19.000 Wiener Schüler mit Deutschproblemen: Arabisch häufigste Erstsprache

19.000 Wiener Schüler mit Deutschproblemen: Arabisch häufigste Erstsprache
Eineinhalb Jahre lang kamen monatlich 300 Kinder durch Familiennachzug neu in die Wiener Schulen, doch die Zahlen sind rückläufig.

ie Migration bestimmt den Alltag in Wiens Schulen. Fast jedes zweite Kind, das 2024 eingeschult wird, spricht oder sprach so schlecht Deutsch, dass es als außerordentlicher Schüler geführt wird (siehe Infobox ganz unten).
Als außerordentliche Schüler werden die Kinder bezeichnet, die zwar schulpflichtig sind, aber aus unterschiedlichen Gründen dem Unterricht nicht folgen können. Bei den meisten liegt die Ursache in mangelnden Deutschkenntnissen; einigen Kindern fehlen die sozialen, emotionalen oder motorischen Fähigkeiten, die für einen Schulbesuch nötig sind. Sie wissen zum Beispiel nicht, wie man sich in eine Gruppe einfügt oder wie man einen Stift hält.

Außerordentliche Schüler erhalten kein Zeugnis

Wer mangels Sprachkenntnissen als außerordentlicher Schüler geführt wird, bekommt wöchentlich 20 Stunden Sprachunterricht in Deutschförderklassen. Diese Schülerinnen und Schüler werden in den Fächern, in denen Deutschkenntnisse nötig sind, nicht benotet und bekommen deshalb am Ende des Schuljahres auch kein Zeugnis, sondern nur eine Schulbesuchsbestätigung. Den Status „außerordentlich“ erhält ein Schüler für maximal zwei Jahre – danach wird er als regulärer Schüler geführt.

Von den Kindern, die in allen Wiener Pflichtschulen (Volks-, Mittel- und Sonderschule sowie Polytechnikum) wegen Sprachbarrieren als außerordentliche Schüler geführt werden, sprechen die meisten arabisch und türkisch (siehe Grafik).

19.000 Wiener Schüler mit Deutschproblemen: Arabisch häufigste Erstsprache

Außerordentliche Schüler Wien


Ein Grund für den hohen Anteil an arabischen Schülerinnen und Schülern ist der Familiennachzug, über den eineinhalb Jahre lang jeden Monat 300 Kinder nach Wien kamen, die zuvor jahrelang in türkischen Flüchtlingslagern gelebt und deshalb noch nie eine Schule besucht haben.

Orientierungsklassen für syrische Kinder

Für sie wurden im vergangenen Frühjahr eigene Orientierungsklassen geschaffen, in denen die Kinder Deutsch lernen. Dafür steht ihnen eine Lehrkraft zur Verfügung, deren Muttersprache Arabisch ist und die auch Deutsch kann. In diesen Klassen erhalten nicht nur die Kinder Unterricht, sondern auch ihre Eltern, denen vermittelt wird, wie die Schule in Österreich funktioniert.

Folgen der Corona-Pandemie

Für den Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr ist der Familiennachzug jedoch nicht die einzige Ursache für den hohen Anteil an Kindern mit Sprachproblemen, insbesondere bei den Erstklässlern: „Die Daten stammen aus dem Schuljahr 2023/24. Da sind immer noch die Folgen der Corona-Pandemie zu spüren, weil Kinder gar nicht oder zu selten im Kindergarten waren“, heißt es aus seinem Büro.

Für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr

Da Kinder in jungen Jahren besonders leicht lernen, spricht sich der Bildungsstadtrat für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr aus. Speziell geschulte Sprachförderkräfte in den Kindergärten könnten da viel abfangen und den Kindern spielerisch die deutsche Sprache vermitteln: „Bis Ende 2025 werden wir deshalb auf 500 Sprachförderkräfte aufstocken. Zu Beginn meiner Amtszeit waren es 260 Förderkräfte“, sagt der Bildungsstadtrat nicht ohne Stolz.

Die Kinder sollen nicht durch ganz Wien gefahren werden

Wenig hält Wiederkehr vom „Busing“, also davon, dass man Kinder quer durch Wien mit dem Bus in andere Stadtteile fährt, um eine bessere Durchmischung der Klassen zu erreichen. „Das haben schon viele Länder und Städte wie etwa die USA oder London versucht, das ist aber überall gescheitert.
Hilfreich wäre es hingegen, wenn Schülerinnen und Schüler mit Sprachdefiziten zu einer Sommerschule verpflichtet werden könnten. Und auch eine bessere Elternarbeit sei für den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen entscheidend: „Wer die Zusammenarbeit mit der Schule dauerhaft ablehnt, dem sollten im Ernstfall Sanktionen drohen, indem zum Beispiel Sozialleistungen gekürzt werden“, heißt es aus Wiederkehrs Büro.

Wertschätzung der Herkunftssprachen

In der Bildungsdirektion betont man, dass man auch die Herkunftssprachen der Kinder wertschätzen und fördern müsse. Denn die Muttersprache sei die Grundlage dafür, dass die Kinder und Jugendlichen Deutsch lernen können. Deshalb wird an 200 Wiener Schulen ein Erstsprachenunterricht in insgesamt 24 Sprachen wie Arabisch, Chinesisch, Farsi, Romanes  oder auch  Italienisch angeboten. Damit erreicht die Stadt 18.000 Schülerinnen und Schüler.
 

44,6 Prozent der Erstklässler sind außerordentliche Schüler:  Von 18.722 Schülerinnen und Schülern, die am  1. Oktober 2024 die erste Klasse einer öffentlichen Volksschule besuchten, hatten 8.342 und damit 44,6 Prozent einen „außerordentlichen Status“. Die Mehrheit davon wurde in Österreich geboren und besuchte einen Kindergarten

26 Prozent davon sprechen arabisch:  Von den Kindern, die in der ersten Klasse den Status  „außerordentlich“ haben,  sprechen 26 Prozent arabisch, 16 Prozent türkisch, 9 Prozent serbisch, 5 Prozent rumänisch und drei Prozent albanisch

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