Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

Budget als Belastungsprobe für Koalition neu
Es wird gefeilscht, doch weiterverhandelt - auf Chefebene. Faymann sagte eine Paris-Reise ab.

Die Koalitionsverhandlungen würden am seidenen Faden hängen. Die ÖVP würde bereits den Absprung planen. Und zwischen Kanzler und Vizekanzler stünden Krisentreffen auf dem Plan. So beschreiben Boulevard-Blätter die Stimmung zwischen SPÖ und ÖVP am Wochenende. Doch so dramatisch ist die Lage nicht. Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann und sein ÖVP-Pendant Michael Spindelegger stehen zwar laufend in Kontakt, heißt es auf roter und schwarzer Seite. Von Krisengesprächen ist allerdings keine Rede. Dass die ÖVP angeblich mit der FPÖ und den Neos gemeinsame Sache machen will, wie kolportiert wird, wird im Büro des ÖVP-Obmannes zurückgewiesen: „Den Regierungsbildungsauftrag hat Werner Faymann, nicht Michael Spindelegger.“ Außerdem: „Von gewissen Personen gestreute Gerüchte kommentieren wir nicht.“

Die Causa Budget ist jedenfalls inzwischen am Cheftisch gelandet. Faymann hat am Dienstag sogar kurzfristig eine fix eingeplante Paris-Reise zur zweiten Konferenz zur Jugendbeschäftigung in Europa gestrichen - und zwar wegen der Verhandlungen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer soll ihn vertreten.

Am Dienstag gingen die Koalitions-Gespräche weiter, allerdings wurden sie örtlich verlegt. In den nächsten Tagen will man sich auf ein Zahlenwerk geeinigt haben; denn Tatsache ist, dass SPÖ und ÖVP unterschiedliche Vorstellungen haben, wie groß das Budgetloch ist. Während Vorarlbergs ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner vergangene Woche von 30 bis 40 Milliarden Euro (bis 2018) sprach, ortete SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder hingegen „unnötige Panikmache“. Wallners Aussage halten SPÖler für entbehrlich. Mit Spindelegger sei vereinbart gewesen, öffentlich keine Zahlen zu nennen. Wiens Bürgermeister ist gar der Ansicht, es gebe "kein Budgetloch", nur "hochgerechnete Prognosen".

„Seriös bleiben“

Die ÖVP wirft dem Koalitionspartner vor, sich die Daten schönzureden – um Reformen, etwa im Pensionsbereich, zu verhindern.

Rote Insider quittieren das so: „Man muss bei den Zahlen seriös bleiben. Wir wissen, dass es große Herausforderungen gibt, aber die ÖVP will natürlich dort sparen, wo es der SPÖ am meisten wehtut: Bei den Pensionen.“

In Spindeleggers Umfeld sagt man zum Disput: „Nicht wir liefern die unterschiedlichen Zahlen. Das sind die Experten. Wichtig ist, dass die Zahlen jetzt einmal außer Streit gestellt werden.“

Koalition: Wer was verhandelt:

Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

MINISTERRAT: SCHIEDER
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

07.06.2013, Linz, Politik, Bil dzeigt Josef Pührin…
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

20 Jahre Binnenmarkt - WKO Veranstaltung
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

Sebastian Kurz
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

Streitgespräch Gabriele Heinisch-Hosek & Josef Buc…
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

INTERVIEW: LANDESHAUPTMANN HASLAUER
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

MINISTERRAT: MITTERLEHNER
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

PK "EINIGUNG BEI DIREKTER DEMOKRATIE": CAP
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

Reinhold Lopatka, ÖVP, Interview…
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

PK "ENDBERICHT ZUR REFORM DES GRUNDWEHRDIENSTS": B
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

Johanna Mikl-Leitner
Budget als Belastungsprobe für Koalition neu

SPÖ-PRÄSIDIUMSSITZUNG: NIESSL

Trotz der Differenzen gehen Eingeweihte davon aus, dass es am Ende wieder eine Große Koalition geben wird. „Die ÖVP hat ja auch nicht wirklich eine Alternative“, sagt ein Roter. „Man wird sich schon zusammenraufen.“

Einig dürften sich die Koalitionäre jedenfalls bereits darüber sein, dass das Budget durch Privatisierungen ein bisschen aufgebessert werden kann (Post, Telekom). Milliarden sind da freilich auch nicht zu holen – außer man würde Teile der ÖBB oder Energieversorger mitverkaufen, was aber als unrealistisch gilt.

In Sachen Budget schlägt den Regierungsverhandlern die Stunde der Wahrheit. Heute, Dienstag, wird wieder gerechnet und um Pensionen, Privatisierungen, die Hypo und fehlende Steuermilliarden gestritten. Für Donnerstag ist bereits die nächste Finanzrunde anberaumt. Wie ein rascher Ausweg aussehen könnte, weiß niemand. Die Budgetmisere überschattet alles und ist längst Chefsache.

Auch wenn manche Experten die Größe des Milliardenlochs noch nicht ganz glauben wollen, ist eines klar: Die alte und höchstwahrscheinlich neue Regierung hat im Wahlkampf mit dem Bild von der heilen Budgetwelt keine neuen Wähler gewonnen, sich selbst aber einen Bärendienst erwiesen. Noch im Juli hatte Finanzministerin Maria Fekter gesagt: „Wir haben sorgsam budgetiert.“ Jetzt sagt sie: Die Rechnungen, wonach sich ein Budgetloch auftun könnte, haben Wirtschaftsforscher erst nach der Wahl vorgelegt.

Wie viele Milliarden fehlen nun tatsächlich?

Der letzte Stand sind rund 33 Milliarden Euro, wobei vor allem die Summe für die Bankenhilfe nur geschätzt werden kann. Der frühere WIFO-Budgetexperte Gerhard Lehner oder AK-Direktor Werner Muhm sagen allerdings, dass der größte Posten – der Steuerentfall aufgrund der schwächeren Konjunktur – zu pessimistisch geschätzt wird. Es fehlten bei den Einnahmen „nur“ rund sieben statt der genannten 14 Milliarden. Eine gute Nachricht klingt anders.

Wie geht es mit der Kärntner Hypo weiter?

Regelmäßige Geldflüsse wie für Pensionen oder die Arbeitslosigkeit sind relativ leicht zu kalkulieren. Einzelprobleme wie die Kärntner Hypo sind kaum mit dem Rechenstift zu lösen. Zumindest die derzeit fehlende Hypo-Milliarde sei aus den Reserven des Finanzministeriums gedeckt, sagt Fekter. Wie es dann weitergeht, steht in den Sternen. Insgesamt geht es um den Budgetpfad für die Legislaturperiode, also bis 2018. Entsprechend heikel sind die Hochrechnungen. Minimale Abweichungen machen über die lange Frist sofort einen Unterschied von Hunderten Millionen.

Weshalb wird politisch so heftig um die „richtigen“ Zahlen gerungen?

Ob das Budgetloch schlimme 27, 30 oder doch horrende 33 Milliarden Euro ausmacht, ist schon fast nebensächlich. Inhaltlich können sich SPÖ und ÖVP vor allem ihre Wahlkampfversprechen abschminken und müssen auf einen harten Spar- und Reformkurs umschwenken.

Kanzler Werner Faymann wollte mit einer Drei-Milliarden-Euro-Entlastung schon im Jahr 2015 punkten. Und hat sich als Garant für sichere Pensionen plakatieren lassen. Auch Vizekanzler Michael Spindelegger, der ohne neue Steuern und ohne Sparpaket das Wachstum beleben und die Wirtschaft entfesseln wollte, muss nun kleinere Bötchen backen. ÖVP-Spitzenleute wie der steirische Landes-Vize Hermann Schützenhöfer wollen der Bevölkerung reinen Wein einschenken und schließen auch Steuererhöhungen nicht mehr aus.

Wie heftig wird das Sparpaket ausfallen?

2012 wurde ein 27-Milliarden-Paket für mehrere Jahre geschnürt. Um eine ähnliche Dimension könnte es auch dieses Mal gehen. Schon warnt WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller: „Man darf jetzt nicht nur sparen. Das wäre fatal.“

Notwendige Zukunftsinvestitionen in die Bildung und Forschung dürften dem Sparstift nicht geopfert werden. Auch eine Steuersenkung mit gezielter Gegenfinanzierung sei weiterhin möglich und nötig, also: Mineralölsteuer, Tabaksteuer und Grundsteuer rauf, dafür runter mit der Belastung auf dem Faktor Arbeit.

Das aus Koalitionsverhandlungskreisen bekannt gewordene Milliarden-Loch im Budget ruft nun die Grünen auf den Plan. Sie fordern einen Untersuchungsausschuss und wollen am 20. November im Nationalrat einen entsprechenden Antrag einbringen. Auch weitere politische Druckmittel - von der Sondersitzung bis zum Misstrauensantrag - schloss Klubobfrau Eva Glawischnig gegenüber der APA nicht aus.

Die FPÖ kann sich vorstellen, den von den Grünen geplanten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Budgetloch zu unterstützen. "Selbstverständlich ist alles zu unterstützen, gleich von welcher Partei, wenn ein vernünftiger Antrag zur Aufklärung und Untersuchung kommt", sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Dienstag.

"Missbrauch eines Amtes zur Wahlkampfunterstützung"

Im Visier haben die Grünen vor allem Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), aber auch Finanzstaatssekretär und SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sowie die gesamte rot-schwarze Regierungsspitze. Glawischnig sprach von "Budgetlüge" und vom "Missbrauch eines Amtes zur Wahlkampfunterstützung". Es sei die politische Verantwortung dafür zu klären, dass etwa bei der Erstellung des Budgetrahmens im Mai geschönte Darstellungen verwendet worden seien.

Für Glawischnig besteht der Verdacht, dass die seit 2012 bekannten schlechteren Wirtschaftsprognosen bewusst nicht zum Anlass genommen wurden, die Einnahmenseite bei den Steuerschätzungen neu zu bewerten. Stattdessen habe die Ministerin das Nulldefizit für 2016 weiter als ausgemacht dargestellt und sogar Spielraum für Steuersenkungsprogramme suggeriert.

Aus Sicht der Grünen am schwersten wiegt der Vorwurf gegen Fekter beim Bankenpaket. Bereits im Dezember 2012 hätten verschiedene Berichte auf ein milliardenschweres Loch hingedeutet. Im Bundesfinanzrahmen seien dennoch nur 133 Mio. Euro pro Jahr eingestellt worden - und das, obwohl Fekter selbst von einem "Fass ohne Boden" gesprochen habe.

"Es geht darum, transparent zu machen, wann welche Informationen vorgelegen sind", sagte Glawischnig. "Warum ist das passiert? Wann genau sind Entscheidungen getroffen worden? Es geht um die Klärung der politischen Verantwortung." Strafrechtlich relevantes könne sie dabei zwar noch nichts erkennen. "Aber es geht jedenfalls um den Missbrauch eines Amtes zur Wahlkampfunterstützung."

Kommentare