"Bin nicht Martina": Kurz wirft Korruptionsjägern "Verfehlungen" vor
Eigentlich war es eine Pressekonferenz, um einen Pfad für weitere Lockdown-Lockerungen zu präsentieren. Kanzler Sebastian Kurz nutzte die Gelegenheit und machte seinem Ärger über die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel Luft. Er warf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) „viele Verfehlungen“ vor, es gibt „dort dringenden Änderungsbedarf“.
So scharfe Kritik gegenüber der Justiz hört man selten von einem Bundeskanzler – aber das war noch nicht alles: „Ich bin Sebastian Kurz, nicht Martina Kurz“, meinte er in Anspielung auf einen Eintrag im Terminkalender von Novomatic-Gründer Johann Graf.
So richtig „sauer“, um es umgangssprachlich zu formulieren, zeigte sich auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger. „Das kann so nicht weitergehen“, wetterte er gegenüber dem KURIER.
Deswegen fordert die ÖVP nun die Installierung eines Bundesstaatsanwaltes. Noch bei den Koalitionsverhandlungen vor 14 Monaten war die Schaffung eines unabhängigen Bundesstaatsanwaltes zur Kontrolle der Staatsanwaltschaften für die Türkisen denkunmöglich.
Bis gestern.
Wie das Amt ausgestaltet sein soll, das konnte Wöginger noch nicht konkret definieren. „Wir wollen eine breite Diskussion mit Richtern, Staatsanwälten, Justiz-Experten.“
Seltsames SMS: Novomatic-Boss Harald Neumann versuchte 2017 via Gernot Blümel einen Termin bei Sebastian Kurz zu bekommen. Im SMS erwähnt er eine Spende und bittet um Hilfe bei Novomatic-Problemen in Italien. Das ist für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein möglicher Hinweis, dass es eine Gegenleistung – Parteispende gegen Amtsgeschäft – gegeben hat
Durchsucht: Die Justiz hat die Wohnung von Blümel durchsuchen lassen – ein bislang einmaliger Vorgang
Parlamentskontrolle
Aber nach der illegalen Hausdurchsuchung im BVT, den zahlreichen Leaks, einer Anzeige gegen eine Journalistin sowie gegenseitigen Abhörungen und Anzeigen innerhalb der Beamtenschaft – womit Wöginger auf den Dauerkonflikt zwischen WKStA und Sektionschef Christian Pilnacek anspielt – muss es eine Veränderung geben, so der Tenor von Wöginger. Die Grünen versuchten die Haltungsänderung als ihren Erfolg zu verkaufen.
Aber der „Gust“, wie Wöginger genannt wird, will mehr: So wünscht sich der ÖVP-Klubobmann mehr parlamentarische Kontrolle für die Staatsanwaltschaft. „Es gibt ja auch einen geheimen Unterausschuss für Inneres. Nach diesem Modell könnte man ein neues parlamentarisches Kontrollinstrument aufsetzen“, so der ÖVP-Klubchef gegenüber dem KURIER.
Ob dieser Unterausschuss begrüßt wird ist fraglich. Hingegen die Idee eines Bundesstaatsanwaltes gefällt Richtern wie auch Staatsanwälten. Deren Vorsitzende Cornelia Koller pochte auf einen großen Wurf. Der Bundesstaatsanwalt solle von einer vom Bundespräsidenten eingesetzten Kommission bestellt werden und bis zur Pension im Amt bleiben.
SPÖ Justizsprecherin Selma Yildirim will einen vom Parlament gewählten, unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt als Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden. Dieser soll auf eine Dauer von zwölf Jahren bestellt werden und nicht wiedergewählt werden können.
Vor- und Nachteile
Einer, der dieses Amt weniger euphorisch bewertet, ist der Vorstand von Transparency International Österreich und Ex-Oberstaatsanwalt Georg Krakow. Für ihn hat der Bundesstaatsanwalt auch einige Nachteile. „Ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt steht viel weniger unter der öffentlichen Kontrolle als ein Justizminister. Ein Justizminister würde sich heute nicht trauen, eine Weisung zur Einstellung eines Verfahrens zu machen. Der Bundesstaatsanwalt könnte das schon“, meint Krakow.
Auf jeden Fall muss es mehr als eine Person geben, die dieses neue Amt ausübt. Krakow spricht sich für ein Gremium von drei bis fünf Personen aus, damit nicht einer allein agieren kann. „Gibt es nur einen Bundesstaatsanwalt, dann wird die Lage nicht transparenter“, gibt Krakow zu bedenken.
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