Experte.
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Grasser vor Verhandlungsbeginn, im Gespräch mit seinen Anwälten Manfred Ainedter und Norbert Wess.
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Was einen Finanzminister ausmacht
Nun erklärt Grasser sehr ausführlich, was die Aufgaben des Finanzministers sind und wie das BMF organisiert ist, bzw. zu seiner Zeit als Finanzminister organisiert war. Das dauert.
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Sie sehen immer gleich aus in ihren Talaren: Die Staatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk (li.). Auch für sie muss es ein besonderer Tag sein: Nach langen Jahren der Ermittlungen und Verzögerungen erklärt sich ihr Hauptverdächtiger vor Gericht.
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Gelangweilte Gesichter
Jetzt ist Grasser in seiner Aufzählung beim Amt der Münze Österreich angelangt, für das das BMF also auch zuständig ist. Die Geschworenen schauen gelangweilt.
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Kein exekutives Organ
"Verzeihen Sie, dass das jetzt etwas länger gedauert hat", sagt Grasser. "Ich sage das deshalb, weil mir die Staatsanwaltschaft Handlungen zuordnet, die ein Bundesminister für Finanzen niemals alleine durchführen kann". Und: "Ein Bundesminister für Finanzen setzt nicht um, er ist kein exekutives Organ, dafür fehlt ihm jede Zeit, dafür hat er 15.000 Mitarbeiter."
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Gemeinsamkeiten
Diese Strategie zieht sich übrigens durch die Darstellungen der Angeklagten. So wie jetzt Grasser den Job des Finanzministers lang und breit erklärt, hatte Meischberger zuvor ausführlichst die Tätigkeiten eines Lobbyisten geschildert.
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"Habe nicht gesteuert"
"Ich war nicht dabei", bei den Sitzungen mit der Investment Bank Lehman Brothers, bei den Sitzungen der Vergabekommission usw., sagt Grasser. "Weil es nicht meine Aufgabe war. Ich habe den Prozess der Vergabe der Bundeswohnungen nicht gesteuert." Die Vergabekommission habe den gesamten Vergabeprozess strukturiert und durchgeführt - nicht er.
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Buwog-Verkauf nicht oberste Priorität
Grasser zählt weiter seine Aufgaben und Kompetenzen als Finanzminister auf. Er habe den Verkauf der Bundeswohnungen politisch zu vertreten gehabt. "Es war meine Aufgabe mit den zuständigen Landeshauptleuten zu sprechen", sagt Grasser und zählt Haider und Pühringer als Stakeholder auf. Auch die Kommunikation mit den Buwog-Mietern sei dem Finanzministerium zugekommen. "Ich hatte den Prozess politisch zu begleiten und die bestmöglichen Rahmenbedingungen für den Verkauf zu schaffen." Es sei wichtig gewesen, den höchstmöglichen Kaufpreis zu bekommen, aber das Thema Buwog-Verkauf habe in der Regierung nicht die höchste Priorität gehabt, sagt Grasser und nennt andere Großprojekte der schwarz-blauen Regierung, etwa die Pensionsreform, die wichtiger gewesen seien. Er habe in das Thema Bundeswohnungen viel weniger Zeit investiert, weil es nicht notwendig gewesen sei.
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One happy Anwalt
Grassers Anwalt Ainedter schaut übrigens sehr zufrieden drein. Ein leichtes Lächeln liegt auf seinen Lippen, gelegentlich nickt er leicht.
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Staatsanwälte "haben kein Know-How"
Grasser wirft den Staatsanwälten vor, sich nicht im Detail damit auszukennen, wie Privatisierungen funktionieren und wer für was zuständig ist. "Dieser Fehler zieht sich durch die gesamte Anklageschrift."
"Die Staatsanwälte sind nicht Sachverständige für Privatisierungsfragen. Sie haben kein Know-How."
"Offensichtlich habt ihr euch mit dem Thema nicht auseinandergesetzt", sagt Grasser mit einem Wechsel ins Du. "Leider hat die Staatsanwaltschaft keine Experten, keine Profis mit dieser Frage befasst." Die Staatsanwälte hätten auch Zeugenaussagen unter Wahrheitspflicht ignoriert, die ihn entlastet hätten.
"Angeklagt werden muss um jeden Preis, das war ihr Vorsatz", sagt Grasser.
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Der Harry Potter der Privatisierung
In der Anklageschrift "werde ich zum Harry Potter der Privatisierung gemacht", sagt Grasser. "Es wird mir hier zugetraut, dass ich hundert Züge im Voraus, in die Zukunft, geplant habe, besser als jeder Schachweltmeister. Und das war so gut gemacht, dass niemand etwas mitbekommen hat im Finanzministerium. So gut, dass nachher alle Zeugen ausgesagt haben, die Vergabe sei korrekt abgelaufen", erklärt er mit bitterer Ironie in der Stimme.
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Guter Preis
Bei der Vergabe sei man immerhin vom ersten Indikativangebot von 450 Millionen Euro auf 962 Millionen Euro gekommen - insgesamt habe man sogar 2,5 Milliarden Euro bewegt. Das sei ein sehr guter Preis gewesen.
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Haider, die graue Eminenz
Themenwechsel zum Vorkaufsrecht des Bundeslandes Kärnten, das Grasser mit Jörg Haider vereinbart hatte. Haider war "wenn Sie so wollen so etwas wie die graue Eminenz der damaligen Bundesregierung", er habe alle wichtigen Fragen mitverhandelt. Die ESG Villach sei für Haider ein wichtiges Thema gewesen, daher sei es unumgänglich gewesen, ihm bzw. Kärnten, ein Vorverkaufsrecht einzuräumen.
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Der politsche Wille Haiders
Zur Erklärung: Kärnten hatte schlussendlich dennoch auf das Vorkaufsrecht verzichtet. Aber: "Natürlich hätte Kärnten es sich leisten können", sagt Grasser. Der Kauf der ESG hätte schließlich den Kauf von Vermögen bedeutet. Es sei alles nur eine Frage des politischen Willens gewesen. "Bis zuletzt war für mich nicht abschätzbar, ob Kärnten das Vorkaufsrecht ausüben würde. In jedem Fall war es eine für mich unbeeinflussbare Entscheidung." -
Grasser hat die Lautstärke in den vergangenen Minuten erhöht, er spricht jetzt eindringlicher.
"Ich hätte gar nicht parteilich entscheiden können, nicht einmal theoretisch", wiederholt Grasser in Bezug auf Kärnten und das ESG-Vorkaufsrecht.
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Mit Schal und Pulli
Zwischendurch: Es sind heute einige Journalisten und Zuschauer zum ersten Mal da. Man erkennt sie daran, dass sie sommerlich kühl gekleidet sind. Alljene, die öfters im Gerichtssaal sitzen, sind im Wissen um die eiskalte Klimaanlage bereits mit Pullover und Schals ausgestattet.
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Kein Kontakt zu Meischberger
Grasser fragt die Richterin, ob er noch die 960 Millionen Euro ansprechen darf, bevor es eine Pause gibt. Sie ist einverstanden.
Wir erinnern uns, es gab eine Finanzierungsgarantie in der Höhe von 960 Millionen Euro für das CA-Immo-Konsortium, ein Hinweis auf das verbindliche Gebot. "Ich habe niemals vertrauliche Informationen weitergegeben." Er habe die Information über die Finanzgarantie nicht gehabt. Er habe die Details über die ersten Angebote erst am 7. Juni im Finanzministerium erhalten.
"Ich hatte im entscheidenden Zeitraum zwischen 3. und 7. Juni 2004, in der heißen Phase des Verkaufs, keinen Kontakt mit Walter Meischberger", sagt Grasser gleich zweimal, um das zu unterstreichen.
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"Meischberger hat keine Information von mir gehabt"
Bis zum 4. Juni 2004 um 15 Uhr musste das erste verbindliche Angebot für die Bundeswohnungen abgegeben sein. Meischberger hatte in seinem Terminplan aber 11:30 Uhr eingetragen und die Angebotsöffnung um 15 Uhr. Das sei falsch, sagt Grasser.
Die Sitzung am 7. Juni, wo die zweite Runde entschieden wurde, hatte Meischberger nicht eingetragen, sagt Grasser, der damit zu veranschaulichen versucht, dass Meischberger richtige und vollständige Informationen zum Prozess gehabt hätte, wenn er mit Grasser in Kontakt gestanden wäre. Er zählt weitere Diskrepanzen zwischen Meischbergers Wissenstand und der Realität auf.
Grasser zählt noch einmal auf, wie wenig Information Meischberger über Termine und überhaupt den ganzen Verkaufsprozess hatte. "Was es offensichtlich gegeben hat, ist die Information zu diesen 960 Millionen", die laut Grasser eigentlich gar keine Finanzierungsgarantie gewesen seien. Meischberger habe sich am Markt gut bewegt, sagt Grasser. "Meischberger hat keine Information von mir gehabt."
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Eine Fehlinformation
Grasser kommt nun zu einem, wie er sagt, "für mich besonders wichtigen Punkt der Anklage": Der Finanzgarantie von 960 Millionen Euro. Eine solche Finanzgarantie habe es nie gegeben, das sei eine Fehlinformation, von wem auch immer sie gekommen sei.
In der Anklageschrift ist davon die Rede, die CA Immo habe gesagt, es gebe noch Luft nach oben und man könnte bis zu 960 Millionen bieten. Das sei falsch, meint Grasser.
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Eine Party in Kärnten
Wir sind am 4. Juni 2004, der Tag des ersten Angebots. Damals fand ein Fest der Kleinen Zeitung statt, bei dem auch Grasser und Haider waren. Auch, dass jemand von der BA-CA (Bank Austria, auch Mitglied im Konsortium) dort war, kann sich Grasser vorstellen, da sie die Veranstaltung sponsorte. Es könnte schon sein, dass dort auch über die Privatisierung gesprochen wurde.
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Grasser verheddert sich mit seiner These zu den 960 Millionen gerade ein bisschen in Details. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Pause abzuwarten.
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"Von der ersten Runde kann man sicher nicht auf das Gebot in der zweiten Runde schließen", sagt Grasser. "Die gesamte Anklage basiert darauf, dass der Grasser dem Meischberger die Finanzgarantie verraten hätte. Das ist falsch, weil es die Finanzgarantie nicht gegeben hat." Es sei nachprüfbar, dass das keine Finanzierungsgarantie war. Grasser ist der Auffassung, dass die 960 das Gesamtinvestitionsvolumen darstellten, das nichts darüber aussagt, um wie viel höher die CA Immo in der zweiten Runde noch hätte gehen können.
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Alles Zufall?
Grasser zeigt nun eine Unterlage der Investmentbank Lehman Brothers mit einer Übersicht der vorläufigen Angebote. Bei der CA Immo ist dort von einem Gesamtinvestitionsvolumen von 960 Millionen die Rede. Aber: "In der ganzen Unterlage ist nie die Rede von einer Finanzgarantie". Wie habe er also eine Information über eine Finanzgarantie an Walter Meischberger weiter geben können, fragt Grasser.
Aus heutiger Sicht müsse er davon ausgehen, dass die 960 Millionen am Markt bekannt waren. Wie das passiert sei, wisse er nicht. Und warum lagen die Angebote am Ende so nah bei einander (960 vs 961 Millionen)? "Vielleicht war es tatsächlich ein Zufall, vielleicht waren die Preise ausgereizt."
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"Das bin ich auch heute noch"
Abschließend möcht Grasser festhalten, dass die Vergabekommission auf Empfehlung von Lehman Brothers einstimmig beschlossen hatte, dass der Bestbieter klar definiert sei. Diese Entscheidung der Vergabekommission habe man anerkannt. Alle Beteiligten seien davon überzeugt gewesen, dass das beste Ergebnis für Österreich erreicht wurde. "Und das bin ich auch heute noch", schließt Grasser den ersten Teil seiner Darstellung.
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