Blümel zu Corona-Hilfen: "Es ist noch Geld da"
KURIER: Wir sind im 9. Monat der Pandemie. Bereuen Sie den Satz: „Koste es, was es wolle“?
Gernot Blümel: Nein, weil er zum damaligen Zeitpunkt völlig richtig war. Solange die Krise dauert, müssen wir so viele Arbeitsplätze und Unternehmen wie möglich retten. Die Krise ist kein Dauerzustand, daher dürfen auch die Hilfen kein Dauerzustand sein. Unter dem Deckmantel der Krise wird von mancher Seite versucht, schlechte Ideen von früher umzusetzen und die Krise zur permanenten Situation zu erklären.
Welche schlechten Ideen meinen Sie?
Auf europäischer Ebene gibt es zum Beispiel die Diskussion, ob es die Stabilitäts- und Wachstumskriterien braucht. Eindeutig: Ja! In Europa muss im nächsten halben Jahr eine Diskussion darüber beginnen, wie wir Schritt für Schritt zurückkommen zu den guten Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Wenn die Krise vorbei ist, dann müssen auch die Hilfen sukzessive auslaufen und die Budgetkonsolidierungen Schritt für Schritt beginnen. Warum? Die nächste Krise kommt bestimmt.
Die jetzige Krise hat wann begonnen und wird wann enden?
Begonnen hat die Krise vor neun Monaten – sie ist so alt wie meine Tochter, die Anfang März zur Welt kam. Die Krise wird dauern bis wir das Virus mit der Impfung besiegt haben. Bis dahin müssen wir alles tun, um weitere Einschränkungen 2021 zu verhindern. Das gelindeste Mittel dafür sind die Massentests – sowohl gesundheitspolitisch als auch volkswirtschaftlich.
Der Fixkostenzuschuss wurde bis Juni verlängert. Möglich, dass auch Härtefall-Fonds und Kurzarbeit über den März hinaus verlängert werden?
Solange wir nicht wissen, wann die Pandemie eingedämmt sein wird, solange kann ich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Die Steuerstundungen laufen im März aus, danach kann in Raten bezahlt werden. Zu einer normalen Budgetplanung kommen wir wohl erst 2022.
Trotz Steuerstundungen in Raten droht ab April ein Anstieg der Insolvenzen. Mit wie viel Pleiten rechnen Sie?
Wir hatten heuer rund 40 Prozent weniger Insolvenzen als im Vorjahr, es wird 2021 wahrscheinlich einen Nachzieheffekt geben. Wir versuchen, Vergleiche mit den letzten Krisen wie der Finanz- und Dotcom-Krise in unsere Berechnungen einzubeziehen. Es ist schwer, das hochzurechnen. Die Zahlen jetzt zeigen uns jedenfalls, dass die Hilfsmaßnahmen wirken. Ziel war es, Unternehmen, die vor der Krise gesund waren, durch die Krise zu begleiten, um nach der Pandemie möglichst schnell einen volkswirtschaftlichen Rebound-Effekt zu erzielen.
Wie viel ist von dem 50 Milliarden Euro schweren Hilfspaket noch übrig?
Das kommt darauf an, wie Sie rechnen. Da in den 50 Milliarden auch Steuerreduktionen enthalten sind, kann die Rechnung unterschiedlich ausfallen. Die Steuersenkungen wurden teils schon 2020 in Anspruch genommen, teils passiert das erst. Gegengerechnet werden muss auch die Senkung der ersten Lohnsteuerklassen und die Möglichkeit der degressiven Abschreibung. Wir haben knapp 29 Milliarden Euro rechtsverbindlich zugesagt beziehungsweise sind diese Summen bereits geflossen. Darin enthalten sind nicht nur Ausgaben, sondern auch die Garantien und Stundungen. Es ist also noch Geld da.
Der Tourismus liegt de facto brach. Wie kann die Branche wieder aus dem Winterschlaf, um es euphemistisch auszudrücken, erwachen?
Wir sind stärker betroffen als andere Länder, mit denen wir verglichen werden. Italien und Spanien sind weniger vom Tourismus abhängig als wir. Nur das BIP von Kroatien, Zypern, Griechenland und Portugal hängt stärker vom Tourismus ab als jenes von Österreich. 15 Prozent des BIP und 16 Prozent der Beschäftigung in Österreich hängen vom Tourismus ab. Im zweiten Lockdown sind die wirtschaftlichen Auswirkungen allerdings geringer ausgefallen als im ersten.
Angesichts von 500.000 Arbeitslosen ist immer wieder von verschärften Zumutbarkeitsregeln die Rede, um mehr Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen …
Es gilt das Regierungsprogramm. Die Pandemie hat uns dazu gedrängt, viele Maßnahmen über das Regierungsprogramm hinaus zu ergreifen, doch diese müssen gemeinsam beschlossen werden.
Vizekanzler Werner Kogler hat im KURIER-Interview angekündigt, dass im Herbst 2021 eine CO2-Bepreisung beschlossen wird, die ab 2022 gelten soll. Wie wird sie aussehen?
Die Frage ist, wie man die bereits vorhandenen CO2-Steuern in Österreich bewertet. Was zählt man dazu? Im Verkehr sind wir mit NoVA, Kfz-Steuer, Sprit und Vignette schon sehr gut unterwegs. Wenn man aber zum Beispiel das Heizöl verteuert, wäre das sozial für viele Haushalte eine Katastrophe.
Die Sparquote ist heuer auf 14 Prozent gestiegen – trotz Nullzinsen fürs Sparbuch. Gleichzeitig haben wir Unternehmen, die eine sehr geringe Eigenkapitalquote haben. Kann es bedingt durch Corona schneller zu Entscheidungen kommen, wie man Geld vom Sparkonto in die Wirtschaft bringt?
Ich gehe davon aus, dass der Großteil des Geldes auf klassischen Sparbüchern liegt. Das hat den Nachteil, dass die Zinsen niedrig sind. Volkswirtschaftlich hat es mittelfristig den Vorteil, dass dieses Geld wieder in den Konsum fließt. Das passiert, wenn Optimismus und Konsumfreude zurückkommen. Zudem stellt sich die Frage, wie man generell in Österreich mit der Altersvorsorge umgeht. Deshalb haben wir im Regierungsprogramm vereinbart, dass wir eine Behaltefrist für Wertpapiere wollen. Falls die Frist überschritten ist, sollen keine Kapitalertragssteuern anfallen. Das soll ein Anreiz sein, damit die Menschen statt auf das Sparbuch auf Unternehmensanteile setzen.
Sie müssen irgendwann das Budget konsolidieren. Wo kommt das Geld, das jetzt ausgegeben wurde, her?
Aktuell kommt das Geld von den Kapitalmärkten. Da haben wir eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: Wir verschulden uns massiv. Die gute: Wir machen das zu sehr, sehr günstigen Konditionen. Ein Grund dafür ist, dass wir in den letzten Jahren eine solide Haushaltspolitik gemacht haben.
Woher kommt das Geld in Zukunft?
Sobald absehbar ist, dass die Pandemie vorbei ist, müssen wir langsam zu einer Normalisierung kommen. Wir können aber nicht von heute auf morgen sagen: Cut, jetzt gibt es wieder die Politik von davor. Der Weg zu einer Senkung der Schuldenquote führt aus meiner Sicht über Wachstum – nicht über Einsparungen oder massive Steuererhöhungen. Wir haben es die letzten Jahre geschafft, durch eine solide Standortpolitik die Schuldenquote von 85 auf 70 Prozent runterzubringen. Und das ist auch der Weg für die Zukunft.
Kurze Biografie
Gernot Blümel (39) ist in Wien geboren und in Moosbrunn (NÖ) aufgewachsen. Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger war sein politischer Förderer.
Schnelle Karriere
Wurde 2013 überraschend Generalsekretär der ÖVP. Seit 2016 ist er Wiener Landesparteiobmann, seit 2019 Finanzminister.
Tiefrote Zahlen
Mit seinem ersten Budget schreibt er – aufgrund der Pandemie – tiefrote Zahlen. Um 7,3 bis 7,5 Prozent dürfte die Wirtschaftsleistung heuer einbrechen.
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