Steuern runter Ja - aber wie und wann?

Nicht vor 2016 sieht VP-Finanzministerin Fekter Spielraum für eine Steuerreform. SP-Staatssekretär Schieder will schon 2015 entlasten.
Geht es nach der SPÖ, soll der Mittelstand bald mehr Geld im Börsel haben. Zahlen sollen die Entlastung die Millionäre. Doch Steuerexperten hegen Zweifel an der Rechnung.

Eigentlich war alles ganz anders geplant: Beim letzten Ministerrat vor der Wahl wollte die Regierung Geschäftigkeit signalisieren: Wir arbeiten bis zum Schluss, so die Botschaft. Syrienkrise, Hochwasserschutz, Kriminalitätsbekämpfung standen auf der Tagesordnung.

Doch die Medienvertreter interessierten sich nur für die neuen Steuerpläne der SPÖ. Was sagt die ÖVP dazu? VP-Chef Michael Spindelegger wechselt kaum den Tonfall, als er sagt: „Das ist ein faules Wahlzuckerl. Ich sehe nicht, wie das finanziert werden soll – außer wir machen neue Schulden.“ Die SPÖ streue den Wählern „zwei Wochen vor der Wahl Sand in die Augen“. Kanzler Faymanns Konter: „Auch bei der letzten Steuerreform hat die ÖVP vorher erklärt, es gibt keinen Spielraum.“

Geht es nach der SPÖ, sollen die Lohnkosten mit 1. Jänner 2015 um drei Milliarden Euro sinken. Am Nachmittag rückte SP-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder aus, um die Details zu erläutern. „Von der Steuerreform profitieren alle, auch die ganz oben.“ Am stärksten spüren sollen die Reform jene, die zwischen 1500 und 4000 Euro brutto pro Monat verdienen (siehe Tabelle). Ein Alleinverdiener mit 3500 Euro soll so gar 1004 Euro mehr im Jahr in der Tasche haben. Gelingen soll dies wie berichtet mit der Umstellung der Lohnsteuertabelle von drei auf fünf Steuerstufen und der Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 Prozent.

Wer soll profitieren?

Über eine Senkung der Eingangssteuersätze herrscht zwischen SPÖ und ÖVP weitgehend Einigkeit – findet sie sich doch auch im ÖVP-Wahlprogramm. Umstritten sind aber der Zeitpunkt der Entlastung, die Profiteure und die Finanzierung.

„Die ÖVP will keine Steuersenkungen mit der Gießkanne“, sagte Klubchef Karl-Heinz Kopf am Dienstag. Und: Geht es nach der ÖVP, muss erst ein ausgeglichenes Budget her. Zudem pochte VP-Chef Spindelegger wiederholt darauf, zuerst die Familien zu entlasten: Ein Steuerabsetzbetrag soll jeder Familie 7000 Euro pro Kind jährlich bringen. Kostenpunkt: 2,5 Milliarden Euro.

Schließlich sollen auch die Besserverdiener profitieren: Dass ab 60.000 Euro schon 50 Prozent Steuer fällig werden, wurde in VP-Kreisen mehrfach als zu früh kritisiert – schließlich liege die Schwelle in Deutschland bei 250.000 Euro (siehe rechts).

Kleine gehen leer aus

Steuern runter Ja - aber wie und wann?
Podiumsdiskussion, Energie und Umwelt im Haus der Musik am 15.01.2013
Doch auch vom SP-Steuermodell profitieren bei Weitem nicht alle Österreicher: 40 Prozent der Österreicher würden so wenig verdienen (unter 11.000 Euro/Jahr), dass sie vom SP-Vorstoß nicht profitieren, sagen die Wirtschaftsforscher. Hilfreicher sei da eine Senkung der Sozialversicherung. IHS-Chef Christian Keuschnigg hält den Vorstoß dennoch für sinnvoll: „Der Tarifsprung beim Eingangssteuersatz ist sicher zu hoch. Das kann zur Armutsfalle werden, weil es keinen Anreiz gibt, über diese Schwelle zu kommen. Der Eingangssteuersatz könnte gut auf 25 Prozent abgesenkt werden.“ Aber: Weil davon auch Besserverdiener profitieren, „sind die Steuerausfälle groß“, der Budget-Spielraum gering. Auch WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller warnte zuletzt eindringlich vor Wahlgeschenken.

Reform auf Pump?

Erfolgt die Steuerreform daher auf Pump? Ja, glaubt Finanzministerin Maria Fekter – und will erst ein Nulldefizit. Nein, sagt SP-Finanzstaatssekretär Schieder: „Die Steuerreform ist aufkommensneutral. Es entstehen keine Kosten für das Budget und wir machen keine neuen Schulden.“

Schieders Rechnung: 800 Millionen Euro soll die Steigerung der Kaufkraft in die Kassen spülen, 100 Millionen Verwaltungseinsparungen, 100 Millionen der Kampf gegen Steuerbetrug, 500 Millionen eine Erbschaftssteuer und rund zwei Milliarden eine Millionärssteuer. Doch ist die SP-Rechnung realistisch? Keuschnigg hat seine Zweifel: „Vermögenssteuern würden wachstumshemmend wirken.“ Dann gehe die SPÖ-Rechnung mit der höheren Kaufkraft „wohl nicht auf.“

Steuern runter Ja - aber wie und wann?

„Derzeit ist ein gut verdienender Manager in Deutschland besser dran als in Österreich“, analysiert Stefan Bach, Steuerexperte beim DIW (Deutsches Institut der Wirtschaft) in Berlin. Denn nicht nur sind die Einkommensteuersätze im Nachbarland niedriger, sie setzen auch erst bei höheren Jahreseinkommen ein (siehe Grafik).

Allerdings gibt es zwei markante Einschränkungen: Die eine betrifft unverheiratete Spitzenmanager, die in Deutschland draufzahlen. Die andere hängt vom Wahlausgang am kommenden Sonntag ab. Die SPD und die Grünen wollen gut Verdienende stärker zur Kasse bitten. Womit Deutschland die Einkommen im Endeffekt stärker besteuern würde als Österreich, so Bach.

Die SPD will nämlich von 60.000 bis 100.000 Euro Jahreseinkommen einen zusätzlichen Steuersatz einführen, der auf 49 Prozent ansteigt. Rechnet man den „Solidaritätsaufschlag“ für den Aufbau Ost von 5,5 Prozent ein, würde der Steuersatz somit auf 51,7 Prozent klettern. Die deutschen Grünen wollen, dass diese 49 Prozent sogar schon ab 80.000 Euro einsetzen.

Derzeit steigen deutsche Spitzenverdiener noch besser aus. Zwar gibt es seit 2007 eine Reichensteuer. Diese ist aber mit 47 Prozent – den „Soliaufschlag“ eingerechnet – deutlich niedriger als der österreichische Spitzensteuersatz von 50 Prozent. Und die Reichensteuer gilt erst ab einem versteuerbaren Jahreseinkommen von 250.000 Euro. Bis dahin gilt ein Steuersatz von 43 Prozent samt „Soli“. In Österreich müssen Spitzenverdiener von jedem Euro über 60.000 Euro pro Jahr 50 Cent abliefern.

Ehegatten-Splitting

Ein Grund, warum deutsche Steuerzahler in der Regel besser wegkommen als Österreicher, ist das Ehegatten-Splitting. „Dabei wird so getan, als würde sich das Einkommen auf zwei Personen verteilen“, erklärt Bach. Besonders für Alleinverdiener oder bei stark unterschiedlichen Einkommen von Lebenspartnern bedeutet das eine massive Entlastung. Der Vorteil für Eheleute gilt seit den 1950er-Jahren fast unverändert. Erst im Sommer 2013 entschieden die Verfassungsrichter in Karlsruhe, dass auch eingetragene gleichgeschlechtliche Paare davon profitieren dürfen.

Allzu groß sind die Unterschiede in der Steuerlast für Top-Verdiener nicht: In Deutschland kassiert Finanzminister Wolfgang Schäuble von einem alleinstehenden Manager mit 300.000 Euro Jahresgage an die 126.000 Euro; sein verheiratetes Pendant zahlt 10.000 Euro weniger. Kollegin Maria Fekter schaut nicht auf den Trauschein. Sie ist mit 119.500 Euro Lohnsteuer zufrieden.

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