Billiger tanken nur mehr für Ungarn? "Das ist klar EU-rechtswidrig"
Die ungarische Regierung stoppt ab heute, Freitag, den sogenannten "Treibstoff-Tourismus". Tank-Touristen aus Österreich können damit ab heute in Ungarn kein billiges Benzin mehr bekommen. Ab heute dürfen nur noch Fahrzeuge mit ungarischem Kennzeichen für den billigen Einheitspreis von 480 Forint (1,22 Euro) für einen Liter Benzin bzw. Diesel tanken, wie der ungarische Kanzleiminister Gergely Gulyás am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Budapest bekannt gab.
Der EU-Rechtsexperte Walter Obwexer, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck, sieht einen klaren Verstoß gegen EU-Recht, das eingeklagt werden kann.
KURIER: Ab heute dürfen nur mehr Pkw mit ungarischen Kennzeichen billiger tanken, alle anderen müssen den üblichen EU-Marktpreis zahlen. Ist das nicht EU-rechtswidrig, weil es EU-Ausländer diskriminiert?
Walter Obwexer: Diese Einschränkung auf Personen die in Ungarn ihren Wohnsitz haben, denn nur die haben ein ungarisches Kennzeichen, ist aus meiner Sicht eine indirekte Diskriminierung - und das ist grundsätzlich verboten, außer es gibt wichtige Gründe, die nicht mit finanziellen Überlegungen zu tun haben und verhältnismäßig ausgestattet sind.
Wie könnte die ungarische Regierung das rechtfertigen?
Ich gehe davon aus, dass die ungarische Regierung sich rechtfertigt, dass dieser gestützte Benzinpreis das ungarische Staatsbudget stark belasten würde, wenn auch die Österreicher und alle anderen davon profitieren. Nur ist das sicher kein gültiger Rechtsfertigungsgrund, daher ist diese Maßnahme unionrechtswidrig.
Aber was heißt das? Wir müssten warten, bis der Europäische Gerichtshof die Regelung aufhebt?
Ja, einerseits könnte die EU-Kommission von sich aus tätig werden und ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Wohlgemerkt sie könnte, muss es aber nicht. Oder die Kommission könnte den EU-Gerichtshof anrufen mit einem einstweiligen Rechtsschutz. Der EuGH könnte dann rasch eine Entscheidung treffen - eben weil es offenkundig unionsrechtswidrig ist. Das ginge innerhalb recht kurzer Zeit, das könnte noch im Laufe des Sommers sein.
Der andere Weg wäre, dass Personen, die mit einem z.B. österreichischen Kennzeichen den höheren Preis tanken, Klage vor Gericht in Ungarn einbringen, und die Differenz auf den günstigeren Preis einklagen. Wenn sie in Ungarn nicht Recht bekommen, könnte der EuGH angerufen werden, allerdings dauert das wieder Jahre.
Unterm Strich heißt das, dass auf die schnelle keine mit dem Unionsrecht konforme Lösung möglich ist.
Wofür haben wir dann ein Unionrecht mit dem Verbot der Diskriminierung, wenn es so leicht aushebelbar ist?
Das Unionsrecht beruht letztlich auf einer Rechtsunion und geht davon aus, dass die Mitgliedsstaaten sich daran halten. Wenn sie es nicht tun, gibt es Mechanismen, damit sie sich daran halten. Doch diese Rechtsmittel dauern seine Zeit. In dem Fall hängt es also stark davon ab, wie die EU-Kommission das sieht und ob sie das als rechtswidrig ansieht.
Fänden Sie es klug, wenn die EU-Kommission deshalb Ungarn klagt? Das Energiethema ist derzeit sehr heiß diskutiert, die Ungarn sperren sich etwa gegen einen Boykott von russischen Fossilenergien?
Aus meiner Sicht müssen sich EU-Mitgliedsstaaten an das geltende Recht halten. Wenn ein Staat Maßnahmen gegen hohe Energiepreise setzt, muss das derart gestaltet sein, dass es rechtlich in Ordnung ist, also nicht nur die eigenen Staatsbürger begünstigt werden. Es wäre ja etwas anderes, wenn Ungarn gezielte arme Familien unterstützt mit einem finanziellen Zuschuss, den darf man auch nur ungarischen Staatsbürgern gewähren. Es gibt sehr wohl rechtskonforme Lösungen gegen die hohen Preise. Die EU-Kommission wäre also aus meiner Sicht gut beraten, darauf zu achten, dass Unionsrechts auch eingehalten wird.
Darf man sich da doppelt ärgern als Österreich, dass Ungarn als EU-Netto-Empfänger auch Geld aus Österreich bekommt, die ungarische Regierung aber damit nur Ungarn unter die Arme greifen will?
Das kann man so rechtlich sicher nicht sagen. Die Mittel der EU sind zweckgebunden und fließen nicht direkt in die Unterstützung der Benzinpreise. Als Bürger darf man sich aber schon ärgern.
So oder so würde es jedenfalls monatelang dauern, bis diese rechtswidrige Diskriminierung aufgeboben wird?
Ja, selbst eine einstweilige Anordnung würde lange dauern. Eine private Klage vor einem ungarischen Gericht würde Jahre dauern, bis sie vor dem EuGH verhandelt wird.
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