Babler: "Beteilige mich nicht an alten Rivalitäten"
Bislang galt Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (50) als Parteirebell. Jetzt bewirbt sich der Niederösterreicher um den Vorsitz in der Bundes-SPÖ.
KURIER: Sie sind erfolgreicher Bürgermeister in Traiskirchen, Sie haben bei der Landtagswahl den Einzug in den Bundesrat geschafft. Warum tun Sie sich diese schwierige Mission an und stellen sich der Mitgliederbefragung um den Parteivorsitz in der SPÖ?
Andreas Babler: Das ist eine Entscheidung, die man aus dem Innersten heraus trifft. Ich bin, so wie viele Mitglieder, schon seit Jahrzehnten Teil der sozialdemokratischen Familie. Mit denselben Motiven, dass man für etwas brennt, dass man gemeinsam etwas organisiert, etwas bewegen will und Visionen hat. Jetzt sehen wir, dass das ein kollektiver Frust geworden ist, was in den vergangenen Jahren, Monaten und Wochen an Schauspiel aufgeführt worden ist, um es ganz locker zu sagen. Und es muss nun ganz einfach eine Perspektive geben, das zu überwinden.
Seit Sie in der Debatte um ein Berufsheer gegen die Linie des damaligen Kanzlers Werner Faymann aufgetreten sind, gelten Sie als Parteirebell. Ist Ihnen diese Bezeichnung in der SPÖ geblieben?
Immer weniger. Ich bin mittlerweile neun Jahre als Bürgermeister im Amt, bin gut gebucht und besucht vom Boden- bis zum Neusiedler See, habe auch international für die Sozialdemokratie gearbeitet. Es mögen manche noch diese Parteirebell-Bezeichnung verwenden, ich fühle mich aber stark verortet in der Sozialdemokratie. Was mich in diesen Fragen vielleicht auszeichnet, ist, dass ich klare Positionierungen beziehe. Viele sehen mich deshalb auch als klassischen Sozialdemokraten.
Sie werden auch immer im linken Flügel der Partei verortet …
Es ist immer die Frage, was man darunter versteht. Wenn es links ist, dass man sich für diese Leute einsetzt, die sich Politik nicht kaufen können, die ihre Lebensinteressen einfach schwer durchsetzen müssen, die keine starke Lobby haben, dass man in Österreich dafür sorgt, dass jedes Kind ein warmes Essen hat, ganz egal wie finanziell stark der Haushalt dahinter ist, dann kann man gerne links dazu sagen.
Links bedeutet mehr Staat, weniger privat. Bei einem Themenrat der SPÖ haben Sie dafür plädiert, dass Bereiche wie Gesundheit, öffentliche Infrastruktur oder Verkehr dem Privatbereich entzogen werden. Was sind da Ihre Ziele? Da braucht es klare Ansagen für all das, wo die Privatisierungswellen für große Probleme gesorgt haben. Wir haben in der Corona-Pandemie gesehen, wie das Gesundheitssystem ins Wanken gekommen ist wegen des jahrelangen Drucks der Privatisierung und des Herunterfahrens der Kapazitäten. Man sieht es in der Grundversorgung, wo wegen der Privatisierung jetzt die großen Nachteile da sind. Zuletzt haben wir gesehen, was im ungezügelten Energiesektor ohne staatlichen Eingriff passiert. Dazu muss man ein Bekenntnis haben, und ich glaube, die Sozialdemokratie ist bereit, das wieder klarer zu artikulieren. Es geht aber nicht nur um Staat gegen Privat, es geht auch um gesellschaftliche Verantwortung.
Das Wort Verstaatlichung hat seit der Ära von Bruno Kreisky in Österreich allerdings ein negatives Image.
Es geht nicht nur um Verstaatlichung, es geht um einen gesellschaftspolitischen Anspruch. Die Politik muss erkennen, dass sie dazu da ist, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Das vermissen wir seit den 1990er-Jahren.
Sie haben sich auch mit Ihrer Asylpolitik einen Namen gemacht. Traiskirchen beherbergt Österreichs größtes Flüchtlingslager. Wie ist es Ihnen da gelungen, dass in der Stadt die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippt?
Es gibt zwei große Ansatzpunkte. Das eine ist eine humanistische Betrachtungsweise. Die steht drüber, und das spüren die Menschen auch. Für mich ist es ein Prinzip, Respekt gegenüber anderen Menschen zu haben. Das sind Werte, auf die wir alle miteinander sehr stolz sind, wenn wir das schaffen. Das ist ein guter Ansatz für die Politik, Respekt vor anderen Menschen zum Programm zu machen. Das zweite sind Macherqualitäten, die man braucht, um die Aufgabenstellungen, die durch die Bundespolitik ausgelöst worden sind, aufzuzeigen und praktische Lösungsansätze anzubieten.
In Traiskirchen kann man die Menschen mithilfe des direkten Kontakts überzeugen, österreichweit stelle ich es mir schwierig vor, mit so einer liberalen Asyllinie durchzukommen … Wohin es führt, dass man als SPÖ zeigt, dass man auch gut Leute abschieben kann, haben wir ja gesehen. Man hat schon damals Jörg Haider groß gemacht, weil man das Thema so besetzt hat. Jetzt führt es dazu, dass man Herbert Kickl groß macht. Und als Gegenthese: Sie würden sich wundern, wie viele Stimmen ich bei der Landtagswahl von FPÖ- oder von ÖVP-Wählern, denen die Linie der Regierung zu hart ist, erhalten habe.
Kommen wir zur SPÖ. Die Mitgliederbefragung scheint eine schwierige Sache zu sein, weil schon drei Präsidiumssitzungen nötig waren, um Rahmenbedingungen festzulegen.
Leider.
Im Vorfeld spürt man Misstrauen und sehr viel Aufarbeitung von alten Rivalitäten.
Zur Mitgliederbefragung will ich nichts mehr sagen, ich bin der Letzte, der in diesen Prozess involviert war. Zur politischen Einordnung: Ich will mich da gar nicht an alten Rivalitäten beteiligen, ich stehe für ganz etwas anderes. Ich habe in meiner Zeit in der Sozialdemokratie inhaltlich viele harte Diskussionen führen müssen. Aber am Tag eins nach diesen Entscheidungen haben wir dann wieder miteinander Politik gemacht. Ich bemühe mich jetzt schon, mit allen möglichen Amtsträgern der Sozialdemokratie Kontakt zu halten und alle Kanäle offen zu halten. Es kann ja nicht sein, dass man sich nach der Mitgliederbefragung trotzig in ein Eck zurückzieht. So kann man weder als SPÖ gut aufgestellt sein, noch Wahlen gewinnen.
Der Tag eins wird unterschiedlich diskutiert. Für manche in der SPÖ-Zentrale ist die Befragung nur eine Meinungskundgebung. Sie hätten gerne eine Stichwahl, wenn kein Kandidat die 50 Prozent schafft.
Meine politische Position ist da glasklar. Wenn man wirklich Mitglieder wertschätzt und das nicht nur aus taktischen Überlegungen macht – wo ja der Verdacht da ist –, dann sollte man den Mitgliedern auch zutrauen, wichtige Entscheidungen zu treffen. Unsere Mitglieder wissen viel besser, was für die Partei wichtig ist, als so manche Spin- oder PR-Berater. Wenn Mitglieder gefragt werden, dann muss man es auch zu Ende denken, und zwar mit einer Stichwahl.
Sie schließen eine Koalition mit der FPÖ und mit der ÖVP aus. Da gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, um wieder in die Regierung zu kommen.
Willy Brandt hat einmal gesagt, es hat keinen Sinn, in einer Regierung zu sein, wenn man dann kein Sozialdemokrat mehr ist. Ich kenne die Stimmung in der Partei sehr gut. Ich stehe für ein Reformprojekt. Mir trauen es die Leute auch am meisten zu, mit Grün und Neos eine Ampelkoalition bilden zu können. Ich gehe aber auch davon aus, dass die SPÖ wieder so stark werden kann, dass man dann nur eine Zweierkoalition braucht.
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