Wo die neue Regierung den Sparstift ansetzen muss
Ein Wahlkampf führt zu den merkwürdigsten Allianzen: In seltener Einigkeit haben sich vergangene Woche sowohl ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer als auch SPÖ-Chef Andreas Babler gegen ein Sparpaket in der kommenden Legislaturperiode ausgesprochen.
Und das, obwohl Wirtschaftsforscher zuletzt Alarm geschlagen haben. Nach dem nach der Wahl nötigen Kassasturz werde „Schluss mit lustig sein“, warnt wie berichtet Fiskalratspräsident Christoph Badelt. Er verweist auf die für 2024 erwartbare Staatsschuldenquote von 78,5 Prozent und das Defizit von 3,4 Prozent des BIP. Eckdaten, die einen umfassenden Konsolidierungsplan erforderlich machen würden.
Doch wo ließe sich nach der Wahl am besten der Sparstift ansetzen? Der KURIER hat mit Ökonomin Margit Schratzenstaller vom WIFO gesprochen.
Als kurzfristige Maßnahme legt sie der nächsten Regierung nahe, auf Projekte zu verzichten – egal wie sinnvoll sie inhaltlich auch sein mögen – die ohne die nötige Gegenfinanzierung beschlossen werden. Als Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit nennt sie das türkis-grüne Wohnbau- und Landwirtschaftspaket.
Ähnliches gelte laut der Expertin für allfällig noch kommende Wahlzuckerln, die sich in der Vergangenheit als äußerst kostspielig erwiesen hätten. So würden die seit 2008 jeweils kurz vor den Wahlen beschlossenen diversen Geschenke an die Bevölkerung den Haushalt 2024 mit 4,1 Milliarden Euro belasten, wie der Fiskalrat errechnet hat. Außertourliche Pensionserhöhungen werden laut Schratzenstaller angesichts der angespannten Budget-Lage auch nicht mehr drin sein.
Strukturreformen
Wirklich spürbare Effekte ließen sich freilich nur mittelfristig durch umfassende strukturelle Eingriffe erzielen, betont die Expertin.
Viele davon würden jedoch die zwischen Bund und Ländern bestehenden Doppelgleisigkeiten betreffen, die aufgrund der heimischen Realverfassung nur schwer zu beseitigen sind. „Auch beim jüngsten Finanzausgleich sind die nötigen strukturellen Reformen nicht erfolgt“, sagt die Ökonomin.
Umfassend umzukrempeln wäre zum Beispiel das Förderwesen. So gebe es etwa für Familien Förderungen vom Bund, parallel dazu aber auch in drei Bundesländern eigene Unterstützungsleistungen. „Auch die verschiedenen Wirtschaftsförderungen wird man sich ansehen müssen“, ist die Expertin überzeugt.
Gesundheit
Ein klassisches Beispiel für ein ungehobenes Einsparungspotenzial sei laut Schratzenstaller das Gesundheitssystem mit seinen extrem zersplitterten Kompetenzen.
Die im Vorjahr nach zähem Ringen zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen beschlossene Gesundheitsreform habe zwar Verbesserungen gebracht, die von vielen Experten seit Jahren geforderte Finanzierung aus einer Hand sei aber wieder nicht umgesetzt worden.
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