Graz-Wahl: SPÖ fliegt aus dem Stadtsenat

Bgm. Siegfried Nagl (ÖVP) und Michael Ehmann (SPÖ)
Sozialdemokraten blieben mit Briefwahl-Stimmen knapp über zehn Prozent. Die KPÖ erhält zweiten Sitz im Stadtsenat.

Das Endergebnis der Grazer Gemeinderatswahl hat Montagabend nach Auszählung der Briefwahl-Stimmen eine bittere Pille für die ehemalige Bürgermeister-Partei SPÖ gebracht: Sie konnte ihren Stadtsenats-Sitz nicht halten und fliegt aus der Proporz-Regierung. Der Sitz ging an die KPÖ, die nun zwei Sitze im Senat innehat. Die ÖVP blieb bei ihren drei Sitzen, die FPÖ bei einem, ebenso wie die Grünen.

Ehmann spricht von "schweren Stunden"

Ehmann kommentierte das Endergebnis: "Es sind schwere Stunden für die Grazer SPÖ, die wir gerade durchleben. Ich möchte nichts beschönigen. Was nun eingetreten ist, haben wir gestern schon befürchtet: die Tatsache, dass wir keinen Regierungsauftrag mehr haben. Ich sehe das als deutliches Zeichen. Wir werden in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten unsere Schlüsse daraus ziehen. Klar ist, wir werden ab dem heutigen Tag völlig neue Wege gehen müssen, dabei aber einen kühlen Kopf bewahren. Wir sind in einer völlig neuen Position und werden uns neu orientieren." Panik oder Schnellschüsse wolle man vermeiden.

Graz-Wahl: SPÖ fliegt aus dem Stadtsenat
Stimmenanteile bei der Wahl 2012 und 2017 im Vergleich - Säulengrafik, Sitze in Stadtsenat und Gemeinderat - Tortengrafik GRAFIK 0138-17, 88 x 104 mm

SPÖ-Klubobmann stellt Amt zur Verfügung

Nach dem Verlust des Stadtsenats-Sitzes hat SPÖ-Klubobmann Gerald Hassler am Montag sein Amt zur Verfügung gestellt. Denn ohne Regierungssitz ist das die einzige verbliebene Spitzenfunktion der Sozialdemokraten, die Ehmann ausüben könnte. Ehmann erklärte, er wolle für das Amt kandidieren. Die Wahl durch den Klub ist reine Formsache.

Für ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl wird die Koalitionsbildung ohne die SPÖ nun noch schwieriger, hatten ihm doch die Roten als einzige Partei bis zum Schluss die Stange gehalten.

Nichts verändert haben die Briefwahlstimmen bei den Mandaten: Die FPÖ bekommt acht, die NEOS eines. Die ÖVP wird mit 19 Sitzen im Gemeinderat vertreten sein, die KPÖ mit zehn, Grüne und SPÖ mit jeweils fünf.

Graz-Wahl: SPÖ fliegt aus dem Stadtsenat
ABD0131_20170205 - GRAZ - ÖSTERREICH: von links: Tina Wirnsberger (Grüne), Elke Kahr (KPÖ), Bgm. Siegfried Nagl (ÖVP), Mario Eustacchio (FPÖ) und Michael Ehmann (SPÖ) anl. der Gemeinderatswahl in Graz am Sonntag, 05. Februar 2017, in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Die ÖVP baute mit den Briefwählern ihren ersten Platz noch ein Stück aus und kommt nun auf 37,79 Prozent (plus 4,05). Die FPÖ sicherte sich mit 15,86 Prozent den dritten Platz (+ 2,11). Die Grünen legten erwartungsgemäß durch die Briefwahl noch etwas zu, dennoch blieben sie mit 10,51 Prozent und minus 1,63 Prozentpunkten unter den eigenen Erwartungen. Die NEOS schafften bei ihrem ersten Antreten in Graz auf Anhieb 3,94 Prozent und den Einzug in den Gemeinderat.
Die Wahlbeteiligung betrug 57,39 Prozent und fiel damit besser aus als 2012, als 55,47 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne geschritten waren. Bei der Bundespräsidenten-Stichwahl am 4. Dezember hatten in Graz 74,4 Prozent ihre Stimme abgegeben.

Koalitionssuche schwierig

Obwohl Nagl bei der Wahl zwei Mandate im Gemeinderat zulegen konnte, wird eine Regierungsbildung schwierig: Einigt er sich mit der FPÖ auf eine Koalition, haben die beiden Klubs gemeinsam 27 von 48 Mandaten und damit eine stabile Basis. Noch besser würde es nur zusammen mit der KPÖ aussehen, denn die beiden zusammen kommen auf 29 Mandate. Die KPÖ wurde von Nagl jedoch als Koalitionspartner im Vorfeld ausgeschlossen. Mit den geschwächten Grünen schafft die ÖVP keine Mehrheit. Vom Stadtparteitag der ÖVP hieß es nach dem Endergebnis, dass eine Agenda erstellt und verhandelt werde - und zwar mit allen, mit denen sich eine Mehrheit bilden lässt. Die KPÖ sei aber "eigentlich kein Thema", hieß es aus ÖVP-Kreisen.

KPÖ rechnet mit Schwarz-Blau

Die KPÖ teilte nach dem Ergebnis mit, dass die neue Konstellation der Mehrheitsverhältnisse im Rathaus "eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ sehr wahrscheinlich" mache. Eine Zusammenarbeit mit der KPÖ habe Nagl dezidiert ausgeschlossen. Trotzdem bleibe die KPÖ offen und werde ihre Vorschläge mit in künftige Verhandlungen nehmen.

Ex-Landesparteisekretär Christian Deutsch stellt der Wiener SPÖ den Niedergang der Grazer Parteikollegen als Rute ins Fenster: "So schaut's aus, wenn SP-Langzeit-Bgm. Nachfolge nicht rechtzeitig regeln & loslassen", twitterte er Sonntagabend als "Lehre". Woraufhin ihn Parteikollegen darauf hinwiesen, dass in der Grazer Partei in den letzten Jahren viel öffentlich gestritten wurde (mehr dazu hier).

Kern: "Plan A" war nicht schuld

SPÖ-Chef Christian Kern zieht aus der Graz-Wahl die Erkenntnis, dass es für seine Partei keine Limits nach unten gibt. Gleiches gelte aber auch in die andere Richtung, meinte er nach einem Arbeitsgespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen gegenüber Journalisten.

Der Kanzler erinnerte daran, dass die SPÖ zu Zeiten von Landeshauptmann Franz Voves in Graz noch die stärkste Kraft gewesen sei. Er sehe daher viel Potenzial, wobei es freilich für die gesamte SPÖ einen Erneuerungsprozess brauche.

Dass der von ihm präsentierte "Plan A" Schuld am schwachen Abschneiden der Grazer Sozialdemokraten gewesen sein könnte, glaubt Kern nicht: "Auf diesen Zusammenhang wäre ich nicht gekommen." Spitzenkandidat Michael Ehmann attestierte der Kanzler, dass dieser einen schwierigen Kampf "sehr formidabel" geführt habe. Eine ausdrückliche Gratulation Kerns gab es für den Wahlsieger Siegfried Nagl.

Hoch erfreut kommentierten hingegen die Bundespartei-Spitzen von ÖVP, KPÖ und FPÖ die Grazer Gemeinderatswahl.

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner freute sich in einer Aussendung über das "tolle Ergebnis" - legten doch die Grazer Parteikollegen rund um Bürgermeister Siegfried Nagl deutlich zu. Die Grazer hätten den "verlässlichen bürgerlichen Weg" der "konsequenten, verantwortungsvollen Politik" bestätigt. Den Bundesparteichef freut am Wahlausgang in der zweitgrößten Stadt Österreichs auch, dass "dieses Ergebnis zudem zeigt, dass die ÖVP auch im urbanen Raum punkten kann".

Für die KPÖ - die nur mehr in Graz und der Steiermark in Parlamenten sitzt - war der Wahlsonntag ein hoch erfreulicher, gelang es den von Vizebürgermeisterin Elke Kahr in die Wahl geführten Parteikollegen doch, Platz 2 gegen die FPÖ zu verteidigen. Das sei ein "politisch wertvolles Ergebnis", meinte denn auch KPÖ-Bundessprecher Mirko Messner in einem E-Mail-Statement. Die Grazer hätten das "konsequente soziale Engagement" und die Wohnpolitik der Grazer Kollegen "auf eindrucksvolle Weise belohnt".

Trotz schwieriger Ausgangslage habe man "schöne Stimmengewinne" erreicht, zeigte sich auch FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache in einer Aussendung erfreut. Damit sei ein "weiterer positiver Schritt" hin zu den Landtagswahlen gelungen. "Der Aufwärtstrend der FPÖ bestätigt sich auch in Graz, während Rot und Grün die großen Wahlverlierer sind", meinte Strache.

NEOS-Obmann Strolz gratulierte dem pinken Grazer Team via Twitter zum Einzug: "Wir NEOS schlagen starke Wurzeln in der zweitgrößten Stadt des Landes. Gut so."

Von den Grünen lag zunächst noch kein Statement vor.

Es sei zum Einen eine Persönlichkeitswahl gewesen. "Die ÖVP profitierte von einem massiven Amtsinhaber-Bonus durch Bürgermeister Siegfried Nagl. Bei den bestimmenden Themen des Wahlganges sieht Filzmaier Vorteile für die KPÖ, "die nicht nur das Thema Wohnen und Mieten, sondern generell sozialpolitische Themen führend bestritten hat, zu Lasten von SPÖ und Grünen".

Analyse von Politologe Peter Filzmaier

Es sei aber auch eine Stimmungslagewahl gewesen. "Während die FPÖ bei Wahlgängen 2015 und 2016 von Stimmungen zum sogenannten Ausländerthema profitiert hat, war das diesmal nicht in dem Ausmaß der Fall", sagt Filzmaier.

Die Verhandlungslage Nagls sieht der Politologe nur vordergründig dankbar. Er habe zwar mehrere rechnerische Möglichkeiten, es sei aber auch "trickreich". Koalitionen mit Blau und KPÖ-Rot wolle er nicht unbedingt, vielleicht sei "ein freies Spiel der Kräfte am attraktivsten" für Nagl. Zwei Mehrheiten müss er allerdings schnell zusammenbringen, erstens: die Wahl zum Bürgermeister im Gemeinderat und das Budget. An ebendiesem ist die Stadtregierung im Vorjahr gescheitert.

Auswirkungen auf Landespolitik?

Für die SPÖ sieht Filzmaier folgendes Problem: "Wie will man insgesamt gut in der Steiermark reüssieren, wenn man in der Landeshauptstadt kaum noch zweistellig ist?" Und die ÖVP besitze einen starken Personenbonus in Graz, irgendwann werde das wieder zur Frage führen, ob Nagl nicht ein geeigneter LH-Kandidat sei.

Augenfällig war, dass die ÖVP auf in teils von Migranten bewohnten Bezirken wie Liebenau, Wetzelsdorf, Lend, Puntigam, Straßgang und Eggenberg ihre teils soliden Mehrheiten halten und sogar ausbauen konnte. In Lend, Liebenau und Wetzelsdorf gewann man sogar jeweils ein Mandat hinzu. Verluste - im moderaten Ausmaß - gab es in sogenannten bürgerlichen Bezirken St. Leonhard, Geidorf und Mariatrost am linken Murufer. Damit dürfte sich der auch stark auf Bezirkspolitiker und -eigenheiten zugeschnittene Wahlkampf ausgezahlt haben.

Gleiches gilt für die FPÖ, die ebenfalls in der Wahlauseinandersetzung die Bezirksarbeit und -kandidaten forciert hatte. Die Blauen gewannen teils kräftig in Arbeiter- und Migrantenbezirken wie Gries und Lend oder Straßgang, Eggenberg und Puntigam rechts der Mur zu, wo sie fast überall ein Mandat im Bezirksrat dazu verdienen konnten. In Puntigam, Straßgang und Wetzelsdorf sind sie deutlich zweitstärkste Kraft. In bürgerlichen Bezirken wie St. Peter, Waltendorf, Ries und Mariatrost gab es ebenfalls leichte Zuwächse.

Die SPÖ verlor in allen Bezirken, auch ihren einstigen Hochburgen rechts der Mur massiv, zum Teil an die 9 Prozent wie in Puntigam. Die Grünen konnten allenfalls leicht zulegen, ein zusätzliches Bezirksratsmandat ging sich nirgendwo aus. Aber in den Bezirken wie Mariatrost und Andritz stellt man die zweitstärkste Kraft. Die NEOS, die nicht überall antraten, schlugen sich achtbar und erreichten aus dem Stand in Geidorf und Jakomini je ein Mandat.

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