Medien sind davon, wie gesagt, ausgenommen – das Redaktionsgeheimnis gilt ohne Wenn und Aber. Der VfGH befand, dass das zu weit geht und es eine Abwägung braucht zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und den Rechten von Betroffenen.
Ein Entwurf aus dem Justizministerium, der den Verhandlern im Februar vorgelegt wurde, lässt Übles ahnen: Dem Vernehmen nach komme es „zumindest zu einer Relativierung des Redaktionsgeheimnisses“, sagt Medienanwalt Michael Borsky, der eine „deutliche Verschlechterung der Situation“ sieht.
Zwar werde darin klargestellt, dass der „Quellenschutz umfassend gewährleistet werden und das Redaktionsgeheimnis unangetastet bleiben“ soll. Aber schon allein die Tatsache, dass jeder Betroffene beliebig oft und kostenlos eine Auskunftsanfrage stellen darf, würde Medienunternehmen de facto lahmlegen.
Langer, teurer Rechtsstreit
In der Praxis hieße das: Ein Betroffener fragt beim KURIER an, bekommt aber mit Hinweis auf das Redaktionsgeheimnis eine abschlägige Antwort. Dann kann er sich mit einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde wenden, und der KURIER muss erklären, warum er die Auskunft nicht erteilt bzw. die Daten nicht löscht. Die Folge kann ein langer – und vor allem teurer – Rechtsstreit werden. „Und theoretisch kann jeder Betroffene das jede Woche machen“, sagt Borsky.
Selbst wenn also das Redaktionsgeheimnis und der Quellenschutz gewahrt bleiben, müssten diese Grundpfeiler (investigativ-)journalistischer Arbeit in jedem Einzelfall und unendlich oft verteidigt werden.
Was dazu führen könnte, sagt Borsky, dass sich Journalisten künftig „drei Mal überlegen, ob sie einen Aufdecker-Artikel schreiben, weil sie riskieren, dass ihr Arbeitgeber mit Beschwerden überschüttet wird“.
So sieht es auch Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ): „Der Datenschutz droht zur Waffe gegen Medien und Journalisten zu werden.“
Auch der Presseclub Concordia ist alarmiert. „Wichtig wäre, dass Redaktionen generell von diesen Bestimmungen ausgenommen sind“, sagt Generalsekretärin Daniela Kraus. Sie ist aber zuversichtlich, dass es noch zu Verbesserungen kommt.
Neue Version liegt vor
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Auf grüner Seite ist zu hören, dass die Auskunftsrechte von Betroffenen unumgänglich seien, wenn man dem VfGH-Erkenntnis gerecht werden will. Man sei aber für Verbesserungsvorschläge und Korrekturen offen. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt wurde damit befasst, eine Rückmeldung steht noch aus.
Eine alternative Fassung, die dem KURIER zugetragen wurde, klingt schon deutlich besser: Demnach sollen professionelle Medien erst dann Auskunft erteilen und/oder Daten bzw. Artikel löschen müssen, wenn es eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung gibt – wenn also der Betroffene auf straf-, zivil- oder medienrechtlicher Ebene recht bekommen hat.
„Es hätte gute Gründe, das so zu regeln“, sagt Verfassungsjurist Christoph Bezemek. Der VfGH fordert für die Medien zwar eine differenziertere Lösung, betont aber in seinem Erkenntnis auch die wichtige Rolle der Medien als „Public Watchdog“. Und fest stehe laut Bezemek: „Datenschutz im Vollausbau und professioneller Journalismus gehen nicht auf eine Kuhhaut.“ Vor diesem Hintergrund brauche es eine flexible und großzügige Lösung.
Katastrophenfall
Im schlimmsten Fall – und auch das ist momentan nicht ausgeschlossen – kommt bis Ablauf der Frist am 30. Juni, die der VfGH gesetzt hat, gar keine Neuregelung mehr zustande. Offenbar will die ÖVP das Medienprivileg mit dem Zitierverbot junktimieren (mehr dazu hier) – die Grünen sind aber strikt dagegen.
Ohne Neuregelung fällt das Medienprivileg mit 1. Juli komplett und Medien sind dem Datenschutzgesetz mitsamt Auskunfts- und Löschungspflicht voll ausgeliefert. „Für die Medienlandschaft wäre das eine Katastrophe“, sagt Medienanwalt Borsky.
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