Man nehme irgendein Fernstudium als Alibi – Altgriechisch, Zeitmanagement oder Fotografie – und verbringt die übrige Zeit mit Reisen, Hobbys oder einfach mit einem Buch in der Wiese. Genehmigt vom Chef, gesponsert vom AMS.
Es klingt wie ein Klischee, tatsächlich dürfte aber etwas dran sein. Zumindest liest sich so der Prüfbericht des Rechnungshofes zur Bildungskarenz. Die inhaltlichen Anforderungen seien so gering, dass viele Arbeitnehmer die Bildungskarenz für „wenig aufwändige, arbeitsmarktpolitisch wenig relevante Kursangebote“ und damit als eine „mit öffentlichen Mitteln finanzierte Auszeit aus dem Arbeitsprozess“ nutzen, heißt es darin.
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) greift den bereits Ende April publizierten Bericht jetzt auf und will im Herbst eine „breite öffentliche Debatte“ über die Weiterentwicklung der Bildungskarenz führen. „Ich halte es für ein gutes Instrument, vielleicht ist es aber nicht zielgerichtet genug“, sagt Kocher zur APA. Änderungsmöglichkeiten sieht er bei der konkreten Ausgestaltung und einzelnen Regelungen.
Ziel sei es, „dass die Bildungskarenz noch mehr Menschen nutzen und dass sie möglichst effektiv genutzt wird“, so der ÖVP-Minister. Im Regierungsprogramm steht dazu nichts, der kleine Koalitionspartner ist aber gesprächsbereit.
"Keine Einschränkungen"
Auf KURIER-Anfrage im grünen Klub heißt es am Sonntag: „Die Bildungskarenz ist eine wichtige Maßnahme zur Weiterbildung und zum Fortkommen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir kennen den Bericht des Rechnungshofes. Wir sind für Gespräche mit Minister Kocher offen, wenn es um Verbesserungen geht.“ Allerdings: „Für Einschränkungen bei der Bildungskarenz stehen wir nicht zur Verfügung.“
Neos-Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker spricht sich für eine Reform der Bildungskarenz aus. "Die Bildungskarenz sollte vor allem den Risikogruppen auf dem Arbeitsmarkt dienen, also schlechter qualifizierten und älteren Arbeitnehmern. Auf diese gehört sie ausgerichtet. Der Minister liegt daher falsch, wenn er meint, es sollten ,noch mehr' Menschen die Bildungskarenz nutzen. Es sollten sie die Richtigen nutzen. Junge Eltern und Akademiker mit dem Geld der Versicherten für ein Jahr aus dem leergefegten Arbeitsmarkt rauszukaufen, ist in Zeiten einer massiven Personalnot kontraproduktiv und fahrlässig.“
2021 nahmen im Jahresdurchschnitt rund 14.000 Personen eine Bildungskarenz in Anspruch – doppelt so viele wie noch 2010. Die Ausgaben sind alleine in den Pandemie-Jahren um 40 Prozent gestiegen. Und: 74 Prozent der Bezieher sind Frauen. Die Bildungskarenz werde laut Rechnungshof häufig dazu genutzt, die Babypause zu verlängern. Auch das ist nicht im Sinne des Erfinders.
Freie Wahl
Seit 1998 können sich unselbstständige Beschäftigte mit Zustimmung des Arbeitgebers zur Aus- und Weiterbildung für zwei bis zwölf Monate freistellen lassen. In der Zeit gibt es ein Weiterbildungsgeld, das dem Arbeitslosengeld entspricht (ca. 55 Prozent des Nettoeinkommens). Bei Kursen sind 20 Wochenstunden, bei einem Studium vier Semesterwochenstunden das Minimum.
Wie die Aus- bzw. Weiterbildung inhaltlich aussehen muss, ist nicht weiter spezifiziert. Das Arbeitsministerium hat in einem Durchführungserlass sogar klargestellt, dass die Maßnahme mit der bisherigen beruflichen Tätigkeit nicht in Zusammenhang stehen muss.
Sprich: Der Bildungswillige hat die freie Wahl. Ausgeschlossen sind grundsätzlich nur Kurse, die „klaren Hobby-Charakter“ haben – zum Beispiel Yoga-Kurse (sofern nicht beruflich genutzt).
➤ Lesen Sie dazu auch: Unfair? Warum Deutschland bezahlten Bildungsurlaub hat und Österreich nicht
Der Rechnungshof empfiehlt nun, das Modell auf Weiterbildungen auszurichten, die geeignet sind, die Position der Beziehenden am Arbeitsmarkt zu verbessern. Zweckmäßig erscheine auch, die Anforderungen anzuheben bzw. einen Erfolgsnachweis oder eine Bestätigung für die Teilnahme zu verlangen. Diese braucht es derzeit nur fürs Studium, für Kurse aber nicht. Die Prüfer sehen das Risiko, dass jemand zu Unrecht Weiterbildungsgeld bezieht.
Auch für Arbeitnehmer ist die Bildungskarenz ein Risiko: Jeder Vierte verliert im Jahr danach seinen Job.
Hier gibt's den Rechnungshof-Bericht zum Download.
Kommentare