Warum sollte ein junger Mensch Lehrer werden wollen? Müssen die Gehälter angehoben werden?
Die Gehälter wurden bereits angehoben. Die Gehaltskurve verläuft flacher, aber im Vergleich zu anderen Gehältern und Branchen durchaus im gehobenen Bereich. Wir sehen aber auch, dass viele Lehrkräfte Teilzeit unterrichten, obwohl der Bedarf an Mehrstunden gegeben ist.
Der nationale Bildungsbericht sagt, dass über 40 Prozent der Schüler in den Risikogruppen Mathematik und Deutsch sind, der PISA-Test zeigt seit 20 Jahren, dass nach acht Jahren Schule zwischen 20 und 25 Prozent der Kinder nicht sinnerfassend lesen können. Wie bewerten Sie das?
Wir sehen hier Handlungsbedarf. Wir haben deshalb ja in den letzten Jahren auch die Förderstunden entsprechend erhöht. Wir müssen noch mehr darauf achten, dass die Kinder auch über die entsprechenden Deutschkompetenzen verfügen. Deshalb bin ich auch zutiefst davon überzeugt, wie auch mein geschätzter Vorgänger, dass wir die Deutschförderklassen brauchen.
Aber das ist kein Problem nur von Migranten.
Nein. Aber wir müssen auch darauf achten, dass keine Person das Schulsystem verlässt, die nicht über entsprechende Grundkompetenzen verfügt. Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir eine Bildungspflicht einführen.
➤ Warum so viele Lehrer fehlen und was man dagegen tun könnte
Was soll das sein?
Das Ziel dabei ist klar: Keine Person darf das Bildungssystem verlassen, die nicht über die entsprechenden Kompetenzen verfügt.
Auch wenn man die Schulpflicht erfüllt hat, muss man weiter in die Schule gehen?
Man wird nicht weiter in die Schule gehen müssen. Aber man wird auf jeden Fall Fördermaßnahmen absolvieren müssen, damit jeder diese Kompetenzen hat.
Warum dürfen die Mittelschulen so etwas wie Leistungsgruppen eigentlich nicht im Rahmen der Schulautonomie umsetzen? Wäre das nicht für einen effizienteren Unterricht sinnvoll?
Gruppenbildungen in Leistungsniveaus sind zulässig, sofern den Schülerinnen und Schülern bei entsprechend besserer Leistung die Möglichkeit bleibt, in das höhere Leistungsniveau zu wechseln. Das Unterrichtssetting wird am Schulstandort durch die Pädagoginnen und Pädagogen gemeinsam mit der Schulleitung bestimmt.
Alle Experten sagen, dass Investitionen in die frühkindliche Bildung sinnvoll sind, jeder Euro komme bis zu acht Mal an den Staat zurück. Wie sehr sind Sie dahinter, dass bei den 15a Verhandlungen in diesem Bereich Substanzielles herauskommt?
Ja, die ersten Bildungsjahre eines Kindes sind von wesentlicher Bedeutung für den weiteren Bildungsverlauf. Aus diesem Grund stellen wir als Bund für die aktuelle Vereinbarung für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 insgesamt eine Milliarde Euro für elementare Bildungsangebote zur Verfügung. Zudem habe ich den jährlichen Zweckzuschuss um 40 % – von 142,5 auf 200 Millionen Euro – erhöhen können. Wir unterstützen die Länder tatkräftig finanziell in der Elementarpädagogik.
Mit den Mittelschulen haben wir durch das Teamteaching (zwei Lehrer pro Stunde in den Hauptfächern) die mit Abstand teuerste Schulform, die Leistungen sind aber schwach. Es wurde nie evaluiert.
Wir haben nicht nur in den Mittelschulen ein Thema mit Kindern aus bildungsfernen Schichten. Das haben wir auch in der Primarstufe. Wir müssen darauf schauen, dass die Kinder eine entsprechende Förderung bekommen. Gerade Mittelschulen stehen in Städten vor großen Herausforderungen. Deshalb haben wir auch das Projekt „100 Schulen, 1.000 Chancen“ gestartet. Wir evaluieren gerade 100 Schulen zur Frage: Was kann man tun, um etwas zu verbessern. Welche Regeln, welche Autonomie, welche Ressourcen müssen wir solchen Schulen geben, damit die Leistungen verbessert werden?
Es geht aber eigentlich um 600 bis 700 Brennpunkt-Schulen.
Ich will mich auf keine Zahlen festlegen. Aber es geht jetzt einmal um 100 Schulen, um Daten zu sammeln. Wir brauchen ein klares Bild davon, was Schule im 21. Jahrhundert leisten können muss, und was der Schule nicht übertragen werden kann.
Was kann nicht übertragen werden? Die Erziehung?
Ja. Ich glaube wir werden auch aktiver wieder den Eltern vermitteln müssen, dass sie ihren Anteil an der Erziehung der Kinder haben.
Was, wenn ihnen das egal ist? Wollen Sie die Eltern dann bestrafen?
Nein, ich will überhaupt niemanden bestrafen. Wir werden mehr noch mit Informationen arbeiten müssen. Aber ich hätte gerne, dass wir zu einem klaren Bild kommen, was wir uns alle unter Schule vorstellen, was wir uns erwarten. Denn wenn wir wollen, dass Schule besser wird, dann müssen wir eine gemeinsame Vorstellung davon entwickeln, was wir darunter verstehen, wie Schule besser wird.
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